Polizeischule Jena, Schutzpolizei in Weimar, 2. Kompanie Polizei-Bataillon Regiment 6, Polizeibataillon 311

  • Guten Tag,


    Ich bin neu im Forum und das meine erste Nachricht. Ich habe kürzlich eine Recherche zu meinen Großvätern begonnen, um größtmögliche Klarheit über ihre Tätigkeiten während Nationalsozialismus und 2. Weltkrieg zu bekommen.


    Meine ersten Fragen und die meiste Recherchearbeit bisher beziehen sich auf meinen Großvater väterlicherseits. Zuletzt (1944) war er Zugwachtmeister der Schutzpolizei. Eine erste Anfrage meines Vaters beim Bundesarchiv (vormals Deutsche Dienststelle) 2015, sowie meine Einsicht in Dokumente im Familienbesitz, haben ein paar Eckdaten ergeben:


    Februar 1939 Umzug nach Weimar (‚Meldekarte‘)


    Laut WASt Polizeischule Jena, Erkennungsmarke: -34- Pol. Sch. Jena


    1939 - 1944 ununterbrochen im Polizeidienst


    Im März 1940 ‚wohnhaft‘ in Kladno bei Prag (damals ‚Protektorat Böhmen und Mähren‘). (aus Heiratsurkunde)


    Hier möchte ich nachforschen, ob und wie er in Kladno dienstlich tätig war.


    Juni 1940, wahrscheinlich wieder in Weimar wohnhaft, auf ‚Medaille zur Erinnerung an den 1. Oktober 1938‘ (Urkunde liegt vor) ist Weimar eingetragen.


    24.03.1942, Verwundung (Erfrierungen), Reservelazarett Bamberg (WASt, 2015).


    13.04.1942, Abgang ‚zur Truppe nach Weimar‘ (WASt, 2015).


    09.02.1943, ‚2. Kompanie Polizeibataillon Regiment 6, Einsatz in ‚Südrußland‘‘ (WASt, 2015).


    09.02.1943, Verwundung (Infanteriegeschoss-Durchschuss linke Hand), Reservelazarett Forchheim (WASt, 2015).


    Heißt vermutlich, dass er vor seiner Verwundung beim Regiment 6 war. Dieses wurde meines Wissens im Dezember 1942 'zerschlagen' (Rolf Michaelis, Der Einsatz der Ordnungspolizei 1939 - 1945)


    16.04.1943, wieder kriegsverwendungsfähig zum ‚Kommandeur der Schutzpolizei Weimar‘ (WASt, 2015).


    01.08.1943, Verleihung Infanterie-Sturmabzeichen in Silber, im Felde, Stempel der 444. Sicherungsdivision (Urkunde liegt vor).


    08.1944, 1. Alarm-Kompanie Jena beim Befehlshaber der Ordnungspolizei Frankreich in Paris (WASt, 2015).


    23.08.1944, vermisst gemeldet (WASt, 2015)


    26.08.1944, verstorben (WASt, 2015)


    Recherche-Anfragen laufen aktuell beim Bundesarchiv, Abteilung PA und beim Stasi-Unterlagen-Archiv, dem Bürgeramt Weimar und dem Staatsmuseum Weimar.


    Ich möchte so weit wie möglich rekonstruieren, wo und in welchen Einheiten mein Großvater aktiv war.


    Für die Jahre 1939 bis 1941 habe ich wenig Daten. Einerseits möchte untersuchen, ob mein Großvater vor Juli 1942 vielleicht Teil des Polizei-Bataillon 311 war, aus dem das Polizei-Regiment 6 formiert wurde und das 1940 in Jena aufgestellt wurde, wo er auf der Polizeischule war. Andererseits möchte ich überprüfen, ob mein Großvater in Weimar Dienst im Zusammenhang mit dem Konzentrationslager Buchenwald gemacht hat. Eine erste Anfrage nach Akten diesbezüglich an die Gedenkstätte blieb bisher unbeantwortet.


    Ich würde mich sehr freuen, wenn jemand aus dem Forum, eine Idee zu Quellen und Archiven hat, aus denen ich weitere Schlüsse ziehen kann.


    Mit besten Grüßen,


    Carsten

  • Hallo Carsten,


    zunächst erstmal ein herzliches Willkommen hier im Forum. Wie ich sehe, verfügst du ja bereits über eine relativ gute Datenlage.

    Ich würde mich sehr freuen, wenn jemand aus dem Forum, eine Idee zu Quellen und Archiven hat, aus denen ich weitere Schlüsse ziehen kann.

    Zum Polizei-Bataillon 311 gibt es einiges an Material, siehe auch:


    https://www.lexikon-der-wehrma…izei-Bataillone/PB311.htm


    https://www.stadtmuseum-jena.de/de/715030


    https://www.geschichtswerkstat…-heft-42-ausgabe-iii-2006


    https://download.e-bookshelf.d…0000348276-0002314936.pdf


    https://www.sehepunkte.de/old_site/2006/06/toc/5962.pdf


    Gruß

    Michael

  • Hallo Michael,


    vielen herzlichen Dank, da werde ich mich durcharbeiten,


    zu klären wäre auf jeden Fall, ob mein Großvater überhaupt Teil des Polizeibataillon 311 war, bzw. wo er vor der Formierung vom II./Pol.Rgt. 6 tätig war,


    beste Grüße,


    Carsten

  • Hallo Carsten,


    der vollständige Name deines Großvaters wäre nicht schlecht, gern auch per privater PN. So könnte ich z.B. mein Archiv nach ihm durchsuchen. Denn zum Komplex OrPo/Jena und dem Polizei-Bataillon 311 liegen mir einige Quellen vor.


    Grüße

    Daniel

  • Hallo Daniel,


    vielen, herzlichen Dank für Deine Nachricht!


    Der Name meines Großvaters ist William Karl Horn, geb. 09.04.1915 in Hannover.


    Das wäre super, wenn Du mir weiterhelfen könntest. Es sind noch einige Archivanfragen offen, zum Beispiel beim Bundesarchiv für Stasi-Unterlagen und neuerdings beim Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abteilung Westfalen und ich habe den Historiker Stefan Klemp aus Dortmund angeschrieben.


    Ich bin, neben entsprechenden Ermittlungsakten, auf der Suche nach Polizeiakten aus Weimar und Jena, in denen der Name meines Großvaters auftaucht, um seinen Weg rekonstruieren zu können. Die namentliche Suche hat mich bisher nicht weiter gebracht, aber wenn ich selbst in Unterlagen lesen könnte, besteht vielleicht die Möglichkeit, seinen Namen zu finden. Ich weiß aus der Familie, dass er wohl Ausbilder und Zugführer war und im Einsatz gegen Partisanen eingesetzt. Außerdem habe ich Fotografien von meinem Vater bekommen, u.a. die ihn vermutlich bei einer Lagebesprechung zeigen. Lade ich bei Gelegenheit gern hoch.


    Ich bin gespannt auf Deine Antwort, vielen Dank schonmal für Deine Bemühungen,


    beste Grüße,


    Carsten

  • Hallo Carsten,


    versuchen wir mal ein paar Lücken in der Vita deines Großvaters zu füllen. Ein wenig kann ich Dir also weiterhelfen, zumindest was die Zeit in Jena und beim Polizei-Bataillon 311 betrifft.


    Dein Großvater Oberwachtmeister d.SchP. William Horn (Heimatdienststelle: Polizeiverwaltung Weimar) kam auf Grund einer Ersatzanforderung des Polizei-Bataillon 311 vom 7. Februar 1942 über den Einsatzzug 311 und der Nachschubstelle (Kommando Lemberg) mit weiteren 18 aktiven Beamten und 13 Reservisten zum Bataillon. Die Inmarschsetzung der Polizisten nach Lemberg erfolgte am 28. Februar 1942.


    Kleiner Exkurs dazu, zur besseren Einordnung:

    Im Winter 1941/42 hatte das Polizei-Bataillon 311 bei Frontkämpfen im Süden Russlands so hohe Verluste erlitten, dass der Befehlshaber des rückwärtigen Heeresgebietes Süd bei der Heeresgruppe B die Rückgabe erbat. Allein bis zum 6. März 1942 waren beim Bataillon zwei Offiziere und 29 Mann gefallen und vier Offiziere und 122 Mann verwundet worden. Die aktuelle Gefechtsstärke betrug bei insgesamt drei Kompanien nur noch sieben Offiziere und 120 Mannschaften. In der Heimat stieß die schnelle und unkomplizierte Ersatzgestellung für das Bataillon aber an ihre Grenzen, worauf ich an dieser Stelle jetzt aber nicht weiter eingehe.

    Die als Ersatz für die im auswärtigen Einsatz befindlichen Polizei-Bataillone, Reserve-Polizei-Bataillone und Polizei-Kompanien bereitgestellten Kräfte waren als „Ersatz Polizei-Bataillon (Res.-Pol.-Batl. bzw. Pol.-Kompanien) ... (Nr. des betr. Pol.-Batl., Res.-Pol.-Batl. bzw. Standort der betr. Pol.-Komp.)“ zu bezeichnen. In Jena existierte somit nur ein Ersatz- oder auch Einsatz-Zug Polizei-Bataillon 311, welcher anfangs irreführend in diversen Dokumenten auch als Ersatz-Polizei-Bataillon 311 bezeichnet wurde.


    Interessanterweise kehrte dein Großvater bereits am 8. Juni 1942 vom auswärtigen Einsatz beim Polizei-Bataillon 311 zurück und wurde der Ersatz-Einheit des Polizei-Bataillons 311 in Jena zugeteilt.


    Zwecks Ausbildung zum Funkdienst wurde William Horn anschließend mit weiteren sechs Polizisten am 7. Juli 1942 vom Reserve-Zug des Polizei-Bataillons 311 zur Funkstelle in Jena abgeordnet.


    Nach dieser Funk-Ausbildung wurde er mit fünf von den sechs zur Nachrichten-Staffel abgeordneten Polizisten wiederum als Ersatz zum Polizei-Bataillon 311 in den Osten abgeordnet. Die Inmarschsetzung zur Ersatzleitstelle Frankfurt/Oder erfolgte am 13. August 1942. Er kehrte somit zurück. Vielleicht bereits ein drittes Mal? Interressant wäre es zu erfahren, bei welcher Einheit er seine Erfrierungen erlitten hatte. Mich würde weiterhin interessieren, wo er nach der Auflösung des II./Polizei-Regiment 6 (ehemals Pol.-Batl. 311) landete. Vielleicht beim III./Polizei-Regiment 26, wo vergleichsweise viele ehemalige Bataillonsangehörige hinkamen. Es bleibt also spannend.


    Vielleicht stelle ich mich pro former nochmal kurz vor vor. Mein Name ist also Daniel P. (Jahrgang 1978) und ich bin hauptberuflich als pädagogische Fachkraft in der Kindertagesbetreuung des öD beschäftigt. Nebenher bin ich seit etwa 20 Jahren als Polizeisammler und –historiker aktiv, mit Schwerpunkt auf die bisher eher weniger bekannte Polizeiformationen im auswärtigen Einsatz 1938 – 1945. Seit 2022 bin ich auch Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für Polizeigeschichte. Das Jenaer Polizei-Bataillon 311 interessiert mich schon seit längerer Zeit. Alles begann mit der damaligen Ausstellung zum Bataillon, welche am 12. Februar 2009 im Stadtmuseum Jena eröffnet wurde, eine lange Geschichte. Eigentlich ist das Forum der Wehrmacht (FdW) mein Stammforum, doch bei interessanten Themen verirre ich mich ab und an auch mal hierher, wie es halt im WWW so ist.


    Kennst du diesen Link schon? Hier habe ich mit Freunden, sonstigen Usern oder Nachfahren versucht einen Arbeitsthread zum Polizei-Bataillon 311 zu erstellen, der bis heute ab und an noch aktiv ist.


    https://www.forum-der-wehrmach…olizeibataillon-311-jena/


    Aktuell geht meinerseits erstmal nix mehr.


    Viele Grüße

    Daniel

  • Hallo Daniel,


    Das ist eine absolut beeindruckende Recherche. Vielen Dank, dass du uns daran teilhaben lässt.

    Ich finde deine "Nebentätigkeit" In Punkto Sammeln und Historie sehr spannend.

    Und natürlich hoffe ich, dass du dich öfters hier in dieses Forum verirrst und wir von deinem Wissen ebenfalls etwas zu lesen bekommen.


    Horrido


    Daniel

    Suche Infos über die Eisenbahnpioniere und die Eisenbahnentseuchungszüge.

  • Hallo Daniel,


    vielen, lieben Dank, das sieht tatsächlich nach einer umfassenden Recherche aus und übertrifft bei weitem meine Erwartungen, meinen Großvater betreffend, nach meinen ersten 3 Monaten Recherche-Bemühungen. Wirklich beeindruckend und auch sehr berührend, auf einmal mehr aus der Biographie meines Großvaters zu erfahren und jetzt zu wissen, dass er zumindest zeitweise Teil des Bataillon 311 war.


    Noch einmal Danke Dir!


    Diese Infos machen Mut, direkt in die Archive zu gehen, heißt wohl als nächstes ins Bundesarchiv für Stasi-Unterlagen. Danke Dir auch für die kurze Vorstellung Deiner Person. Ich bin Sozialwissenschaftler und Fotograf, 1970 geboren und habe erst vor kurzem damit begonnen, mich mit den Geschichten meiner Großväter auseinanderzusetzen. Ich denke, dass ich mit meiner Recherche erst am Anfang stehe und bin gespannt. Von der Ausstellung in Jena hatte ich erst kürzlich erfahren. Auf der Webseite der Geschichtswerkstatt Jena ist zu lesen, dass Frank Döbert, der zum PB 311 geforscht hatte, leider gestorben ist. Ich hatte noch versucht, ihn zu kontaktieren.


    Ich hoffe, wir bleiben im Kontakt, alles Gute Dir,


    Carsten

  • Hallo Daniel, hallo alle,


    als Nachtrag lade ich ein paar Bilder hoch, die ich vor kurzem von meinem Vater bekommen habe. Interessant wäre, wo diese jeweils entstanden sind und mit welchen Personen und Einheiten. Alle Bilder stammen aus Familienbesitz.


    Bild 1: auf der Rückseite steht "meine Schäfchen", meinen Großvater habe ich nicht auf dem Bild gefunden. Es könnte sein, dass er der Ausbilder gewesen ist.

    Bild 2: mein Großvater steht in der Mitte, auf der Rückseite steht die Signatur von "Photo Trapp Weimar". Ist er hier als Zugführer zu sehen?

    Bild 3: mein Großvater steht ganz links im Bild, habe das Bild auf 1943 datiert, weil seine Verwundung (Infanteriegeschoss-Durchschuss linke Hand) vom Frühjahr 1943 oder Winter 1942/43 zu sehen ist.

    Bild 4: mein Großvater steht ganz links im Bild, Bild 3 und 4 zeigen anscheinend eine Einsatzbesprechung und sind auch mit "Photo Trapp Weimar" entstanden.


    Soweit,


    ich hoffe, die Bilder sind interessant für einige von Euch und Ihr könnt mir vielleicht weiterhelfen,


    beste Grüße,


    Carsten




    Quelle: Eigentum


  • Hallo Daniel,


    Dein Bericht hat mich auch sehr interessiert und vor allem das Video hätte ich mir gerne angeschaut!

    Leider ist es bei YouTube nicht mehr verfügbar, so die Meldung bei Aufruf!


    Kannst Du mir da evtl. weiterhelfen, denn auch mich interessiert die Geschichte des Pol.Btl. 311 Jena sehr?


    Gruß

    Horst

  • Hallo WF,


    ich helfe jederzeit gern. Man tut was man kann, soweit es die Freizeit zulässt.


    @ Carsten

    Vielen Dank fürs zeigen der Fotos. Das mit dem Zugführer könnte auf Grund der ersten zwei Aufnahmen durchaus passen. Höchstwahrscheinlich gehörte er als Unterführer zum Stammpersonal. Die beiden letzten Fotos zeigen definitiv keine Einsatzbesprechung, sondern es scheint sich hierbei um eine Spende (Spielsachen) der Polizei an Kinder zu handeln. Es war durchaus üblich, dass Polizisten die Sachen sogar selbst anfertigten. Dein Großvater trägt an der Uniform das Verwundetenabzeichen in schwarz, ein Infanterie-Sturmabzeichen und ist im Range eines Zugwachtmeisters d.SchP. zu sehen.


    Existieren in Familienbesitz eventuell weitere Aufnahmen, die z.B. die Ausbildung in Jena oder den auswärtigen Einsatz in Südrussland dokumentieren?


    Grüße

    Daniel