Merkblatt für Mütter

  • Guten Abend zusammen,


    hier ein Merkblatt für Mütter vom Mai 1943. Leider gibt es auf den ersten Seiten ein paar unleserliche Wörter oder zerstörte Textstellen. Aber es ist ein bemerkenswertes Merkblatt, wie ich finde. Ich werde den Text an den gewissen Stellen rot schreiben oder ganz auslassen.


    Abschrift und Bearbeitung.

    Quelle: germandocsirussia



    Merkblatt für Mütter


    Gemeinsame Entsendung von Müttern mit Kindern aus luftgefährdeten Gebieten.


    Durch die NSV. werden aus den luftgefährdeten Gebieten folgende Entsendungen durchgeführt:


    1.) Im Rahmen der "Erweiterten Kinderlandverschickung".


    Entsandt werden Mütter gemeinsam mit ihren Kindern wenn mindestens ein Kind unter 6 Jahre alt ist. In Sonderfällen werden auch andere nicht arbeitsmeldepflichtige Mütter (z. B. mit Schulkindern) einbezogen. Die Entsendung erfolgt auf 3 Monate und in bestimmte Aufnahmegebiete. Bei der "Erweiterten Kinderlandverschickung" werden werdende und kinderreiche Mütter bevorzugt erfasst.


    2. Im Rahmen der Umquartierung aus Luftschutzgründen und wegen Fliegerschäden.


    Entsandt werden Mütter mit Kindern, alte Leute, sowie sonst nicht im Arbeitseinsatz stehende Personen, die sich im Besitz einer Abreisebescheinigung ihrer Heimatbehörde befinden. Die Entsendungen erfolgen in bestimmte Aufnahmegebiete und auf unbestimmte Zeit.



    Beide Entsendungen sollen den Müttern und Kindern sowie sonstigen einbezogenen Personen die Möglichkeit geben, in weniger luftgefährdeten Gebieten in Ruhe zu leben. Eine derartige Entsendung bringt natürlich Änderungen gegenüber den bisherigen Lebensgewohnheiten mit sich. Die Mütter und sonstigen Betreuten müssen daher folgendes wissen und beachten:


    1.) Die Unterbringung erfolgt in ländlichen Bezirken. Für die Aufnahme stehen Unterkünfte in Gastfamilien zur Verfügung. Für kinderreiche und werdende Mütter erfolgt die Einweisung gegebenenfalls in Mutter-und-Kind-Heime der NSV. (nationalsozialistische Volkswohlfahrt). Für alte und gebrechliche Personen stehen entsprechende Einrichtungen zur Verfügung.


    Sollte die gemeinsame Unterbringung der Mütter mit allen ihren Kindern in einer Unterkunft nicht möglich sein, erfolgt die Unterbringung in benachbarten Gastfamilien jeweilig in so unmittelbarer Nähe, dass die Betreuung der Kinder durch die Mutter auch weiterhin möglich ist.


    2.) In der Regel werden die Mütter und Kinder in den Gastfamilien durch die Gasteltern verpflegt. Es wird selbstverständlich vorausgesetzt, dass die Mütter alles tun, um ihren Gasteltern die durch ihren Aufenthalt entstehende Arbeitsbelastung in jeder Weise abzunehmen. Die Mütter müssen die von ihnen und ihren Kindern bewohnten Räume selbst in Ordnung halten und müssen überall im Haushalt Hand anlegen. Die Pflege und Beaufsichtigung ihrer Kinder obliegt ihnen allein.


    Den entsandten Müttern kann z. B. nicht zugestanden werden, dass sie, ohne sich um Hausaufgaben zu kümmern, spazierengehen ............................................................................................... dem Felde arbeiten muss, um die Ernährung Deutschlands mit sichern zu helfen. Die Mutter verlegt durch ihre Entsendung lediglich ihren Haushalt mit den bisherigen Aufgaben und Pflichten aus dem Heimatort in eine neue Wohngemeinschaft; sie gibt diese nicht auf. Die Entsendung der Frauen und Mütter darf in keinem Fall als eine mehrmonatige Erholungszeit ohne Aufgaben und Pflichten angesehen werden.


    3.) Die Mütter werden im Allgemeinen in ländlichen Gebieten untergebracht, in denen sie im Vergleich zu den Großstadtverhältnissen einfache Verhältnisse vorfinden. In den ländlichen Gebieten gibt es keine asphaltierten Straßen, nicht überall Zentralheizung, Warmwasser, Kino und Friseur. Der Besuch von Gaststätten durch alleinstehende Frauen ist auf dem Lande nicht üblich. Diesen Verhältnissen muss die Mutter Rechnung tragen.


    4.) Die Bevölkerung in den Aufnahmegauen hat in großzügiger Weise freiwillig Plätze für Mütter und Kinder zur Verfügung gestellt. Die Aufnahme von Müttern und Kindern bedeutet bei der schon starken Inanspruchnahme der Landbevölkerung eine zusätzliche Belastung. Es wird von den Müttern erwartet, dass sie durch persönliche Einsatzbereitschaft den Gastgebern gegenüber durch Haltung und Führung diese Hilfsbereitschaft anerkennen und würdigen.


    5.) Das gleiche gilt bei der Unterbringung in Mutter-und-Kind-Heimen, Gaststätten, Pensionen usw. Auch in diesen Heimen obliegt die volle Fürsorge und Betreuung ihrer Kinder den Müttern selbst. In diesen Quartieren kann es vorkommen, dass zwei Mütter mit ihren Kindern ein Zimmer teilen müssen. Es ist notwendig, dass sich die Mütter kameradschaftlich aufeinander einstellen und gegenseitig helfen.


    6.) Die Ernährungsweise in den Aufnahmegauen ist im allgemeinen eine andere als in Nord............... ........... deutschland. Es kann damit gerechnet werden, dass die Mütter Obst- und Gemüse nicht so kaufen können, wie sie es zu Hause gewohnt sind. In dieser Hinsicht wird eine Umstellung der Mütter auf ortsübliche Gegebenheiten notwendig sein. Es kann auch vorkommen, dass die Beschaffung von Nährmitteln wie Haferflocken, Grieß usw. zunächst Schwierigkeiten bereitet. Es wird daher empfohlen, dass sich die Mütter für die erste Zeit einen kleinen Vorrat Nährmittel mitbringen.


    7.) Es ist notwendig, dass die Mütter Bett- und Tischwäsche, Hand- oder Geschirrtücher und Bestecke mitnehmen, da die Gasteltern nicht in der Lage sind diese zu liefern. Ebenfalls müssen für die sich noch einnässenden Kinder genügend Windeln, Gummiunterlagen usw. mitgenommen werden.


    Kinderflaschen dürfen nicht vergessen werden. Es ist möglichst auch ein kleiner Kochtopf mitzunehmen, wenn für Kinder Extranahrung zubereitet werden muss.


    Die Mütter können neben dem im Zugabteil unterzubringendem Handgepäck weiteres Gepäck -- etwa 50 kg je Person -- durch Vermittlung der NSV. im Sonderzug aufgeben. Über diese Möglichkeiten müssen sie jedoch rechtzeitig vor der Abreise bei der NSV. Auskunft einholen. Es wird empfohlen, dass die Mütter weiteren wichtigen und zur Zeit nicht zu beschaffenden Hausrat mitnehmen oder sich nachsenden lassen. Hierzu gehören z.B. Besen, Scheuertücher, sonstige Wäsche, Kinderbetten und Matratzen, wenn diese am Aufnahmeort fehlen.


    8.) Das Klima in den Aufnahmegebieten bedeutet in der Regel eine Umstellung zu dem Wetter in dem bisherigen Wohnort. Um gesundheitliche Schäden zu vermeiden, müssen die Mütter für eine ausreichende Kleidung, auch Schuhe, für ihre Kinder und sich selbst sorgen. Vorhandene Gummistiefel und Überschuhe sind mitzunehmen.


    9.) Werdende Mütter werden gleichfalls in Familienpflegestellen, in besonderen Fällen in Mutter-und-Kind-Heimen untergebracht. Es ist Vorsorge getroffen, dass werdende Mütter in Orten untergebracht werden in denen Entbindungsmöglichkeiten gegeben sind. Notfalls werden werdende Mütter 6 Wochen vor und 6 Wochen nach der Entbindung in besondere Mütter-und-Kind-Heime mit entsprechenden Entbindungsmöglichkeiten eingewiesen. Für die Zeit der Entbindung wird die Betreuung der Kinder durch die NSV. sichergestellt. Werdende Mütter müssen der NSV. im Heimatort vor ihrer Abreise den voraussichtlichen Zeitpunkt der Niederkunft mitteilen. Werdende Mütter melden sich in ihrem eigenen Interesse außerdem bereits während der Fahrt bei der Transportschwester und sofort bei Ankunft im Aufnahmegau bei der Hilfsstelle "Mutter und Kind" der NSV.


    10.) Für alle im Rahmen der "Erweiterten Kinderlandverschickung" entsandten Mütter und Kinder ist durch die NSV. die kostenlose ärztliche Versorgung und Gewährung von Arzneien, Krankenhausaufenthalt usw. sichergestellt. Die Mütter müssen jedoch genau unterrichtet sein, zu welcher Krankenkasse sie und ihre Kinder gehören, welche Mitgliednummer sie haben und welche Verwaltungsstelle der Krankenkasse für sie zuständig ist. Für die Kinder sind diese Angaben auf der für den Transport ausgehändigten Umhängekarte zu vermerken, die im Bedarfsfall dem Arzt gegenüber als Krankenschein zu verwenden ist.


    Für Mütter und Kinder mit Abreisebescheinigung erfolgt die ärztliche Versorgung durch die Familienunterhaltsbehörde im Aufnahmeort.


    Benötigt die Mutter im Erkrankungsfall für sich oder ihre Kinder oder in anderen Fällen Rat und Unterstützung, kann sie sich jederzeit an die zuständige Ortsgruppenamtsleitung der NSV. wenden. Sie kann auch bei anderen auftretenden Schwierigkeiten jederzeit die NSV. in Anspruch nehmen. Es wird jedoch vorausgesetzt, dass die Mutter zunächst versucht, mit den neuen Verhältnissen fertig zu werden, und nicht gleich bei geringfügigen Schwierigkeiten und mit unberechtigten Wünschen an die NSV. herantritt.


    11.) Mütter, die während ihres Aufenthaltes aus persönlichen Gründen eine Reise antreten, haben diese Reise selbst zu bezahlen. Von der beabsichtigten Reise, dem Zeitpunkt und der Dauer muss die NSV.-Ortsgruppenamtsleitung vorher unterrichtet werden. Bei längerer Abwesenheit wird über das Quartier anderweitig verfügt.


    12.) Die Gewährung wirtschaftlicher Vorteile ist durch die Entsendung nicht beabsichtigt. Die Mütter müssen den Betrag, den sie in der Heimat für den Lebensunterhalt aufwenden mussten, auch im Aufnahmegau selbst tragen und als Zuschuss an die NSV. abführen. Durch diese Zahlung tragen die Mütter zu den Kosten des allgemeinen Haushaltes in der neuen Wohngemeinschaft bei. Sie werden damit nicht Selbstzahler und können nicht, weil sie "zahlen", besondere Ansprüche stellen. Die Gasteltern und Heime erhalten lediglich die durch die Aufnahme entstehenden Mehrausgaben vergütet.


    Der von den Müttern zu zahlende Betrag wird vor der Abreise mit ihnen vereinbart und in der für jede Mutter anzulegende Verschickungskarte, die weitere wesentliche Angaben enthält, vermerkt. Der Betrag ist an die NSV. im Aufnahmeort abzuführen.


    Erhalten die Verschickten im Aufnahmeort Räumungsfamilienunterhalt auf Grund der Abreisebescheinigung, wird von dem Räumungsfamilienunterhalt der für Verpflegung und Unterkunft bestimmte Kostenanteil einbehalten, so dass sich eine Verrechnung mit der NSV. erübrigt.


    13.) Die Entsendung der Mütter im Rahmen der "Erweiterten Kinderlandverschickung" ist im allgemeinen auf drei Monate beschränkt. eine Verlängerung der Aufenthaltszeit kommt nur für Mütter in Frage, die sich im Besitz einer Arbeitsbescheinigung befinden. Im Rahmen der "Erweiterten Kinderlandverschickung" entsandte Mütter, die länger als 3 Monate im Aufnahmegebiet verbleiben wollen, müssen sich daher rechtzeitig -- etwa 4 Wochen vor Ablauf der vorgesehenen Entsendezeit -- an ihre Heimatbehörde wenden, um festzustellen, ob sie eine Abreisebescheinigung erhalten.


    Die Abreisebescheinigung erhalten auch Personen, bei denen die üblichen Voraussetzungen zur Ausstellung der Abreisebescheinigung nicht erfüllt sind, wenn sie ihre Wohnung ganz oder teilweise zur Aufnahme Fliegerbeschädigter zur Verfügung stellen. Es wird daher empfohlen, dass Mütter oder andere Personen (alte Leute), die hiervon Gebrauch machen wollen, ihre Wohnung so herrichten, dass auch in ihrer Abwesenheit die Einweisung Fliegerbeschädigter erfolgen kann (Schlüssel hinterlegen). Wünsche auf die Zuweisung bestimmter fliegergeschädigter Personen, die die Mütter kennen, werden bevorzugt berücksichtigt.


    14.) Soweit Mütter durch die notwendige Betreuung ihrer Kinder und durch häusliche Aufgaben in der neuen Wohngemeinschaft nicht genügend ausgefüllt sind, können sie sich freiwillig zu ehrenamtlicher Mitarbeit bei der NSV. zur Verfügung stellen. Wer will, kann sich auch für eine hauptberufliche Arbeit dem Arbeitsamt halb- oder ganztägig zur Verfügung stellen, besonders wenn größere Kinder vorhanden sind, die die ständige Fürsorge der Mütter (z.B. während des Schulbesuchs) nicht mehr benötigen, Die Kinder dieser Mütter können während der Tätigkeit der Mutter in den örtlichen NSV. Einrichtungen (Kindertagesstätte) aufgenommen werden.


    Berlin, im Mai 1943


    NSDAP. Reichsleitung

    Hauptamt für Volkswohlfahrt


    Dieses Merkblatt ist von den Müttern zur dauernden Beachtung sorgfältig aufzubewahren.



    Gruß Marga