Hallo zusammen! Frohes neues Jahr!
Im Zuge meines Projekts "Delmenhorster Gefallene" bin ich auf einen Obergefreiten namens Leopold Herschmann gestoßen, der am 20.11.1944 in seiner Delmenhorster Wohnung in der FXXXXstr. 17 an Lungentuberkulose verstorben ist.
In der mir vorliegenden Gräberkartei steht bei der Einheit Heeresentlassungsstelle 3/X. Eine erste Recherche hat ergeben, dass es nur sehr wenige Informationen zu den Heeresentlassungsstellen zu geben scheint, weshalb ich diesen Thread eröffne, in der Hoffnung, dass mit der Zeit das allgemein zugängliche Wissen über diese Organisation des Heeres steigt und vielschichtiger wird.
_ _ _
Ich mache einmal den (archivalischen) Anfang:
Im BArch (Freiburg) gibt es unter der Archivsignatur RH 53-10/... Akten (15 Bde.) zur Heeresentlassungsstelle 3/X.- Wehrmachtärztliche Zeugnisse und Entlassungsverfügungen. Abgedeckt wird immerhin der Zeitraum vom 07.01.1941 bis zum 27.03.1945.
Im gleichen Bestand gibt es noch jeweils eine Akte zu den Wehrkreiskommandos IV (Dresden), VI (Münster), VII (München), XVIII (Salzburg), XX (Danzig), XXI (Posen).
Unter der Archivsignatur RH 56/245 gibt es noch eine Akte, in der die Heeresentlassungsstelle des Wehrkreiskommandos XIII (Nürnberg) auftaucht.
Unter der Archivsignatur RH 15/268 gibt es noch eine Akte, in der es allgemeine Informationen zur "Tätigkeit der Heeresentlassungsstellen sowie Durchführung der Entlassung aus dem Heeresdienst, Apr. 1941" zu geben scheint.
Im Stadtarchiv Weimar gibt es unter der Archivsignatur 7-77-82 (Bestandsignatur 12) Material zum Thema "Aufstellung von Baracken für die Heeresentlassungsstelle".
Im Österreichischen Staatsarchiv sind unter der Archivsignatur AT-OeStA/AdR MilEv WStB-Reihe (Wehrstammbuchreihe) Einzelstücke der Heeresentlassungsstelle 1/XVII (Wien) sowie Stammkarten der Heeresentlassungsstelle 4/XVIII Graz überliefert.
zeitgenössische Quellen:
Lenka von Körber: Der Weg ins neue Leben. In der Obhut der Heeresentlassungsstelle (doppelseitiger Bildbericht), in: Deutsche Frauen-Zeitung / Häuslicher Ratgeber 54/17 (1940/1941).
_ _ _
Ich habe in einem Artikel noch diese Angaben gefunden:
[Kapitel Nach dem Krieg; Juli 1945] "Darüber hinaus war im Lager auch die Heeresentlassungsstelle beheimatet, welche die Heimkehrertransporte ehemaliger Angehöriger der Deutschen Wehrmacht aus Frankreich abwickelte."
Quelle: Horst Schreiber, Das Arbeitserziehungslager Reichenau
_ _ _
Die Heeresentlassungsstellen waren auch direkt/indirekt an den Nationalsozialistischen Gewaltverbrechen (NSG), z. B. der Zwangssterilisation, beteiligt.
Siehe etwa:
"1943 stammten 4 der 17 Anzeigen vom Amtsarzt, 5 von der Entlassungsstelle des Heeres und eine vom Heereslazarett, 2 Anträge wurden gestellt, davon war ein Fremdantrag aus dem Jugendgefängnis. Eine Ablehnung bzw. eine Sterilisation sind für dieses Jahr nicht verzeichnet. 1944 stammten 3 Anzeigen der eingegangenen 23 vom Amtsarzt, 9 stellte wiederum der Truppenarzt bzw. die Heeresentlassungsstelle. Dr. Holländer[1] formulierte 2 Anträge, ein Fremdantrag war zuständigkeitshalber weitergeleitet worden. Antragsablehnungen bzw. Berichte über Sterilisationen sind für 1944 nicht verzeichnet."
[1] Amtsarzt Dr. Ernst Holländer (Jahrgang 1879) vom Staatl. Gesundheitsamt Neuburg a. d. Donau
Quelle: J. Donhauser: Teil II: Die staatliche Gesundheitsbürokratie spielt Schicksal, in: Gesundheitswesen 69 (2007), S. 19–60.
In einem Artikel der NZZ von 2002 wird deutlich, dass die Heeresentlassungsstellen ein wichtiges "Rädchen im Getriebe der Vernichtung" waren:
«Eine Nachuntersuchung wegen Tauglichkeit ist nicht erforderlich. Eine Wiederherstellung der Dienstfähigkeit ist ausgeschlossen», schreibt Ende Mai 1942 das Stellvertretende Generalkommando an die Heeresentlassungsstelle in Posen. Aus der Wehrmacht entlassen wurde der 21-jährige Schütze Heinrich K., bei dem man im Winter 1941 Schizophrenie festgestellt hatte." Zum weiteren Schicksal (Ermordung in Hadamar) siehe dort.
_ _ _
Man wurde offenbar zur Entlassungsstelle in Marsch gesetzt. Es muss also zuvor einen (schriftlichen) Marschbefehl gegeben haben.
_ _ _
Es gab eine Heeresentlassungsstelle in der Conrad-Kaserne in Innsbruck.
Es gab eine Heeresentlassungsstelle in Sankt Augustin, im Schloss Birlinghoven. Das Schloss diente ab August 1943 als Ausweichquartier zur Unterbringung der zuvor in Köln-Nippes beheimateten Heeresentlassungsstelle 5 des Wehrkreises VI (Münster).
Im Lainzer Schlössel war vom 27.01.1941 bis 1945 eine Heeresentlassungsstelle untergebracht.
_ _ _
Bekannte Leiter/Mitarbeiter von Heeresentlassungsstellen:
Hans Ernst Herbert Zirpel (*01.09.1889 in Groß Saabor / Niederschlesien; † ??.??.19??), Oberst, Leiter der Heeresentlassungsstelle 1/XX (20.02.1944)
Dr. Klaus Müller (*19.04.1892 in Augsburg; †06.08.1980 in Augsburg), von 1939–1945 Leiter der Heeresentlassungsstelle. Nach dem Krieg Mitbegründer der Augsburger CSU und von 1947–1964 Oberbürgermeister von Augsburg. Träger des großes Bundesverdienstkreuzes.
Dr. med. Walter Maaßen (*25.07.1910 in Aachen; †02.03.1997 in Aachen). Maaßen hatte einen Herzfehler, der dazu führte, dass sein Wehrdienst an der Ostfront vorzeitig beendet wurde. Später leistete er seinen Dienst in der HEST Stettin.
_ _ _
bekannte Abkürzungen bzw. populäre Bezeichnungen:
H. E. St. / HEST / Entlassungsstelle(n) des Heeres