Hallo Allerseits,
Abschrift und Bearbeitung!
Aufgabe von Fernschreiben
Trotz eindeutig klarer Anordnungen in der Nachrichtenvorschrift, Heft IV, Ziffern 44 bis 46 und trotz laufend wiederbolter Hinweise werden die Bestimmungen über die Aufgabe von Fernschreiben nicht ein gehalten.
Der Fernschreibverkehr ist infolge des großen Umfanges von Nachrichten, edleren Inhalt die Beförderung als Fernschreiben nicht rechtfertigt, derart angestiegen, dass der militärisch wichtige Fernschreibverkehr in untragbarer Weise gefährdet ist.
Außer der großen Menge von unwichtigen Fernschreiben wirkt sich die hohe Zahl der Anschriften in einzelnen Fernschreiben erschwerend aus, weil ein Fernschreiben mit 10 Anschriften an 10 Empfänger übermittelt werden muss und daher gleichbedeutend mit 10 einzelnen Fernschreiben ist.
Eine längere Prüfung der vom Oberkommando der Marine ausgebenden Fernschreiben hat gezeigt, dass ein großer Teil der Fernschreiben innerhalb der Abteilungen und Ämter eine Laufzeit von mehreren Tagen (bis zu 7 Tagen) hatte. Ferner ist ein großer Teil von Fernschreiben der im normalen Geschäftsgang beim Marine-Nachrichten-Offizier (M.N.O.) abgelieferten Fernschreiben bereits am Vortage bei der betreffenden Abteilung vollzogen und geht auf dem Wege der Räumung am nächsten Tag zwischen 11.00 und 12.00 Uhr bei der Fernschreibstelle ein. Die Berechtigung solcher Nachrichten als Fernschreiben kann nicht anerkannt werden. Sie können bei sachgemäßer Behandlung innerhalb der betreffenden Abteilung ohne weiteres als Schnellkurzbrief abgesandt werden und würden in vielen Fällen den Aufgeber schneller erreichen, als das im bisher üblichen Geschäftsgang aufgegebene Fernschreiben.
Ein Fernschreiben ist ein Telegramm, das innerhalb weniger Stunden auf dem Drahtwege über große Entfernungen den Empfänger erreichen soll. Diesem Umstand muss durch entsprechende Behandlung der Nachricht als Telegramm beim Ausgeber und beim Empfänger Rechnung getragen werden.
Auf Grund der vorstehenden Ausführungen wird daber angeordnet:
1. Fernschreiben dürfen nur in wichtigen und zugleich dringenden Fällen aufgegeben werden. Sie sind in Telegrammstil abzufassen.
2. Bei Anwend der Dringlichkeitszeichen ist ein strenger Maßstab anzulegen. Die in der Wehrmacht gültigen Dringlichkeitszeichen sind:
- KR für dringende Nachrichten der höheren Führung und für die Führung wichtige Nachrichten über den Feind,
- SSD dringende militärische Nachrichten der Führung und der eingesetzten Verbände,
- S sonstige dringende Nachrichten.
Einzelheiten siehe Oberkommando der Marine Laufende Befehle vom 08.01.1940 Ziffer 5.
3. Nachrichten, deren Inhalt nicht unbedingt die Inanspruchnahme des Drahtweges erfordert, sind von der Beförderung als Fernschreiben ausgeschlossen.
4. Die Anzahl der Anschriften ist auf diejenigen Empfänger zu beschränken, die die betreffende Nachricht unbedingt als Fernschreiben erhalten müssen. Alle anderen Empfänger, an die eine Durchgabe als Telegramm nicht unbedingt erforderlich ist, sind schriftlich zu unterrichten.
In solchen Fällen ist am Schluß des Fernschreibens ein entsprechender Vermerk aufzunehmen, z. B. „Werft W'haven, K.M.D. Bremen haben Abschrift". Dies gilt insbesondere für „nachrichtliche“ Anschriften.
5. Nachrichten an mehrere Empfänger, die teils als Fernschreiben, teils als Funkspruch weiter befördert werden müssen, sind in der Verfügung zu trennen in
a) Fernschreiben,
b) Funkspruch.
In den Funkspruch ist nur das aufzunehmen, was dem Empfänger des Funkspruches unbedingt zur Kenntnis gebracht werden muss.
6. Fernschreiben sind ihrem Wesen als Telegramm entsprechend im Geschäftsverkehr als dringlich zu behandeln. Für abzugebende Nachrichten, deren Laufzeit innerhalb des O.K.M. (einschließlich der Ablieferung in der Fernschreibstelle) dieser Forderung nicht Rechnung trägt, kann die Notwendigkeit der Beförderung durch Fernschreiben nicht anerkannt werden.
7. Abgabefertige Fernschreiben sind von den Abteilungen zur Vermeidung von Spitzenbelastungen laufend bei der Fernschreibstelle abzuliefern und nicht etwa bis zum Dienstschluss anzusammeln.
8. Fernschreiben innerhalb des O.K.M. und Fernschreiben zwischen O.K.M. und anderen Wehrmachtdienststellen innerhalb von Groß-Berlin sind untersagt. Ausnahmen nur in dringenden Fällen geheimer Natur, die nicht fernmündlich erledigt werden können.
Ebenfalls ist die Aufgabe von Fernsprüchen beim M.N.O. Berlin und bei der Fernschreibstelle untersagt; Übermittlung von Fernsprüchen hat unmittelbar zwischen den Dienststellen zu erfolgen.
9. Der M.N.O. ist ermächtigt, Fernschreiben, die gegen die vorstehenden Bestimmungen verstoßen, von der Beförderung als Fernschreiben auszuschließen bzw. sie im Sinne dieser Bestimmungen abzuändern. Die Rücksendung dieser Fernschreiben erfolgt über das Hauptbüro des O.K.M. auf dem Geschäftswege. Hieraus für den Aufgeber entstehende Nachteile sind vom Aufgeber zu tragen. Diese Regelung gilt auch für Nachrichten, die bei den Fernschreibstellen außerhalb des Stammgebäudes als Fernschreiben aufgegeben werden, da die Prüfung dieser Nachrichten ebenfalls durch den M.N.O. Berlin erfolgt.
Quelle: Laufende Befehle; Berlin 27.06.1940; Blatt 46
Gruß
Antje