Hallo Sonnenberg, hallo an alle User*innen!
In Absprache mit Michael stelle ich hier nach und nach Auszüge aus dem Buch von Wolfgang Bach: Die Geschichte der Fallschirm-Panzer-Ersatz- und Ausbildungs-Brigade "Hermann Göring" und speziell davon den Januar 1945, ein.
Gruß
Antje
11. Jahreswechsel 1944/45
Das Jahr 1945 begann mit vagen Erwartungen. Euphorische Stimmungen vermochten in den Truppenunterkünften nicht aufzukommen.
Jetzt ging es ums Ganze. Auf neue Waffensysteme mit kriegsentscheidender Wirkung fehlte jeder Hinweis. Vielleicht unterlag diese Art Kriegsgerät - auch als Wunderwaffe bezeichnet - von dem man sich technische keine genauen Vorstellungen machen konnte, der totalen Geheimhaltung.
Trotz Zweckoptimismus und gutem Willen in allen Dienstobliegenheiten vermochte niemand die Sorgen zu verscheuchen, die wir uns um unser Vaterland und um unsere Lieben in der Heimat an diesen Tagen machten. Wenn es auch unausgesprochen blieb, so wußte doch jeder, daß bald eine Entscheidung fallen würde. Der Feind stellte sich zum Sturm auf unsere Reichsgrenzen bereit.
Das war offensichtlich auch der Beweggrund, warum der Brigadestab in den ersten Januartagen sämtliche in Rippin und Umgebung zu Besuch weilenden Ehefrauen (zum Teil mit Kindern) und Bräute aufforderte, sofort die Heimreise anzutreten.
Ich will nun versuchen, eine Antwort darauf zu geben, warum wir, die verantwortlichen Führer der unteren Ebene - und nur die vermochte ich zu überblicken - unablässig die jungen Soldaten auf den Kriegseinsatz vorbereitet haben, obwohl uns klar sein mußte, daß das Völkerringen für uns verloren war.
Für uns war kein anderer Weg erkennbar, als der der Pflicht in allen Dienstobliegenheiten. Er war sehr unbequem geworden, er hatte sich aber unzählige Male bewährt.
Außerdem war es unsere feste Überzeugung, daß wir durch unseren Einsatz im - weitesten Sinne - der Reichsregierung möglichst lange ein möglichst großes Territorium deutschen Bodens für Verhandlungen erhalten müßten. Eine auf engstem Raum zusammengedrängte Armee ist kein Verhandlungsgegenstand mehr.
Ein weiterer, sehr entscheidender Faktor für unser aller Verhaltensweise im Osten war die Überzeugung, eine russische Gefangenschaft weder im Augenblick der Gefangennahme noch später in den sibirischen Lagern zu überleben. Dieses Bewußtsein stärkte den Einsatzwillen des Frontsoldaten im Osten ganz enorm. Die russische Gefangenschaft wurde mehr gefürchtet als der Soldatentod! Noch wußten wir nichts von der ungeheuren moralischen Verpflichtung gegenüber den schutzlos nach Westen ziehenden Flüchtlingstrecks. Dieses Problem sollte sich uns in Kürze stellen.
Führerglaube oder militärisches Sendungsbewußtsein waren längst vergessene Begriffe. Auf Durchhalteparolen hörte niemand mehr, seitdem etwa ab Mitte 1944 jedermann spürte, daß die Gesamtlage für uns Deutsche äußerst kritisch geworden war.
12. Rekrutennachschub Anfang Januar 1945
Die gesamte personelle Planung einschließlich der angelaufenen Ausbildungsschemata drohte zu zerfallen, als sich in den ersten Januartagen 1945 eine große Zahl von Rekruten geradezu sintflutartig auf die Barackenlager in Rippin ergoß. Wie so vieles in dieser Zeit, war es absolut unverständlich, daß Heimatdienststellen eine große Zahl junger Kriegsfreiwilliger Anfang Januar 1945 ohne Soldbuch, ohne Erkennungsmarke und ohne Winterbekleidung zu den Ausbildungstruppenteilen nach Westpreußen in Marsch setzten. Entweder waren die Bekleidungskammern leer, oder aber es waren die falschen Leute am Werk!
In Rippin sind Erkennungsmarken von Hand gestanzt und beschriftet worden. Es wäre ein schwerwiegendes Versäumnis gewesen, einen Soldaten ohne Erkennungsmarke in den Kampfeinsatz zu führen.
Anfang Januar traf auf dem Versorgungsweg ein größerer Posten Schnürschuhe, Stiefel, Handschuhe, Kopfschützer und Strickjacken ein, leider aber noch immer keine Winterbekleidung. Es war fast unmöglich geworden, auf die individuellen Bedürfnisse der jungen Soldaten Rücksicht zu nehmen. Dabei spielt die ordnungsgemäß verpaßte Dienstbekleidung eine sehr wichtige Rolle.
13. Das II. Bataillon fiel dreimal hintereinander auf
Der 1. Anstoß:
Oberst Meyer händigte mir einen Brief aus, den ein "Onkel General" an seinen alten Kameraden Schmalz, unseren Kommandierenden General, beschwerdeführend im Auftrag seines Neffen wegen dessen zu strenger und harter Ausbildung geschrieben hatte. Der Neffe, ein blutjunger Kriegsoffizierbewerber (KOB), gehörte seit kurzem zum Bataillon und wurde in einem Zug ausgebildet, in dem die Offizieranwärter zusammengefaßt waren, nach meiner Erinnerung im Zug des Oberfeldwebel Kaufmann, 6. Kompanie (Leutnant Ellwanger). Zugegeben, die Ausbildung samt Umweltbedingungen war sehr hart für diese jungen Menschen. Daran ließ sich aber wirklich nichts ändern; Nachsicht oder Zimperlichkeit wären absolut fehl am Platz gewesen, mußte sich doch die Grundausbildung an den realen Erfordernissen des Krieges orientieren.
Der Kommandierende General hatte Stellungnahme gefordert, ggf. sofortige Versetzung des Verantwortlichen zum Korps an die Front in Ostpreußen. Als General Schmalz der Sachverhalt mit dem Namen des verantwortlichen Kommandeurs vorgetragen wurde, soll er geäußert haben: „… bei dem sind die Rekruten gut aufgehoben..."
Der 2. Anstoß:
Die 7. Kompanie stellte die Wache am Wohnhaus des Brigadekommandeurs. Es blieb das Geheimnis eines für die Wache eingeteilten Rekruten, warum er ausgerechnet im Kohlenkeller des Herrn Oberst seine Notdurft verrichtete. Um diesen "Haufen" hat es einen Riesenkrach gegeben!
Der 3. Anstoß:
Es war zur Regel geworden, daß die Abteilung IIa/IIb der Brigade (Major Simon) die nachts auf dem Bahnhof Rippin ankommenden Rekruten zum Aufwärmen bis zum anderen Morgen in das nahegelegene Lager A dirigierte. Obwohl das Barackenlager übervoll belegt war, wurde uns immer wieder - nur kurzfristig angemeldet - solcherart Besuch zugewiesen. Die Hauptfeldwebel mußten wahre Meisterleistungen vollbringen, um die Gäste behelfsmäßig in geheizten Räumen unterzubringen.
An einem Abend klappte die Unterbringung reibungslos, weil die 6. Kompanie (Ellwanger) zur Nachtübung ausgerückt war und erst gegen Mittag des nächsten Tages zurückerwartet wurde. Hauptfeldwebel Vothknecht, 6. Kompanie, hatte in einem Anlauf ca. 300 junge Männer in Zivil in den leerstehenden Räumen untergebracht. Die Stimmung unter den Neuangekommenen war so hervorragend, daß sie die Nacht über kein Auge zutaten. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund ließ man die "Festgesellschaft" gegen 6.00 Uhr mit Gepäck antreten und abmarschieren. Die zurückgelassenen Unterkünfte blieben im "Urzustand".
Fortsetzung folgt…