7. Teil
Nach amtlichen Unterlagen, die in der Zeitung „Moskowski Komsomolez“ veröffentlicht wurden, lebten allein im Jahre 1952 zwölf Millionen Menschen in Stalins Arbeitslagern. Die sowjetische Nachrichtenagentur Tass verbreitete am 5. Mai 1950 die Meldung, das in der Sowjetunion 9 117 verurteilte Kriegsverbrecher, 3815 Beschuldigte und 14 Kranke zurückgehalten würden, aber keine Kriegsgefangenen mehr. Der Moskauer Historiker Lew Besymenski hat dagegen später die Verurteilten mit 28000 beziffert. Robert Sand war einer davon.
Am 5. März 1953 um 9.30°°Uhr starb Stalin, und ein großes Aufatmen ging durch den gesamten Archipel Gulag. Vergessen wir es nicht! Die Lage der deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion war eine der größten Menschheitstragödien des letzten Weltkrieges. Für die grobe und vorsätzliche Missachtung der Menschenrechte war Stalin hauptverantwortlich. Das Massensterben in den sowjetischen Kriegsgefangenen Lagern hielt über Jahre nach Kriegsende an und hielt grausame Ernte unter den deutschen Kriegsgefangenen. Die offiziellen Zahlen beweisen es bereits, die tatsächlichen Todesziffern sind noch weit höher.
Vergessen wir auch nicht, das die westlichen Siegermächten ihrem Bündnispartner Stalin stets helfend unter die Arme gegriffen haben, und sie haben damit eine echte Befreiung der Völker Russlands und eine frühere „Perestroika“ verhindert. Die Westmächte USA, England und Frankreich sind von der Geschichte und den Völkern des Ostens in größerem Umfang schuldig geworden. Das ist das Urteil der Geschichte an der europäischen Staatengemeinschaft.
Robert Sand hat es miterlebt, wie der Tod Stalins und die spätere Liquidierung seines Oberhenkers Berija im Sommer 1953 in tragischer Weise den Zerfall der Sonderlager beschleunigte. In den schrecklichen Jahren 1949 bis 1954 war Robert Sand in Höllenlager Dscheskasgan und arbeitete dort auf verschiedenen Baustellen und Anlagen. Zunächst war er mit seinen Kameraden am Bau einer Elektrostation eingesetzt, dann arbeitete er am Aufbau eines Kupferbergwerks. Die Gegend um das Lager war trostlos. In der Steppe gab es nur Hirtenpfade der nomadisierten Kasachen, die mit kleinen Herden umherzogen. Es gab keine Bäche oder Brunnen, nur Regenabhängige Tümpel, Laufend Ab – und Zugänge sowie Verlegungen im Lager und Versetzungen in die Kommandos machten die Belegstärke, die aus vielen Nationalitäten bestand, kaum überschaubar. Die Arbeit auf der Elektrostation bestand fast ausschließlich im Umschaufeln und Transportieren von Kohle und Schlacke. Im Kupferbergwerk wurde ohne Schutzmaske gebohrt, der Gesteinstaub führte in kurzer Zeit zur Silikose und Tuberkulose. Die auftretenden Silikatnebel – Kupferdämpfe wirkten nach wenigen Monaten tödlich. Robert Sand hatte Glück, das er nicht auf Dauer in dieser Todeszone arbeiten musste, sondern mehr beim Abladen und Transportieren von Kupfererz, - aber auch das war eine ungeheuere Knochenarbeit. Wenn man mehrere Jahre in einem solchen Lager mit strengstem Regime einsitzt, dann durchläuft man in der Regel viele Kommandos. So war Robert Sand auch einmal bei der Ziegelbrigade gelandet. Hier wurden Ziegel gebrannt, die für eine 4 m hohe Mauer rund um das Lager eingesetzt wurden. Die Trennmauer zum Frauenlager war gar 5 m hoch
Im Sommer 1954 kam es zur „größten Revolte in der Geschichte des „Archipels Gulag“, so Alexander Solschenizyn, - und Robert Sand erlebten diesen Aufstand vom ersten bis zum letzten Tag – 40 Tage lang – mit. In seinem Buch „Der Archipel Gulag“(Schlussband) hat Alexander Solschenizyn auf den Seiten 286 – 332 „Die 40 Tage von Kengier“ ausführlich beschrieben, so das wir uns hier die Einzelheiten über diesen Lageraufstand ersparen können. Nur so viel sei gesagt: „mit wenigen administrativem Verstand begabt und jeder menschlichen Vernunft entratend, war es die Gulag - Obrigkeit selbst, die die Explosion in Kengir vorbereitet. Zuerst durch die Sinnlosen Erschießungen von Häftlingen, darunter auch Frauen, dann in dem sie kriminellen Brennstoff in die aufgeheizte Atmosphäre pumpte.“ Robert Sand erinnert sich, wie Durchbrüche durch die Mauer herausgestemmt wurden und so auch Verbindung zum Frauenlager geschaffen wurde. Wie ratlos die NKWD - Leute herumfuhrwerkten, Drohungen ausstießen und Versprechungen abgaben. Aber dieses schreckliche Ende dieser größten Revolte zeichnete sich ab, als Generäle aus Moskau eintrafen und allerhand hochrangige Genossen sich Gedanken machten, wie man diesen Aufstand niederschlagen könnte. Alexander Solschenizyn beschreibt dieses schreckliche Ende so:
Kameradenhilfswerk der
260. Infanterie- Division
Mit freundlichen Grüßen
Karlheinz