23. Infanterie-Division - 1945

  • Die 3. Neuaufstellung in Ostpreußen, die Abwehrkämpfe in Westpreußen und die Endkämpfe in der Weichselniederung bis zur Kapitulation. Das Ende des Grenadier-Regiments 67 (24.11.1944 - 09.05.1945)


    3. Neuaufstellung in Ostpreußen:

    Die völlig abgekämpfte und ausgeblutete 23. Infanterie-Division (General Hans Hugo Schirmer), die zuletzt - bis 23.11.1944 - auf der Halbinsel Sworbe eingesetzt war, verblieb noch einige Tage im rückwärtigen Gebiet von Kurland und trat dann im Schiffstransport - von Windau kommend - in Gotenhafen ein, von wo sie auf dem Schienenweg zum Truppenübungsplatz Thorn transportiert wurde. Mitte Dezember 1944 kam sie nach Ostpreußen in den Raum Rhein - Lötzen - Johannisburg, wo sofort mit der Kaderaufstellung begonnen wurde.


    Der Rest des I./67 bezog Unterkünfte nördlich des Spirding-Sees zwischen Nikolaiken und Lötzen und bildete den Stamm für das Grenadier-Regiment 9. Stab Grenadier-Regiment 67 mit den Resten II./67 waren untergebracht im Raum südlich Lötzen, während für das Füsilier-Regiment 68 ein vollständig neues Bataillon aus Döberitz anrollte, das nach Rastenburg kam. Die übriggebliebenen Teile des III./68 wurden auf die neuen Kompanien verteilt. Die neu aufgestellten Regimenter rekrutierten sich aus alten Kämpen, Genesenden und Ersatzmännern.


    Anfangs war wohl aus den Resten der 23. Infanterie-Division die Aufstellung der Volks-Grenadier-Division (VGD) "Friedrich der Große" vorgesehen, aber nicht verwirklicht worden. Stattdessen bezeichnete man die neuaufgestellte 23. Infanterie-Division aufgrund ihrer neuen waffenmäßigen Zusammensetzung - 380 Sturmgewehre 44 pro Bataillon - eine Infanterie-Division 1945.


    Man begann mit der planmäßigen Gefechtsausbildung, vor allem im Nahkampf und Stoßtrupp. Dabei richtete man sich streng nach den im Ostkampf gemachten Erfahrungen. Diese Ausbildung sollte bis Mitte Februar 1945 dauern, aber es kam anders, wie wir später sehen werden.


    Trotz bestehender Urlaubssperre konnten fast alle Soldaten in zwei Schüben entweder Weihnachten oder Neujahr in Urlaub fahren, da den Sworbekämpfern 10 Tage Sonderurlaub bewilligt [worden waren.]


    Am 05.01.1945 war die Neuaufstellung abgeschlossen. Die 23. Infanterie-Division wurde zunächst Heeresgruppenreserve (Heeresgruppe Nord). Bei einem Besuch des Oberbefehlshabers, Generalobersten Rheinhardt, auf dem Divisions-Gefechtsstand in Rhein/Ostpreußen ergab ein Blick in die Feindlagenkarte, dass die 23. Infanterie-Division die einzige Reserve der Heeresgruppe Nord war.


    Lagebericht:

    Die sowjetische Winteroffensive an der gesamten Ostfront war seit Monaten vom sowjetischen Oberkommando intensiv vorbereitet worden. Die im Dezember 1944 von General Gehlen (Abteilung Fremde Heere Ost des General-Stabes) in allen Details erkannten und gemeldeten sowjetischen Truppenaufmärsche, insbesondere an schweren Waffen und Panzern wurden von Hitler dem Generalobersten Guderian (Chef des General-Stabes) gegenüber als Bluff bezeichnet. Den 75 deutschen Divisionen standen auf 900 km Frontbreite Sowjettruppen mit einer zehnfachen Übermacht gegenüber.


    Die sowjetischen Angriffe erfolgten nach Artillerietrommelfeuer in zeitlicher Anordnung; am 12.01.1945 in Südpolen aus dem Baranow-Brückenkopf, am 13.01. in der Mitte südlich Warschau aus dem Magnuszew-Brückenkopf und zur selben Zeit im Norden gegen Ostpreußen.


    Quelle: Chronik 23 ID/GR 67


    Fortsetzung folgt…


    Gruß

    Michael

  • Nachtrag:


    Der sowjetisch-russische Großangriff auf Westpreußen


    Am 14.01.1945 folgte die 2. weißrussische Front (Marschall Rokossowski) aus den Narew-Brückenköpfen Rozan und Serok beiderseits Pultusk. 6 Sowjetarmeen - von links 70. Armee (General Popow), 65. Armee (General Batow), 2. Stoß-Armee (General Romanowski), 48. Armee (General Romanenko), 3. Armee (General Gorbatow), 50. Armee (General Boldin), verstärkt durch die 5. Garde-Panzer-Armee (General Rotmistrow) waren zum Angriff auf Westpreußen angetreten. Insgesamt 54 Schützen-Divisionen und 5 Panzer-Korps warfen die Sowjets gegen die Verbände der 2. Armee (General Weiß). Durch ihr gewaltiges Artilleriefeuer wurde die Masse der hier kämpfenden deutschen Divisionen zerschlagen und von den vordringenden Panzern zurückgedrängt.


    Die arktische Hochwetterlage - anhaltend starker Frost - war für die Sowjets und ihren weit vorn eingesetzten Panzerkräften wie geschaffen. Verbissen und tapfer schlugen sich die 5. Jäger-Division (General Sixt) und die 7. Panzer-Div. (General Mauss), jedoch die Verluste waren so groß, dass die meisten Divisionen zerbröckelten und zu kleinen Kampfgruppen zusammenschmolzen.


    Mit einer erdrückenden Übermacht stieß der Gegner unaufhaltsam nach Westen und Nordwesten vor, und das Vordringen war nicht aufzuhalten. Versuche, Widerstandslinien aufzubauen, scheiterten an den vorprellenden Panzer-Rudeln. Der Feind erzielte enorme Geländegewinne und warf die beiden Korps, das XXVII. (General Felzmann) und das XXIII. (General Melzer) nach Westen zurück. Eine Stellung nach der anderen hatten die roten Panzer-Kolonnen durchbrochen, da man sie nur hauchdünn besetzen konnte. Die Reserven waren aufgebraucht. Die 2. Armee wich auf die Drewenz-Stellung aus.


    Der Einsatz der 23. Infanterie-Division in Westpreußen

    Die 23. Infanterie-Division (General Schirmer) wurde am 13.01.1945 abends alarmiert und auf Eisenbahn und Schwerst-Isolier-Lkw verladen. Die Führungsabteilung der Division fuhr noch in der Nacht von Rhein (Ostpreußen) nach Strasburg (Westpreußen), um sich bei der 2. Armee (General Weiß) zu melden. Die Division, welche einen Verteidigungsabschnitt in der Drewenz-Stellung besetzen sollte, wurde auf diesen Transporten völlig auseinandergerissen, da die angreifenden Sowjettruppen der 3. weißrussischen Front (General Tschernjakowsky) die Strecke bereits unterbrochen hatten. So musste das Grenadier-Regiment 9 (Oberstleutnant Trittel) in Ostpreußen bleiben, wurde der 24. Panzer-Division unterstellt und kehrte nie mehr zur Division zurück, Teile des Artillerie-Regiments 23 (Oberst Remer) wurden auf den Eisenbahnzügen gefangengenommen. Andere Teile wurden auf dem motorisierten Marsch in Gefechte verwickelt und anderweitig unterstellt. Eine katastrophale Situation.


    Quelle: Chronik 23 ID/GR 67


    Fortsetzung folgt…


    Gruß

    Michael

  • Nachtrag:


    Der Einsatz des Grenadier-Regiments 67 in Westpreußen


    Das Grenadier-Regiment 67 (Regiment Stab und II./67) wurde nach Alarmierung am 13.01.1945 aus dem Raum Lötzen in 2 Nachtmärschen zum Truppenübungsplatz Arys (Masuren) geführt, dort am 15.01. verladen und auf dem Schienenweg über Allenstein - Mohrungen - Saalfeld nach Riesenburg (Westpreußen) transportiert. Unterwegs wurde auf diesem Transport Kanonendonner aus südlicher Richtung sehr deutlich wahrgenommen, und alle machten sich sorgenvolle Gedanken. In Riesenburg wurde das Regiment 67 (Major Berkholz) ausgeladen und eine mehrständige Rast eingelegt.


    Unterdessen war von einer höheren Kommando-Stelle der Einsatzbefehl für das Regiment eingetroffen. Nach einer Offiziersbesprechung wurde das Grenadier-Regiment 67 am 17.01. im Aufklärungsmarsch mit Marschsicherung - 7. Kompanie (Oberleutnant W. Hermann) als Spitzenkompanie über Freystadt in Richtung Deutsch-Eylau in Bewegung gesetzt.


    Völlige Unklarheit herrschte über die Feindlage bis unterwegs eine Information durch einen Panzer-Späh-Wagen der 7. Panzer-Division eintraf, wonach Deutsch-Eylau noch von Teilen dieser Panzer-Division gehalten würde. Bei Einbruch der Dunkelheit wurde in Groß Herzogswalde Halt gemacht und von der 7./67 beiderseits der Straße Feldposten herausgestellt unter Ansatz einer Rundumsicherung. Zur gleichen Zeit wurden Spähtrupps zur Erkundung der Feindlage in Richtung Deutsch-Eylau und Bischofswerder losgeschickt.


    Von den übrigen Kompanien lagen die 5./67 etwas weiter rückwärts, die 8. (MG.) Kompanie von Hauptmann Karp an der Straßengabel nach Goldau, und die 6./67 als Bataillons-Reserve beim Bataillons-Gefechtstand II./67 hart ostwärts Heinrichau. Der Regiments-Gefechtsstand 67 hatte sich indes auf Gut Neudeck eingerichtet. Während der frostigen Nacht (-10 Grad)) wurde beobachtet, wie 3 Sowjetpanzer (T 34) mit aufgesetzter Infanterie und hoher Geschwindigkeit nach Freystadt fuhren und 2 Häuser an der Straße in Brand schossen. Auf dem Rückweg bemerkten die roten Panzer-Soldaten, dass wir - die Fritzen, so nannten uns die Iwans - den Ort Groß Herzogswalde besetzt hielten. Sie umfuhren daher die Ortschaft im Süden and kehrten ostwärts des Ortes wieder auf die Straße nach Deutsch-Eylau zurück.


    Zurückkehrende Spähtrupps hatten unterdessen gemeldet, dass sowohl Deutsch-Eylau als auch Bischofswerder von motorisierten russischen Kräften besetzt waren. Inzwischen hatte sich Hauptmann Lindemann (Kommandeur II./67) mit der Bataillons-Reserve (6./67) nach Nordwesten abgesetzt. Hauptmann Karp, Kompanie-Chef 8./67, dessen Kompanie (2 Infanterie-Geschütz- Züge - 4 Geschütze 7,5 cm, 1 mittlerer Granat-Werfer-Zug - 4 Werfer 8 cm, 1 Pak-Zg. - 2 russische Beutegeschütze 4,7 cm und 4 schwere MG-Gruppen = 8 schwere MG) als einzige schwere Kompanie bis zum Schluss im ganzen Regimentsabschnitt eingesetzt war, übernahm das II./67, das noch in derselben Nacht (17./18.01.1945) ohne Anlehnung nach rechts und nach links über Goldau nach Rosenberg den mühsam winterlichen Rückmarsch antrat. Hierbei stellte die 7. Kompanie jetzt die Nachhut. Mehrere Feindpanzer hatten indes Gut Neudeck (Besitz Hindenburgs) besetzt und restlos zerstört. Es mangelte auf unserer Seite an Panzern und Artillerie.


    Fortsetzung folgt…


    Quelle: Chronik 23 ID/GR 67


    Fortsetzung folgt…


    Gruß

    Michael

  • Nachtrag:


    In Rosenberg wurde das II./67 (Hauptmann Karp) auf LKW verladen und zum Verkehrsknotenpunkt Riesenburg gebracht, in den von verschiedenen Seiten in Auflösung begriffene Kolonnen, ein graues Gewoge, einströmten. Kurz vor Riesenburg hatte sich Hauptmann Lindemann mit der Bataillons-Reserve (6./67) wieder eingefunden, die vorsichtig aus einem Waldstück gekommen waren. Das Regiment 67 war also wieder am Ausgangspunkt angelangt. Die Funker nannten so etwas: "Kreisverkehr!"


    Das II. Bataillon hatte bereits am 18.01.1945 nach sorgfältiger Planung seine Kompanien am Süd- und Ostrand der Stadt in ihre Verteidigungsabschnitte eingewiesen, als am nächsten Mittag (19.01.) der Ostteil von Riesenburg, wo die 5. und 6. Kompanie eingesetzt waren, von schwächeren motorisierten Kräften erfolglos angegriffen wurde, während im Süden der Stadt, wo die 7. Kompanie lag, vorläufig noch Ruhe herrschte.


    In Riesenburg, stand ein Tigerpanzer mit nur wenigen Schuss Munition und ohne Sprit. Er sollte wohl mehr der Truppe einen moralischen Auftrieb geben. Riesenburg wurde noch bis in die späten Abendstunden des 21.01.1945 gehalten und dann wegen drohender Gefahr einer Einschließung von Nordosten aufgegeben. Kämpfen bei Tage und Lösen vom Gegner in der Nacht lautete die Parole. Am 22.01. erfolgte weiteres Zurückkämpfen nach Norden bis Niklaskirchen. Von dort trat man den weiteren Rückmarsch in Richtung Mewe an. Der motorisierte Feind blieb dem Regiment hart auf den Fersen, stieß sehr oft seitlich vorbei mit der Gefahr einer Überflügelung. Schließlich erreichte es die Weichsel südlich Mewe bei Kleinfelde und überschritt den zugefrorenen Strom in der Nacht zum 23.01.1945.


    Nit dem Regiment zogen zahlreiche Flüchtlingstrecks, die alle Straßen verstopften. Ohne zu klagen und zu wimmern schleppten sie sich westwärts, schenkten den russischen Tieffliegerangriffen wenig Beachtung und gaben sich gelassen. Es würde zu weit führen, an dieser Stelle auf das grenzenlose Elend und unsagbare Leid unter den Vertriebenen und Flüchtlingen näher einzugehen. Was sich in diesen Tagen und Wochen hier abspielte, war eine Menschentragödie von entsetzlichem Ausmaß.


    Diese Rückzugskämpfe mit einer dauernden Ungewissheit und den sich häufig wechselnden Lagen forderten das Äußerste von der hart ringenden Truppe.


    Quelle: Chronik 23 ID/GR 67


    Ende!


    Gruß

    Michael