Guten Tag zusammen,
Abschrift und Bearbeitung
Quelle: germandocsinrussia
Leipzig, den 16. März 1942
Heeresnachrichtenschule
9. Offizier-Anwärter- Lehrgang
Kartenkunde — — — Merkblatt 3 — — —
Zurechtfinden im Gelände
1. Ohne Karte und Kompass
In unbekannter Gegend kann man die Richtung nach einem vor der Hand noch unsichtbarem Ziele mit genügender Genauigkeit einschlagen, wenn man sie zu einer der 4 Haupthimmelsrichtungen in Beziehung bringen kann. Diese lassen sich ermitteln:
a) bei Tage nach dem Stande der Sonne. Wenn diese ihren höchsten Stand erreicht (kulminiert), steht sie genau im Süden. Zum Frühlings- und Herbstbeginn geht die Sonne genau im Osten auf und im Westen unter. Aus dem eigenen Schatten lässt sich mit Rücksicht auf die betreffende Tagesstunde die Nordsüdrichtung mit Leichtigkeit in vielfach ausreichender Schärfe ableiten. Besonders beim Durchqueren wegloser Wälder merke man sich die Marschrichtung zum Baumschatten. Etwas genauer erhält man die NS Richtung, wenn man auf einer Taschenuhr den Winkel halbiert, den der Stundenzeiger (für Ortszeit) mit der Ziffer 12 (24) bildet. Richtet man die rückwärtige Verlängerung dieser Halbierungslinie auf die Sonne, so zeigt die Ziffer 12 (24) nach Norden. Dabei ist die „Sommerzeit“ und der Unterschied zwischen Ortszeit und mitteleuropäischer Uhrzeit zu berücksichtigen. Der augenblickliche Zeitmeridian (Sommerzeit- osteuropäische Zeit) ist der 30. Längengrad ostwärts Greenwich. Da die Sonne zum Durchlaufen von 1° = 4 Zeitminuten braucht, so sind bei Orten, die, wie z. B. Leipzig 30° — 12° = 18° westlich von diesem Zeitmeridian liegen, 18 • 4 = 72 Minuten von der Sommerzeit abzuziehen, um wahre Ortszeit zu erhalten. (Bei ostwärts vom Zeitmeridian liegenden Orten ist der sich ergebende Unterschied zuzuzählen).
b) bei Nacht nach dem Stande des Polarsterns oder des Mondes. Der Halbmond (im Zunehmen) steht um 18 Uhr abends, der Vollmond um 24 Uhr Mitternacht und der Halbmond (im Abnehmen) um 6 Uhr morgens im Süden. (Jeweils Ortszeit !)
c) aus Sonderfällen. In alten Kirchen steht der Altar auf der Ost- der Turm auf der Westseite. Jeder frei im Gelände stehende trigonometrische Punkt ist mit seiner, ein eingemeißeltes T. P. tragenden Stirnseite meist nach Süden gerichtet. Seine obere waagerechte Fläche trägt außerdem ein Kreuz, dessen Achsen meist in die Himmelsrichtungen zeigen.
2. Mit Karte und ohne Kompass
Hat man eine brauchbare Karte, so benutzt man sie nicht erst, wenn man sich bereits verlaufen hat, sondern verfolgt auf ihr stets den zurückgelegten Weg. Man muss stets während des Marsches den Ort des augenblicklichen Befindens auf der Karte angeben können. Es empfiehlt sich dringend, die Karte stets in die Marschrichtung zu drehen. Es hat den Vorteil, dass Rechts und Links der Natur mit der Lage der Karte übereinstimmen. Glaubt man, sich verirrt zu haben, so ist es in vielen Fällen richtiger, so weit zurückzugehen, bis man seinen Aufenthaltsort auf der Karte bezeichnen kann. Bietet hierzu der Grundriss der Karte nicht genügend Anhalt, so sind auch Bodenformen, sofern sie sich scharf genug ausprägen, heranzuziehen. Kann man seinen Standpunkt auf einer Karte nicht sogleich ermitteln, so orientiere man auf alle Fälle zunächst scharf seine Karte.
Nach dem unter 1. angegebenen Verfahren stellt man die Himmelsrichtungen fest. Der rechte und der linke Kartenrand liegen Meridian, in der geographischen NS Richtung ! Oder gelingt es, ein durch 2 markante Gegenstände bezeichnete Geländerichtung der Natur auf der Karte festzustellen, so drehe man zunächst die Kartenrichtung gleichlaufend zur Naturrichtung. Hierauf suche man bei unveränderter Lage der Karte von mehreren Naturpunkten (Kirchtürme, Windmühlen, Schornsteine, Berggipfel) aus rückwärts über deren zugehörige Kartenpunkte hinweg Richtungen zu legen. Diese werden sich im Standort treffen.
Im Walde empfiehlt es sich auf einem Wegestern oder Wegekreuz die ausgehenden Richtungen zu vergleichen. Eine Karte ist erst dann richtig orientiert, wenn auf ihr alle von dem gefundenen Standort aus nach den sichtbaren Naturpunkten gehenden Richtungen auch durch die zugehörigen Darstellungen auf der Karte gehen.
3. Mit Kompass, aber ohne Karte
Die auf den meisten Kompassen durch einen besonderen Pfeil neben dem - N - der Windrose als Mißweisung angegebene Richtung gilt streng nur für einen bestimmten Ort und eine bestimmte Zeit. Sie genügt jedoch für alle Fälle (innerhalb Mittel-Deutschlands), wo es auf besondere Genauigkeit nicht ankommt. Man achte beim Kauf eines Kompasses darauf, dass dieser Mißweisungspfeil sich etwa 5° westlich der N Richtung befindet ! Dreht man nun den Kompass solange, bis das Nordende der Magnetnadel auf diesen Pfeil einspielt, so zeigt die auf dem Boden des Kompasses gezeichnete Windrose in die dort angegebenen geographischen Himmelsrichtungen. Man lenke die Nadel zur Prüfung mit einem Schlüssel oder Messer ab und beobachte, ob sie nach einigen Schwingungen wieder in ihren ersten Zustand zurückkehrt.
Hat der Kompass einen besonderen Marschrichtungszeiger, so stellt man diesen jetzt auf die innezuhaltende Marschrichtung ein. Diese kann sowohl aus der Karte, als auch direkt durch Anvisieren des Richtungspunktes über Kimme und Korn ermittelt werden. (Der Winkel, welcher durch diesen Zeiger und der geographischen Nordrichtung gebildet wird, ist der sogenannte Richtungswinkel und drückt sich durch die sogenannte Marschzahl aus.) Während des Marsches braucht man dann nur den Mißweisungspfeil unter das einspielende Nordnadelende zu drehen, so weist der Marschrichtungszeiger ohne weiteres wieder in die richtige Marschrichtung.
4. Mit Kompass und Karte
Für diese schon größere Genauigkeit erforderten Verfahren bedient man sich eines größeren Kompasses mit Zielvorrichtung, Vollkreisteilung, einer Linialzierkante am Gehäuse und mit Leuchtnadel und Leuchtmarken. Die Bestimmung der Mißweisung bzw. der Nadelabweichung für den Standpunkt und die Gegenwart erfolgt aus den Angaben am Kartenrand. (Ihre jährliche Abnahme beträgt z. Z. 0,15° = 2,7 ). Legt man den Kompass mit seiner NS Richtung auf bzw. an den nach geografisch Nord zeigenden Meridian des betreffenden Kartenpunktes (nicht Kartenrand) und lässt das Nordnadelende durch Drehen der Karte auf den vorher genau ermittelten Mißweisungswert einspielen, so ist die Karte genau orientiert. Dasselbe wird erreicht, wenn man den Kompass mit seiner NS Richtung auf beziehungsweise an eine nordsüdliche Gitterlinie des Netzes, zu welchem der betreffende Kartenpunkt gehört, (nicht Meridian oder Kartenpunkt) legt und das Nadelende durch Drehen der Karte auf den vorher genau ermittelten Nadelabweichungswert einspielen lässt.
Man verwandelt Altgradteilung (360°) in Strichteilung (6400—) durch Multiplikation mit 17,78; ? Neugradteilung (400°) in Strichteilung (6400—) durch Multiplikation mit 16 !
gez.
Hauptmann
Gruß Marga