Einmotorenflug bei deutschen Luftfahrzeugbaumustern

  • Hallo zusammen..
    ich stosse in der Literatur immer wieder auf Probleme beim Einmotorenflug von zweimotoren deutschen Flugzeugen. BF110, HE111, JU88.
    Die viermotorige B17 schaffte es bei Ausfall von 3 Triebwerken zurück zur Basis. Unsere mussten Geschwindigkeit gegen Höhe tauschen. Waren die echt so untermotorisiert?


    Gruß Schwob aus dem Schwabenland

  • Hallo Schwob!


    willkommen in diesem Forum!


    Ich habe deine Frage, dein Einverständnis vorausgesetzt, an einen Hobbypiloten weitergegeben und er hat mir folgendes dazu geschrieben:


    der Text wird etwas länger ;)


    „Die B17 war bekannt für ihre Widerstandsfähigkeit, in der Tat sind da halbzerstörte Flugzeuge einmotorig noch bis England zurückgekrochen.


    Im Prinzip geht es um 3 Faktoren:
    Motorleistung
    Seitenruderwirksamkeit
    Gewicht.


    Fällt bei mehrmotorigen Flugzeugen auf einer Seite ein Triebwerk aus, wird durch den assymetrischen Schub auf einer, und dem Widerstand des „geschleppten“, defekten Triebwerks auf der anderen Seite eine Drehbewegung um die Hochachse eingeleitet.
    Dies ist durch Seitenruder zu kompensieren, dann ist das defekte Triebwerk stillzulegen und der Propeller zu „feathern“, in Segelstellung zu bringen, wg. geringerem Widerstand.
    Abhängig von Flughöhe und Gewicht kann bereits jetzt nicht mehr die Höhe gehalten werden.
    Außerdem darf eine bestimmte Fluggeschwindigkeit („blue line speed“, Anzeige auf dem Fahrtmessser) nicht unterschritten werden, weil sonst das Seitenruder in der Wirkung nicht mehr ausreicht, und sich die Maschine auf den Rücken dreht. Das wurde oftmals bei der Landung ein Problem.
    Ebenfalls ist wichtig zu wissen, welches das einzige noch laufende Triebwerk einer B17 war: Waren es die äußeren (Nummer 1 oder4) hatte der Pilot mehr Porbleme als mit einen noch laufenden inneren Treibwerk (Nummer 3 oder4).
    Weiter geht‘s:
    Fielen beim Bomber die Triebwerke aus, wurde zuerst die Bombenlast notabgeworfen, das Flugzeug daraufhin erheblich leichter, was sicherlich half.
    Bei den z.B. als Nachtjäger eingesetzten Typen (Bf 110, Ju88) mit den schweren, aerodynamisch ungüstigen Antennenanlage in der Rumpfnase ging das nicht.


    Die deutschen Bomber (He111, Ju88) hatten weniger Bombenzuladung als die Amerikaner, das Verhältnis von Flugzeuggewicht zu Payload dürfte ungünstiger gewesen sein. Außerdem flogn m.W. die deutschen eher keine Höhenangriffe wie die Amerikaner (USAAF generell Tagangriffe aus 30000+ Fuß, also 10+ km Höhe, die deutschen eher im Bereich um 10000 - 20000 Fuß - nur so aus Gedächtnis und Allgemeinwissen, ohne das jetzt recherchiert zu haben)
    Fix ein paar Daten oberflächlich zusammengesucht (alle Werte ca.):
    He111: 2*1400PS, Gewicht 14 Tonnen, Bombenlast 2,5 Tonnen
    Ju88: 2*1400PS, Gewicht 14 Tonnen, Bombenlast 2 Tonnen
    B17: 4*1300PS, Gewicht 25-30 Tonnen, Bombenlast 5 Tonnen
    B24: 4*1300PS, Gewicht 30 Tonnen, Bombenlast 4 Tonnen
    Handley Page Halifax: 4*1700PS, Gewicht 30 Tonnen, Bombenlast 5+Tonnen
    B25 Mitchel (amerikanischer Zweimotbomber): 2*1700PS, Gewicht 16 Tonnen, Bombenlast 1,5 Tonnen.
    Die Alliierten tauschten auch oft Bombenlast gegen Reichweite (=Treibstoff), also weniger Bomben für längere Strecken.


    Obwohl man auch damals schon viel berechnen konnte, spielten viele Faktoren für den Erfolg eines Flugzeugtyps eine Rolle:
    unerkannte Designvorteile (B17 war deutlich robuster als die B24 z.B.),
    Ausbildungsstand der Besatzungen (die USAAF hatte weniger „Asse“, sie zog die guten Besatzungen aus dem aktiven Dienst ab zur Ausbildung, während die Luftwaffe ihre „Asse“ verheizte, und keinen guten Nachwuchs mehr heranbekam),
    Treibstoffnachschub (wichtig für Ausbildung und Schulung, die Deutschen hatten gegen Ende kaum mehr Sprit), etc.“


    Ich hoffe das genügt als Antwort?


    falls nicht, melde dich bitte :)


    gruß
    Antje

    Ich suche Informationen über das:
    Kriegslazarett in Bromberg Zeitraum Januar - Ende Februar 1942 und das
    Kriegslazarett Königsberg Januar 1943. :whistling:

  • Danke für die Ausführliche Antwort. Was mich jetzt wundert. Die B17 schaffte den Heimflug mit 1 X 1300 PS. Die Ju 88 (als Bomber eingesetzt ohne Hirschgeweih) mit 1 X 1400 PS nicht. Lag dann wohl an der Aerodynamik.


    Gruß Schwob

  • Hallo Antje,


    Vielen Dank für die ausführliche Erklärung von deinem Bekannten, super.
    Also ich als Laie würde das jetzt auch mal mit der Aerodynamik in Verbindung bringen. Da ja das Verhältnis Leistung - Gewicht gegenüber der B17 besser war.


    Gruß Ulf

    --------------------------------------------------------------
    Ich suche Bildmaterial, Dokumente und sonstige Informationen über ausländische Orden und Ehrenzeichen die an Deutsche verliehen wurden. Zum Zweck der Aufarbeitung und der Dokumentation.
    Vielen Dank

  • Hallöchen!


    Die Flugzeugbauer unterlagen wie die gesamte Rüstungsindustrie dem Versailler Vertrag und sind nicht wie viele andere ins benachbarte Ausland gegangen um dort weiter zu forschen.


    An den Flugzeugmotoren wurde also nicht weiter geforscht und als das Dritte Reich den Vertrag aushebelte, war alles andere wichtiger als die Motoren.


    Gruß
    Antje


    P.S. Ich habe noch mal meinen Hobbypiloten deine Antwort vorgelegt schwob.


    Folgendes kam zurück:
    „Vergleiche mal Seitenleitwerksfläche der B17 (ziemlich groß) gegen Ju88 (eher mickrig)„


    Quelle: Wikipedia

  • Hallo Antje,


    Das ist richtig mit dem Seitenleitwerk. Da kommt mir der Begriff Scheunentor wieder in den Sinn, so haben die deutschen Piloten die Seitenleitwerke genannt weil sie so groß waren.
    Und ja logisch je größer diese leitweke waren um so "leichter" konnte gegen gesteuert werden. :thumbup:


    Gruß Ulf

    --------------------------------------------------------------
    Ich suche Bildmaterial, Dokumente und sonstige Informationen über ausländische Orden und Ehrenzeichen die an Deutsche verliehen wurden. Zum Zweck der Aufarbeitung und der Dokumentation.
    Vielen Dank

  • Hallo Schwob,

    ich stosse in der Literatur immer wieder auf Probleme beim Einmotorenflug von zweimotoren deutschen Flugzeugen. BF110, HE111, JU88.

    könntest du uns zu dieser Aussage mal ein passendes Beispiel benennen? Ich habe mir gestern zu diesem Thema mal einige Unterlagen angeschaut aber ich habe nicht den Eindruck gewonnen, dass es sich hier um ein generell bestehendes Problem gehandelt hat.


    Gruß
    Michael

  • Hallo Michael.
    Ich lese gerade > Sand und Feuer Martin Dreves < Seite 83. Aber auch bei anderen Darstellung immer wieder das Thema. Probleme bei Einmotorenflug. Ich suche noch Beispiele raus.


    Gruß Schwob

  • Hallo Schwob,


    also du schreibst ja wirklich kein Wort zu viel. Ich habe mir zu deiner Frage mal ein Buch angeschaut mit dem Namen: Die Geheimkonferenzen des General-Luftzeugmeisters 1942-1944.


    In diesem Buch werden alle möglichen Probleme in der Luftrüstung angesprochen, teilweise sogar bis zu einem kleinen Bauteil an einem Flugzeugmotor usw. In dem ganzen Buch finde ich aber nicht einen Hinweis auf das von dir genannte Problem. Ich vertrete daher im Moment die Meinung, dass man diese Aussage nicht pauschal treffen kann und es sich hier nur um Einzelfälle gehandelt haben muß.


    Ich werde jetzt aber im nächsten Schritt mal entsprechende Literatur zu einzelnen Flugzeugmustern sichten und mich wieder melden.


    Gruß
    Michael


    PS:

    Hallo Michale

    Das geht auch besser oder?

  • Hallo Michael. Ja ich bin schon etwas schreibfaul. Auf Grund meiner langjährigen Leserei in unterschiedlichen Heftchen und Büchern zu Fliegerei, angefangen von Landserheftchen bis zur Fachliteratur und einschlägigen Biografien bin ich immer wieder auf den Einmotorenflug gestossen. Darum habe ich diese Diskussion hier angestossen.
    Ob Ju 88 oder HE111 FW189 in den unterschiedlichen Ausführungen. Da lese ich immer von Kraftstoffablass. abwerfen von ETC, Bordbewaffnung Munition. Das alles nur um die Höhe zu halten. Durchstarten ging hier sowieso nicht.Die Bücker zur Luftrüstung kenne ich.


    Gruß Schwob

  • Hallo Schwob,


    zur JU-88 gibt es bei Wikipedia schon mal einen guten und nachvollziehbaren Hinweis:


    Schwierigkeiten


    Trotz der kräftigen, für die Beförderung großer Bomben- und Außenlasten ausgelegten Motoren waren beim Ausfall eines Triebwerks die Flugeigenschaften problematisch: ein Weiterflug mit einem Motor war nur bei einem Gewicht von weniger als 10.500 kg möglich.


    weiterlesen unter:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Junkers_Ju_88#Schwierigkeiten


    Gruß
    Michael

  • Hallo Schwob,


    nachdem ich mir jetzt ein relativ umfangreiches Bild zu diesem Thema gemacht habe bin ich der Meinung, dass man das hier wohl nicht einwandfrei aufarbeiten kann. Wir sprechen hier alleine von einer ganzen Evolution im dt. Flugzeugbau, die alleine bei einem Flugzeugmuster schon ständigen Veränderungen unterzogen wurde.


    Meiner Meinung nach, könnte man zu diesem Thema schon alleine eine Wissenschaftliche Ausarbeitung machen, die sich aber wahrscheinlich in der Entwicklung über Jahre hinziehen würde. Um dazu ein klares Bild erhalten zu können, müsste man bestimmt schon alleine die ganzen betr. Junkers-Monatsberichte sichten und auswerten.


    Bei meinen Nachforschungen ist mir auch aufgefallen, dass es ein sehr großes Problem mit dem dt. Motorenbau für Flugzeuge aller Art gegeben haben muß. Alleine die Chronik über das Kampfgeschwader 100 ist voll davon.


    Ich würde dir daher mal empfehlen mit dieser Frage nicht über ein Forum zu gehen, sondern hier eine entsprechende Anfrage zu stellen:


    http://www.luftfahrtmuseum-hannover.de/index.php/de/


    Gruß
    Michael


    PS:

    Danke Michael schon gelesen. Gruß Schwob

    dieser Hinweis wäre auch für mich im Vorwege hilfreich gewesen.