Hallo Allerseits,
Abschrift und Bearbeitung!
Stürzen, Abfangen, Hochziehen
Was hat die Besatzung eines Sturzkampfflugzeugs während eines Angriffs auszuhalten?
Bericht von Gerhard Meyer
Die Stukas starten.
Kette um Kette schaukelt über das Feld, hebt sich und steigt dröhnend über die Köpfe des Bodenpersonals hinweg, den Bug nach England gerichtet. Noch starren die Visiere blind in den leeren mattblauen Winterhimmel hinein.
Aber wehe, wenn sie sich neigen und mit grausamer Beharrlichkeit das Ziel im Fadenkreuz packen. Dann heulen die Lüfte auf, und der Punkt, vom Fadenkreuz unentrinnbar gepackt, wächst rasend, bis ihn der Donner der feuer- und wolkenspeienden Explosion über alle Grenzen hinaus sprengt, während das Sturzkampfflugzeug im laufenden Schwung die Nase hebt und das Visier wieder stur und ausdruckslos in den leeren Himmel glotzt.
Die ersten Sturzkampfflugzeuge wurden nicht von Deutschland gebaut, obwohl die deutsche Luftwaffe es verstanden hat, die besten Flugzeuge dieser Gattung zu schaffen. Es war in der Zeit jener schmählichen Abrüstung, in der ehrliches deutsches Wollen durch betrügerisches Phrasengedresch der anderen belohnt wurde, als die amerikanische Marine ihren Flugzeugträger „Saratoga" mit zwei Geschwadern eines Curtiss-Sturzkampfflugzeuges ausrüstete, das den kennzeichnenden Namen „Höllentaucher“ erhielt. Damals raunte die Fama, dass der Flug mit dem Stuka ein Spiel mit dem Tode sei. Das gilt für deutsche Stukas nicht mehr, denn deutsche Wissenschaft und Forschung haben dafür gesorgt, dass der Tod, der sich gierig hinter dem stürzenden Flugzeug aufreckte, heute seine Beute nicht mehr erreicht.
Zwar hat sich die Taktik des Sturzkampfangriffs nicht viel geändert. Das Ziel, sagen wir ein feindlicher Kreuzer, taucht auf. Er liegt gut. Nicht genau voraus - denn dann würde ihn der weit herausragende Rumpfbug bald verdecken, und er müßte nach dem Übergang zum Sturzflug erst wieder aufgesucht und ins Visier genommen werden-, sondern schräg seitlich zickzack er tief unter dem jagenden Stuka durch die See. Langsam schiebt er sich zwischen die schmale langgezogene Nase des Rumpfes und die Vorderkante des Flügels. Immer näher rückt er, so wuchtig er auch seine leuchtende Schaumspur in die See furcht, an den Flügel heran, der zitternd, die bebende Schwinge eines stoßbereiten Adlers, über der See schwebt.
Und jetzt: „Achtung, wir stürzen!“ Der Flügel neigt sich seitlich, die unmerkliche Fläche der See scheint sich himmelan zu schwingen. Die Maschine geht auf den Kopf und saust aufheulend in die Tiefe ...
Ehe der Führer jedoch zum Sturz ansetzte, hat er die Sturzflugbremsen angefahren. Es sind dies zwei schmale Blechleisten oder Klappen an der Flügelunterseite zu beiden Seiten des Rumpfes. Bis dahin lagen sie flach im Luftstrom. Nun aber sind sie senkrecht wie bremsend quergestellte Ruder eines Kahns, von der Flügelunterseite abgespreizt. Diese Vorrichtung besaßen die ersten Sturzkampfflugzeuge nicht. Sie ist es, die wesentliche Gefahren des Sturzfluges beseitigt.
Dem Sturzkampfflugzeug scheint ein unbeschränkter Bereich der Geschwindigkeit untertan. Achthundert, tausend, zwölfhundert Kilometer in der Stunde, das sind Geschwindigkeiten, für die der Sturzkampfflieger nur ein mitleidiges Lächeln übrig haben müsste. Und tatsächlich! Er lächelt mitleidig. Aber nur über das hemmungslose Ausmaß unserer Phantasie. Denn ein Sturzbomberangriff mit 1200 km/h Sturzgeschwindigkeit ist ein Unternehmen, das trotz seines erdwärts gerichteten Kurses mit ziemlicher Sicherheit als eine „Himmelfahrtspartie“ bezeichnet werden kann.
Es gibt tatsächlich nur wenig Flugzeuge, die in einem senkrechten Absturz 1000 km/h und mehr erreichen würden, denn die Bremskraft der Luft, die der Fallschirmspringer am wütenden Zerren und Reißen des Luftstroms an seiner Kleidung spürt, wird mit wachsender Fallgeschwindigkeit immer größer. Schließlich tritt der Augenblick ein, in dem der fallende Körper nicht mehr schneller werden kann,
weil die Luft ihm jeden neuen Geschwindigkeitszuwachs einfach wegbremst. In diesem Augenblick hat der Körper seine „Endgeschwindigkeit“ erreicht, die z.B. für einen frei durch die Luft fallenden Menschen nicht mehr als etwa 260 km/h beträgt.
Das Sturzkampfflugzeug könnte überdies eine Geschwindigkeit von 1000 und mehr Kilometern in der Stunde nicht gebrauchen, da es sich bei einem solchen Wahnsinnssturz aus vielleicht 4000 m Höhe kaum noch steuern und auch nicht mehr nahe genug an das Ziel heranbringen ließe.
So wurde die Sturzflugbremse geschaffen, die die „Endgeschwindigkeit" des Stukas soweit herabsetzt, dass selbst im steilsten Sturz eine vom Forscher bestimmte und vom Konstrukteur errechnete Höchstgeschwindigkeit niemals überschritten werden kann.
Atemraubend ist der Sturz. Er führt in mehreren Stufen immer tiefer hinab, bis die graugrüne Fläche des Meeres im letzten Abschnitt, der steil bis auf wenige hundert Meter an das Ziel heranführt, das ganze Gesichtsfeld füllt. Dann aber ist der entscheidende Augenblick gekommen: Die Bombe fällt!
In starrer Anspannung aller Sinne und Muskeln kauert der Pilot über der Steuersäule, denn schon schwingt die Wand der Erdoberfläche zurück, und langsam schiebt sich der Himmel wieder ins Visier. Gleichzeitig aber presst ein gewaltiger Druck den Piloten und seinen Schützen in den Sitz. Riesenfäuste scheinen Schultern und Schenkel des Fliegers zu packen und mit Zentnergewichten zu belasten. Eine furchtbare Gewalt will ihn durch den Boden des Flugzeugs drücken. Den Nacken unter dem unwiderstehlichen Druck gebeugt, Muskeln und Arme bis zum Zerreißen gespannt, so saust er in weitem aufwärtsgerichtetem Bogen von der Erde hinweg. Aber erst, wenn die Nase des Stukas wieder fast senkrecht gegen den Himmel weist und der Motor den zitternden Metallvogel mit dröhnendem Vollgasgebrüll geradewegs in die Wolken emporreißt, schwindet der lähmende Alpdruck. Nun erst kann der Blick zurück in die gähnende Tiefe gewagt werden.
Von der vernichtenden Stärke dieser sprunghaft entfesselten Kräfte hatte man bei den ersten Sturzflugversuchen kaum eine rechte Vorstellung. Heute jedoch hat sich die Wissenschaft aller Wege bemächtigt, auf denen diese gefährlichen Gewalten ausbrechen können, und die Technik hat aus diesen Eroberungen Nutzen gezogen.
Fortsetzung folgt….