Verhalten gegenüber betrunkenen Soldaten

  • Guten Abend zusammen,



    Hier eine Verordnung aus dem V.Bl. vom 24.10.1936, wie man sich gegenüber Soldaten zu verhalten hat, die zu tief ins Glas geschaut haben. Äußerst rücksichtsvoll, wie ich finde. Stellt sich mir die Frage: „was kam nachdem die Soldaten wieder nüchtern waren?“ Aber lest selbst.


    Abschrift und Bearbeitung

    Quelle: germandocsinrussia


    10. Verhalten gegenüber betrunkenen Soldaten


    Das Ansehen des Heeres in der Öffentlichkeit darf durch betrunkene Soldaten nicht geschädigt, die Kameradschaft im Kameradenkreise nicht gestört werden. Möglichst darf es zu Widersetzlichkeiten betrunkener Soldaten gegenüber Vorgesetzten nicht kommen.


    1. Jeder Vorgesetzte und Kamerad eines betrunkenen Soldaten hat die selbstverständliche Pflicht, dafür zu sorgen, dass der Betrunkene unauffällig aus der Öffentlichkeit, tunlichst auch aus dem Kameradenkreise entfernt und nach Hause gebracht wird.


    2. In der Behandlung betrunkener Untergebener ist größte Vorsicht geboten, um sie nicht zu Widersetzlichkeiten zu reizen und der Gefahr schwerer Bestrafung auszusetzen. Hierbei sind besonders folgende Richtlinien zu beachten:


    — a) Der Vorgesetzte hat es zu vermeiden, auf den Betrunkenen unmittelbar einzuwirken. Durch geeignete Anordnungen sind Kameraden des Betrunkenen zu veranlassen, dies in kameradschaftlicher Weise zu tun.


    — b) Ist ein unmittelbares persönliches Einwirken nicht zu umgehen, so hat der Vorgesetzte dem Betrunkenen gegenüber besonders ruhig und sachlich aufzutreten. Dienstliche Befehle an den Betrunkenen, vor allem Gewaltanwendungen ihm gegenüber sind zu vermeiden, da er dadurch erfahrungsgemäß gereizt wird.


    — c) Dem Vorgesetzten gleich steht der im Wachdienst befindliche Soldat. Während des Verhandelns mit dem Betrunkenen ist es angebracht, Wachangehörige Stahlhelm und Patronentaschen ablegen zu lassen, um sie solange der Eigenschaft als Vorgesetzte zu entkleiden.


    Der Erlass ist zum Gegenstand des Unterrichts zu machen und von Zeit zu Zeit in Erinnerung zu bringen.



    Gruß Marga

  • Hallo Marga, hallo zusammen,


    ein sehr interessanter Beitrag.


    Äußerst rücksichtsvoll, wie ich finde. Stellt sich mir die Frage: „was kam nachdem die Soldaten wieder nüchtern waren?“

    In der Tat sehr praxisbezogene und sehr moderne Ausführungsbestimmungen zum Umgang mit betrunkenen Soldaten.


    Was danach kam, lag wohl in erster Linie daran, was der Betrunkene alles angestellt hat, während er "außer Kontrolle" war.


    Viele Grüße

    Nicco

  • Hallo Nicco,


    danke für die Reaktion. Da magst du wohl Recht haben. Mich wundert, dass man die Betrunkenen zunächst so human behandelt hat. Aber der hinterliegende Grund war ja die Angst den guten Ruf des Heeres zu verlieren. Das erklärt ja so einiges.


    Gruß Marga

  • Hallo,


    auch ich finde, dass diese Anweisung sehr zurückhaltend und gleichsam einfühlsam wirkt.

    Vielleicht ist aber der Hintergrund für diese Handlungsanweisungen sehr viel praxisorientierter, als man glaubt.


    Betrunkene sind in der Regel ab einem gewissen Stadium nicht mehr sehr orientiert und fühlen sich besonders "stark" und "überlegen". Dabei sind sie meist nicht mehr in der Lage, die Realitäten richtig einzuschätzen. Auf vermeintliche Befehle, Anweisungen etc. von Vorgesetzten reagieren sie dann oft sehr aggressiv und überschreiten leicht gegebene Grenzen des Vorgesetztenverhältnisses. Es entstehen dann oft Disziplinverstöße, die man im Normalfall entschärfen könnte, bis hin zu Straftaten. Um das zu vermeiden, und den betrunkenen Soldaten gleichsam zu schützen, soll man möglichst versuchen, ihn über Kameraden etc. anzusprechen!


    Auch in der Bundeswehr gibt/gab es ähnliche Anweisungen, die jeder Vorgesetzte lernen musste.


    Vielleicht wollte man aber auch einfach nur vermeiden, dass Verstöße von betrunkenen Soldaten anschließend streng zu ahnden waren. Das hätte viel Bürokratie und Ärger zur Folge gehabt!


    Gruß

    Horst