Hallo Zusammen,
zu dem Thema hier nun ein Fund beim Bundesarchiv (RW 5/ 502).
In der digitalisierten Akte ist mehr zu dem Thema zu finden.
Das Datum, 10,11.38 ist kein Fehler meinerseits.
Gruß Wolfgang
Abschrift
Blitz München 47767 10.11.38 0120
An alle Stapolit- und Stapoststellen. An alle SD O.A. und alle SD U.A.
Dringend sofort vorlegen.
Betr. : Maßnahmen gegen Juden in der heutigen Nacht.
Auf Grund des Attentats gegen den Leg. Sekr. v. R a t h in Paris sind im Laufe der heutigen Nacht 9. auf 10.11.38 im ganzen Reich, Demonstrationen gegen die Juden zu erwarten.
Für die Behandlung dieser Vorgänge ergehen die folgenden Anordnungen:
1) Die Leiter der Staatspolizeistellen oder ihrer Stellvertreter haben sofort nach Eingang dieses Fernschreibens mit der/für ihren Bezirk zuständigen politischen Leitungen – Gauleitung oder Kreisleitung - fernmündlich Verbindung aufzunehmen und eine Besprechung über die Durchführung der Demonstration zu vereinbaren, zu der der zuständige Inspekteur oder Kommandeur der Ordnungspolizei zuzuziehen ist. In dieser Besprechung ist der politischen Leitung mitzuteilen, dass die deutsche Polizei vom Reichsführer SS u. Chef d. Polizei die folgenden Weisungen erhalten hat, denen die Maßnahmen der politischen Leitung zweckmäßig anzupassen wären.
A.) Es dürfen nur solche Maßnahmen getroffen werden, die eine Gefährdung deutschen Lebens oder Eigentums nicht mit sich bringen. (z.B. Synagogenbrände nur, wenn keine Brandgefahr für die Umgebung ist).
B.) Geschäfte und Wohnungen von Juden dürfen nur zerstört, nicht geplündert werden. Die Polizei ist angewiesen, die Durchführung dieser Anordnung zu überwachen und Plünderer festzunehmen.
C.) In Geschäftsstraßen ist besonders darauf zu achten, dass nichtjüdische Geschäfte unbedingt gegen Schäden gesichert werden.
D.) Ausländische Staatsangehörige dürfen – auch wenn sie Juden sind – nicht belästigt werden.
2.) Unter der Voraussetzung, dass die unter 1) angegebenen Richtlinien eingehalten werden, sind die stattfindenden Demonstrationen von der Polizei nicht zu verhindern, sondern nur auf Einhaltung der Richtlinien zu überwachen.
3.) Sofort nach Eingang dieses FS. ist in allen Synagogen und Geschäftsräumen der jüdischen Kulturgemeinden das vorhandene Archivmaterial polizeilich zu beschlagnahmen, damit es nicht im Zuge der Demonstrationen zerstört wird. Es kommt dabei auf das historisch wertvolle Material an, nicht auf neuere Steuerlisten usw. Das Archivmaterial ist an die zuständigen SD Dienststellen abzugeben.
4) Die Leitung der sicherheitspolizeilichen Maßnahmen hinsichtlich der Demonstrationen gegen Juden liegt bei den Staatspolizeistellen, soweit nicht die Inspekteure der Sicherheitspolizei Weisungen erteilen. Zur Durchführung der Sicherheitspolizeilichen Maßnahmen können Beamte der Kriminalpolizei sowie Angehörige des SD der Verfügungstruppe und der Allgemeinen SS zugezogen werden.
5.) Sobald der Ablauf der Ereignisse in dieser Nacht die Verwendung der eingesetzten Beamten hierfür zulässt, sind in allen Bezirken soviele Juden – insbesondere wohlhabende – festzunehmen, als in den vorhandenen Hafträumen untergebracht werden können. Es sind zunächst nur gesunde männliche Juden nicht zu hohen Alters festzunehmen. Nach Durchführung der Festnahme ist unverzüglich mit den zuständigen Konzentrationslägern wegen schnellster Unterbringung der Juden in den Lägern Verbindung aufzunehmen. Es ist besonders darauf zu achten, dass die auf Grund dieser Weisung festgenommenen Juden nicht misshandelt werden.
6.) Der Inhalt dieses Befehls ist an die zuständigen Inspekteure und Kommandeure der Ordnungspolizei und an die SD Oberabschnitte und SD-Unterabschnitte weiterzugeben mit dem Zusatz, dass der Reichsführer und Chef der Deutschen Polizei diese polizeiliche Maßnahme angeordnet hat. Der Chef der Ordnungspolizei hat für die Ordnungspolizei einschl. der Feuerlöschpolizei entsprechende Weisungen erteilt. In der Durchführung der angeordneten Maßnahmen ist engstes Einvernehmen zwischen der Sicherheitspolizei und der Ordnungspolizei zu wahren. Der Empfang dieses Fernschreibens ist von den Stapoleitern oder seinen Vertretern durch FS an die Gestapo zu Händen SS-Standartenführer Müller zu bestätigen.
Gez.: Heydrich
SS-Gruppenführer.
Hier ein weiteres Schreiben zu dem Thema, ebenfalls beim Bundesarchiv RW 5 /502.
A b s c h r i f t.
Berlin Nr. 234 404 9.11.2355
An alle Stapostellen und Stapoleitstellen- A Leiter oder Stellvertreter.
Dieses FS ist sofort und auf dem schnellsten Wege vorzulegen.
1.) Es werden in kürzester Frist in ganz Deutschland Aktionen gegen Juden insbesondere gegen
Deren Synagogen stattfinden. Sie sind nicht zu stören. Jedoch ist im Benehmen mit der
Ordnungspolizei sicherzustellen, dass Plünderungen und sonstige besondere Ausschreitungen
Unterbunden werden können.
2.) Sofern sich in Synagogen wichtiges Archivmaterial befindet, ist dieses durch eine sofortige
Massnahme sicherzustellen.
3.) Es ist vorzubereiten die Festnahme von etwa 2o – 3o ooo Juden im Reiche. Es sind auszuwählen
Vor allem vermögende Juden. Nähere Anordnungen ergehen noch im Laufe dieser Nacht .
4.) Sollten bei den kommenden Aktionen Juden im Besitze von Waffen angetroffen werden, so sind
die schärfsten Massnahmen durchzuführen. Zu den Gesamtaktionen können herangezogen
sowie Verfügungstruppen der SS sowie Allgemeine SS. Durch entsprechende Massnahmen ist die
Führung der Aktionen durch die Stapo auf jeden Fall sicherzustellen. Plünderungen, Diebstähle
usw. sind auf jeden Fall zu vermeiden. Für die Sicherstellung von Materialien ist sofort mit der
zuständigen SD.-Ober- und Unterabschnittsführung Verbindung aufzunehmen.
Zusatz für die Stapo Köln:
In der Synagoge Köln befindet sich besonderes wichtiges Material. Dies ist durch schnellste
Massnahme im Benehmen mit der SD sofort sicherzustellen.
Gestapo II Müller
Dieses FS ist geheim.
Ein weiteres Schreiben das etwas merkwürdig erscheint ist Folgendes. Wirkung hatte es jedenfalls nicht.
Folgende Befehle des Chefs der Sicherheitspolizei sind dringend auszuführen.
Betr.: Massnahme gegen Juden in der heutigen Nacht.
1.) Nach letzten Befehlen sind im Benehmen mit den „Politischen Leitern“ jegliche Brandlegungen zu Verhindern.
2.) Alle in dieser Angelegenheit ergangenen und noch ergehenden Befehle sind mit geheim zu Kennzeichnen.
Durchgegeben Krim. Ob.-Assdistent Bolinski, Stapo