"Die Kriegsführenden haben sich gegenseitig baldmöglichst die Namen der aufgenommenen oder aufgefundenen Verwundeten Kranken und Gefallenen ebenso wie alle Anhaltspunkte für ihre Identifizierung mitzuteilen. Sie haben alle auf den Schlachtfeldern oder bei den Gefallenen gefundenen persönlichen Gebrauchsgegenstände, insbesondere die Hälften der Erkennungsmarken, deren andere Hälfte an der Leiche bleiben muss, aufzunehmen und sich zuzusenden.
Sie haben darüber zu wachen, dass der Beerdigung oder Verbrennung des Gefallenen eine sorgfältige und wenn möglich, ärztliche Leichenschau vorangeht, um den Tod festzustellen, die Identität zu klären und darüber Auskunft geben zu können.
Zu diesem Zweck haben sie bei Beginn der Feindseligkeiten amtlich einen Gräberdienst einzurichten, um ein etwaiges Ausgraben zu ermöglichen und die Identifizierung der Leichen, wie auch die Reihenfolge der Gräber sei, sicherzustellen.
Bei Schluss der Feindseligkeiten haben die Kriegsführenden die Listen über die Gräber und über die in ihren Friedhöfen oder anderwärts bestatteten Gefallenen auszutauschen"
So lautet die im Artikel 4 im Genfer Abkommen über die Verbesserung des Loses der Verwundeten, Kranken und Gefallenen der Heere im Felde getroffenen Vereinbarungen vom 27.07.1929.
Als Folge dieser Vereinbarungen übernahm das OKW im September 1939 die Fürsorge über die Gräber von verstorbenen und gefallenen Wehrmachtangehörigen und der Toten der Gegnerstaaten.
Die Sowjetunion hatte dieses Abkommen nicht unterzeichnet.
Gleichzeitig mit der Übernahme der Fürsorgepflicht über die Kriegsgräber wurde vom OKW angeordnet, dass Wehrmachtgräberoffiziere (kurz: WGO/WGO's) zu ernennen sind, die bis zum 01.10.1939 ihre Tätigkeit aufzunehmen hatten.
Als WGO's wurden ehemalige Offz. (aktive oder des Beurlaubtenstandes) einberufen, die für eine Frontverwendung infolge ihres Alters oder anderer Umstände nicht mehr voll in Betracht kamen.
Sie mussten jedoch "gvFeld" sein, d.h. garnisonsverwendungsfähig Feld, also nur in beschränktem Umfange für die kämpfende Truppe verwendungsfähig, immer aber für Verwaltungs- und Versorgungsdienste in den rückwärtigen Operationsgebieten geeignet sein.
Alle Wehrmachtgräberoffiziere - später Stabsoffiziere für das Wehrmachtsverlustwesen - unterstanden dem OKW und wurden von diesem auch unmittelbar eingesetzt.
Die WGO's waren entweder im rückwärtigen Bereich der kämpfenden Truppe oder in bestimmten Bezirken "bodenständig" tätig.
Für die Dauer der Kampfhandlungen erhielt jede Armee einen Wehrmachtsgräberoffizier, der mit den vom Armee-Korps abwärts bis zum Regiment, bzw. selbständigen Bataillone oder Abteilungen eingeteilten Truppengräberoffiziere zusammenarbeitete.
Die WGO's bei den Armeeoberkommandos (AOK's) gehörten den Oberquartiermeister-Abteilungen an. Ihre Dienstbereiche entsprachen den Befehlshabern der Armee. Bei Kommandierungen von Wehrmachtsgräberoffizieren zu den AOK's unterstanden den Generalstabschefs disziplinarisch. Die wirtschaftliche Unterstellung wurde ebenfalls vom Gen.St.Chef geregelt. Die WGO's selbst hatten die Diziplinargewalten von Kompanie-Chefs.
Aufgaben der Wehrmachtgräberoffiziere war die Einhaltung der Richtlinien für die Beisetzung von Gefallenen und Betreuung der Kriegsgräber. Nach diesen Richtlinien hatte jede Einheit und Kommandantur einen Gräberoffizier zu bestimmen, der für die Beerdigung, Sicherung der Gräber und Meldung der Personalien der Toten mit Grablageangabe an den WGO beim AOK verantwortlich war. Diese Truppengräberoffiziere bei den Divisionen, Regimentern und Bataillonen hatten für die Aufstellung der Bestattungskommandos und die ordnungsgemäße Bestattung der Gefallenen sowie die Kennzeichnung der Gräber zu sorgen. Bei den Divisionen wurden die Aufgaben der Truppengräberoffiziere zumeist von Feldgeistlichen übernommen.
Bestattungskommandos in Stärke von 4 bis 5 Mann unter Führung eines Unteroffiziers oder Gefreitendienstgrad waren von jedem Regiment oder Bataillon zu stellen.
Der Wehrmachtgräberoffizier beim AOK musste sich anhand der ihm zugeleiteten Meldungen und der von ihm an Ort und Stelle in Verbindung mit den Truppenteilen, den Ortskommandanturen, den Bürgermeistereien und der Bevölkerung vorzunehmenden Erkundigungen über die Anzahl der Gräber und ihre Lage informieren.
Alle ihm von den Truppengräberoffizieren zugehenden Meldungen waren von ihm zu prüfen und an den bodenständigen Wehrmachtgräberoffizier zur Erfassung und Weiterleitung an die Wehrmachtauskunftstelle (WASt) zu übergeben.
In den rückwärtigen Gebieten waren bodenständige WGO's eingesetzt, deren Bezirke nach Ausdehnung und Anzahl der in ihnen bestatteten Gefallenen unterschiedliche Ausmaße hatten. Der bodenständige Wehrmachtgräberoffizier hatte die vollständige Registrierung, Sicherung und Betreuung aller in seinem Bezirk entstandenen Kriegsgräber zu überwachen.
Zu den Dienstobliegenheiten gehörte auch die Aufsicht über die in seinem Bereich liegenden Ehrenfriedhöfe. Zur Durchführung dieser Aufgabe standen den WGO's jeweils ein Bürofeldwebel, ein Schreiber, ein Zeichner, bei Bedarf ein Dolmetscher und jeweils ein Fahrer für 1 Pkw und 1 Lkw zur Verfügung.
Die Angehörigen einer WGO-Dienststelle waren vor ihrem Einsatz auf ihre Eignung geprüft und in den Geschäftsgang der Abteilung "Wehrmachtverlustwesen" und des Referates IV der "Wehrmachtauskunftstelle" (WASt) eingewiesen worden. Ersatztruppenteil für den Personalbestand der WGO-Dienststellen und der Umbettungskommandos war die Ersatz-Kompanie der Abteilung Wehrmachtverlustwesen (WVW) beim OKW mit Standort in Berlin-Karlshorst, Treskowallee 93.
Im Jahre 1941 hatte das OKW 51 WGO-Dienststellen, 2 Umbettungskommandos und 3 Heeresgräberoffiziere in den Wehrkreisen VIII Kattowitz, XII Wiesbaden und XX Danzig im Einsatz.
Im November 1944 hatte sich die Zahl der Dienststellen der Stabsoffiziere im WVW auf 154 erhöht.
Die Stabsoffiziere für das Wehrmachtverlustwesen, vor allem die in ihren Bereichen tätigen Truppengräberoffiziere, hatten darauf zu achten, dass jedes Grab zunächst einmal mit einer runden Aluminiummarke gekennzeichnet war. Die oberer Zahl auf diesen Marken war die Nummer des jeweiligen Wehrmachtgräberoffiziers, während die untere Zahl der laufenden Nummer entsprach, unter der die Personalien des Toten in der Kartei des WGO's eingetragen war. Bei Sammel- und Kameradengräbern war für jeden Toten eine solche Marke anzubringen.
Für die Gefallenen der gegnerischen Armeen wurden viereckige Marken verwandt.
Die Gräber von Selbstmördern und standrechtlich Erschossenen wurden nicht mit Marken versehen,
mussten aber erfasst und der WASt mitgeteilt werden. Die Gräber dieser Toten erhielten auch nicht die für gefallene Soldaten üblichen Grabzeichen, sondern nur einfache Holzkreuze mit Namen und Todestag, jedoch ohne Truppenteilangabe.
Diese Gräber wurden in der Regel nicht auf den von der Wehrmacht angelegten Ehrenfriedhöfen bestattet, sondern auf örtlichen Gemeinde- oder Stadtfriedhöfen zur letzten Ruhe gebettet.
In Ausnahmefällen (z.B. wegen unheilbarer Krankheit, Bombentod von Frau und Kind usw.) konnten Selbstmörder auf Anweisung eines Vorgesetzten,
der mindestens im Range eines Kommandierenden Generals sein musste, mit militärischen Ehren auch auf einem Soldatenfriedhof beigesetzt werden.
Die Erfassungsarbeit des Wehrmachtgräberoffiziers schloss auch die Öffnung von Gräbern mit unbekannten Soldaten ein. Das Ergebnis solcher Graböffnungen und Umbettungen waren der WASt mitzuteilen. Evtl. aufgefundener Nachlass musste der Meldung beigefügt werden. Das galt natürlich auch für Nachlassgegenstände von Angehörigen gegnerischer Streitkräfte, der dann über die Wehrmachtauskunftstelle und das IRK (Internationales Rotes Kreuz) in Genf den Angehörigen zugestellt wurde.
Das Auffinden nicht zur eigenen Truppe gehörender toter Soldaten und ihre Bestattung hatte der Truppengräberoffizier an den WGO beim AOK zu melden. Dieser hatte die Meldung zu prüfen, zu erfassen und der Abteilung WVW, der WASt, wenn es sich um Angehörige der Kriegsmarine, der Luftwaffe, der Waffen-SS, des RAD, der OT usw. handelte, auch den weiteren zuständigen Stellen zu melden.
Nahm der Wehrmachtgräberoffizier in der Regel auch nicht an Kampfhandlungen teil, so hatte er dennoch eine verantwortungsvolle und schwere Aufgabe zu erfüllen.
Sieht man einmal von der unbestritten andauernden seelischen Belastung ab, so hatten gerade die WGO's und ihre Helfer auch mit erheblichen technischen Schwierigkeiten fertig zu werden.
Obwohl ein Überführungsverbot bestand, hatten zumindest in den ersten Kriegsjahren viele Truppenteile ihre Toten in die Heimat überführt, ohne den zuständigen Wehrmachtgräberoffizier davon zu informieren. Besondere Schwierigkeiten gab es für die WGO's an der Ostfront, wo Schlamm und strenger Frost, Schnee und Eis ihnen die Erfüllung ihrer Aufgaben sehr erschwerten.
Oftmals standen die erforderlichen Geräte und Materialien nicht zur Verfügung. Es fehlte an wetterfester Farbe für die Kreuzbeschriftung, an Nägeln zur Fertigung von Grabkreuzen, oft genug war nicht einmal eine Feile zur Schärfung von Sägen vorhanden.
Da nicht immer genügend Sprengpatronen zur Verfügung standen, um Gräber in die tief gefrorene Erde sprengen zu können, konnten zwangsläufig in extremen Situationen weder Gräberoffiziere noch die Bestattungskommandos ihre Vorschriften einhalten. Sie mussten die Toten nicht selten unter einem Schneehügel einbetten, weil ihnen einfach Zeit und Material fehlten, um sie würdig bestatten zu können.
Die zunehmende Härte des Krieges brachte es mit sich, dass die Gräberoffiziere und ihre Helfer oft nicht in der Lage waren, ihre Aufgaben ordnungsgemäß zu erfüllen.
Der Wehrmachtgräberoffizier 7 aus Smolensk hatte z.B. 60.000 Grabmeldungen im Juli 1942 zu bearbeiten und musste sich außerdem um die Beschaffung von Holz für die Grabkreuze kümmern. Dieses Holz musste aus den von Partisanen beherrschten Wäldern beschafft werden. Wegen der sowjetischen Tieffliegerangriffe musste er sich auch um Deckungsmöglichkeiten für Mensch und Material kümmern. Solche Belastungen traten meist dann ein, wenn die WGO-Dienststellen in den Frontbereich gerieten und mit der Unterstützung benachbarter Truppenteile kaum zu rechnen war. Verschiedentlich mussten dann auch Angehörige der WGO-Dienststellen an den Kampfhandlungen teilnehmen. So hatte der Wehrmachtgräberoffizier 77 in Walujki (östlich von Charkow), ein Leutnant, zusammen mit seinem Dolmetscher, einem Sonderführer, den Bahnhof der Stadt gegen gegnerische Übermacht bis zur letzten Patrone verteidigt.
Die Belege dieser schicksalsschweren Aufgaben, die von den Wehrmachtgräberoffizieren, den Truppengräberoffizieren und ihren Helfern oft unter unmenschlichen Strapazen erfüllt worden waren, sind heute noch in Form von Grabmeldungen, Friedhofslisten und Belegungsplänen für die Klärung von Schicksalen von großem Wert.
Leider sind viele dieser Meldungen durch Kriegs- und Nachkriegsereignisse in Verlust geraten. Aber das noch vorhandene Material reichte aus, um von über 3 Millionen toten deutschen Soldaten des Zweiten Weltkrieges die Grablagen nachzuweisen.
Allen Soldaten, die im Wehrmachtgräberdienst ihre humanitären Aufgaben mit ihrem Leben bezahlen mussten, soll mit diesen Zeilen ein Denkmal gesetzt sein.
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Quellen:
Bestimmungen über Verlustmeldungen im Kriege, Anlage zum OB-Heft 15-OKM AMA/M Wehr I b B Br. 429 v. 16.02.1940
Abkommen der HLKO v. 27.07.1929
Einrichtung des Kriegsgräberdienstes, Denkschrift v. 31.08.1939 (WASt)
Dienstanweisung für den Wehrmachtgräberoffizier v. 25.01.1942
Einzeldokumente bei der DD-WASt
Autor: Klaus Woche, Leiter des Gräbernachweises in der DD-WAST in einem Beitrag des DSJB 1984, S. 434-437, Schild Verlag, München
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Beste Grüße
Uwe