Hallo Allerseits,
Abschrift und Bearbeitung
27.11.1941
Merkblatt 12 Gebote für den Winterfeldzug
1. Dem Erfindungsreichtum und der Selbsttätigkeit aller Führer und Unterführer im Schaffen von Aushilfen aller Art zur Erhaltung der Kampfkraft und Bewegungsmöglichkeit der Truppe und ihrer Versorgung, zum Abtransport der Verwundeten sind keine Grenzen gesetzt.
Alle Maßnahmen behelfsmäßiger Art sind schnell zu treffen ohne Rücksicht auf Einheitlichkeit, Gleichmäßigkeit oder „Vorschriftsmäßigkeit" unter dem einzigen Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit.
2. Für die schnelle und zweckmäßige Vervollständigung der Winterbekleidung und Winterausrüstung kann nicht genug geschehen. Man warte nicht auf Vorschriften und Anordnungen höherer Dienststellen, sondern sinne unablässig darauf, durch Selbsthilfe Aushilfen zu schaffen. Maßnahmen der höheren Dienststellen werden weitere Verbesserung unserer Ausrüstung bringen.
3. Starke Kälte setzt die Leistungsfähigkeit des Menschen herab. Oberstes Bestreben ist daher, sie zu erhalten und zu heben.
Hierzu bedarf es zweckmäßiger Bekleidung.
- Hierzu bedarf es einer dem russischen Winter entsprechenden Unterkunft.
- Hierzu muss der Mann darin geschult und dazu angehalten werden, durch Selbsthilfe Schädigungen vorzubeugen.
4. Die gesamte Bekleidung muß weit verpasst sein, besonders die Stiefel (Austausch innerhalb der Einheit, nur große Nummern anfordern!). Jede Blutstauung vermeiden.
Besser mehrere dünne Bekleidungsschichten übereinander, als wenige, dicke, da Luftschicht das Wesentlichste ist.
Zeitungspapier ist bester Ersatz für fehlende Winterbekleidung und Universalmittel zum Erhalten der Wärme und Abhalten des Windes. Mehrere Lagen zwischen Hemd und Rock, Unterhose und Oberhose tragen, oder eingenäht in rechteckigen Stoffbeutel mit Loch zum Hineinschlüpfen, um so Brust, Bauch und Rücken zu schützen. Zeitungspapier gehört zur Winterausrüstung des Mannes!
Im Stiefel mehrere Paar Strümpfe, Füße einwickeln in Zeitungspapier, Einlegesohlen aus Stroh, Papier, Pappe.
Fäustlinge sind besser als Fingerhandschuhe, können aus jedem Stück Stoffrest behelfsmäßig hergestellt werden.
5. Wichtigste Forderung jeder Unterkunft und Rast ist Schutz gegen Wind für Mensch und Tier (Windschirm). Das geheizte Zelt bietet gute Unterkunft.
Alle Möglichkeiten des Zeltbaues sind zu erproben:
Zelte aus Tannenreisig, aus Zeltbahnen, halb oder ganz in die Erde oder in den Schnee versenkt.
Für genügende Unterlage sorgen:
- Fichtenzweige,
- Heu,
- Stroh,
- Papier.
6. Bewegung ist der beste Kälteschutz:
- Bei längeren Rasten bei großer Kälte muss der Mann in regelmäßigen Abständen geweckt und zur Bewegung gezwungen werden.
- Nicht in den Schnee setzen! Zeltbahn unterlegen.
- In der Bewegung muss man leicht angezogen sein unter Schutz der Ohren und Hände, aber ohne Mantel.
- Bei Übergang zur Ruhe ist unbedingt notwendig und unter Aufsicht auch im Freien durchzuführen, verschwitzte Wäsche und Strümpfe wechseln, erhitzten Körper durch Mantel, Decke usw. vor Abkühlung schützen.
7. Jeder achte auf seinen Nachbarn!
Erfrierende Gliedmaßen werden erst weiß, dann brennend rot (Ohren, Nase, Hände!).
Sie mit Schnee reiben und erst langsam an Wärme gewöhnen!
Einfetten schützt vor Erfrieren.
8. Alkohol ist der größte Feind im Winter!
Vor und während des Marsches und Kampfes im Winter ist Alkohol in jeder Form schädlich. Er erschlafft den Körper und macht ihn für Erfrierungsschäden leicht zugänglich. Vermeintliches Wärmegefühl täuscht, es folgt vermehrtes Kältegefühl.
Alle Einheiten müssen Vorsorge treffen, dass sie ständig warme alkoholfreie Getränke verfügbar haben. Bei Haupt-Verband-Plätzen und während des Verwundetentransportes müssen Thermosflaschen greifbar sein.
Die Truppe wird sich durch Schaffung behelfsmäßiger Kochkisten und mit Essenträgern helfen können.
9. Windschutz gilt in gleichem Maße für Unterkunft der Pferde.
- Schneewälle, Windschirme errichten, mit Tannenreisern streuen. Pferde eindecken!
- Bei Aufstellung im Freien Pferde in gewissen Zeitabständen bewegen, ebenso nach Tränken mit kaltem Wasser.
- Geballten Schnee aus den Hufen entfernen, Vorsicht bei Wendungen im tiefen Schnee (Kronentritte!).
- Geschirre nicht einfrieren lassen, Geschmeidigkeit zu erhalten versuchen, kein vereistes Gebiss dem Pferd ins Maul legen!
10. Die Waffe bedarf im Winter besonderer Pflege!
- Schnee im Gewehrlauf ergibt Laufaufbauchung, somit Unbrauchbar werden der Waffen;
- bei grosser Kälte nur wenig ölen und fetten, da Öl und Fett gefrieren und die beweglichen Teile durch Einfrieren hemmen;
- starken Temperaturwechsel der Waffen vermeiden!
- Waffen, aus Zimmer oder Zelt in starke Kälte gebracht, schwitzen zunächst und frieren dann schnell ein.
- Beim Schießen mit größter Ladung bei großer Kälte entsteht die Gefahr des Springens der Verschlüsse. Erst durch einige Schüsse mit kleiner Ladung anwärmen.
- Waffen und Gerät durch Kalkanstrich tarnen!
11. Bewegungs- und Transportmittel:
a) Der Schi mit einfacher, loser Bindung ist das beste Bewegungsmittel und verlangt keine zusätzliche Ausrüstung. Ausrüstung mit Schiern kommt nur für Teileinheiten in Frage.
Schilaufen im Flachland ist keine Kunst, sondern nur eine Frage der Gewöhnung und Ausdauer. Für die lose Zehenbindung bedarf es einer behelfsmäßig anzubringenden Vorrichtung (Kappennase) am Marschstiefel, um das Herausrutschen aus der Bindung zu vermeiden?
b) Transportmittel bei hohem Schnee ist der Schlitten. Er wird am besten von einem Pferd oder zwei Pferden hintereinander gezogen.
c) Waffen und Gerät, Munition, Verpflegung, Zeltausrüstung, Gepäck von kleinen Einheiten und Truppe werden auf leichten Gleitschlitten befördert, die von Schiläufern gezogen werden können. Finnische Ackjas und russische Wolokuschen sind Vorbild und leicht nachzuahmen.
Jede Kompanie muss einige Ackjas oder Wolokuschen haben, auch zum Verwundetentransport.
12. Der Kampf im Winter:
Kälte, Schnee, Wind und Dunkelheit sind die Merkmale des russischen Winters.
Zweckmäßige Ausrüstung und Bekleidung und die Sicherheit auf Schiern nehmen dem Winter den Schrecken und machen ihn zum wertvollen Bundesgenossen.
Der Russe hat nur wenige, kleine Schitruppen. Im übrigen ist er im schneereichen Winter langsam und unbeweglich.
a) Angriff:
Frontaler Angriff bei hohem Schnee ohne Schier bedeutet hohen Kräfteverbrauch vor dem Einbruch und hat selten Erfolg.
Umfassung unter Ausnutzung der Beweglichkeit auf Schiern auch kleiner Einheiten als Überfall bringt gegen den überraschten und unbeweglichen Feind meist großen Erfolg. Die Zeit zwischen Bereitstellung und Angriff so kurz wie möglich, da Herumliegen in Feindnähe bei großer Kälte nicht möglich.
b) Verteidigung:
Schutz gegen Umfassung, Tiefe, Zurückhalten von örtlichen Reserven, möglichst auf Schiern.
In der Front genügen bei hohem Schnee schwache Sicherungen, da Angreifer in seinen Bewegungen langsam. Masse der Verteidiger in witterungsgeschützter Unterkunft.
Reserven auf Schiern, erkunden Einsatz zu wahrscheinlicher Einbruchsstelle und legen vorher Spuren.
Gegenstoß exerziermäßig üben!
Stellung wird stützpunktartig unter Ausnutzung der Höhen angelegt. Zwischengelände wird durch Schitrupps überwacht.
c) Sicherung:
Sicherung der Unterkunft grundsätzlich nach allen Seiten. Eigene Aufklärung ist die beste Sicherung.
Um die Unterkunft wird eine geschlossene Schispur gezogen, alte, querlaufende Spuren werden kenntlich gemacht.
Spähtrupps und Melder dürfen nur auf vorgeschriebenen Spuren Sicherungskreis überschreiten.
Sicherungskreis wird ständig durch Posten abgefahren, stehende Posten am Rande des Kreises befinden sich in Zelten, mindestens im Windschutz.
Schlussbemerkung:
Vorstehende Hinweise können nur Anregungen sein. Jedem Kommandeur und Einheitsführer liegt die besondere Pflicht ob, das der Truppe anhaftende schädliche Beharrungsvermögen an Gewohnheiten zu bekämpfen und mit allen Mitteln Schutzmaßnahmen gegen die Witterung zu schaffen.
Quelle: germandocsinrussia
Gruß
Antje