Rekonstruktion eines Fluchtweges aus Prag 1945

  • [FONT=Arial, sans-serif]Diese Fragen habe ich bei Ahnenforschung.net eingestellt und bin hierher verwiesen worden. Ich bitte freundlich um Hinweise.


    Liebe Militärfachleute[/FONT][FONT=Arial, sans-serif],[/FONT]
    [FONT=Arial, sans-serif]folgende Notizen meiner Mutter habe ich gefunden und daraus einigermaßen genau den Fluchtweg nachverfolgen können.[/FONT][FONT=Arial, sans-serif]
    [/FONT]

    [FONT=Arial, sans-serif]Tagebuch der Flucht aus Prag:[/FONT]
    [FONT=Arial, sans-serif]Samstag, 5. Mai 1945 Beginn d. Aufstandes[/FONT]
    [FONT=Arial, sans-serif]Montag, 7. Mai 1945 Abfahrt mit Panzern, Koffer u. Rucksack, m. allen Sachen fort[/FONT]
    [FONT=Arial, sans-serif]Dienstag, 8. Mai 1945 Einzug im Lazarett b. Frau Burghard [/FONT]
    [FONT=Arial, sans-serif]Samstag,12.Mai 1945 Einzug im Heim d alten Stab[/FONT]
    [FONT=Arial, sans-serif]Samstag,19.Mai 1945 Abfahrt nach Zetlisch (Nove Sedlište?)
    [/FONT][FONT=Arial, sans-serif] Übernachtet Giebacht (Pozorka) Bunker im Wald (bei Kladruby?) [/FONT]
    [FONT=Arial, sans-serif]Sonntag, 20.Mai 1945 Ankunft in Zetlisch[/FONT]
    [FONT=Arial, sans-serif]Dienstag, 5.Juni 1945 Abmarsch nach Thiersheim[/FONT]
    [FONT=Arial, sans-serif]Mittwoch, 6.Juni 1945 Grenzübergang[/FONT]
    [FONT=Arial, sans-serif]Donnerst, 7.Juni 1945 Übernachtung in Poppenreuth in der Schule[/FONT]
    [FONT=Arial, sans-serif]Freitag, 8.Juni 1945 Ankunft in Thiersh. (heim)
    [/FONT][FONT=Arial, sans-serif]Sonntag, 10.Juni 1945 Einzug im Gefangenenlager[/FONT]

    Einige Dinge sind mir nicht auch nach etlichen Recherchen nicht verständlich, weshalb ich um Eure Meinung bitte:
    1. Vom 8. bis 19. Mai haben sich die Flüchtenden, aller Wahrscheinlichkeit nach in Begleitung Deutscher Soldaten (Welche Einheit mag das gewesen sein?9, irgendwo zwischen Prag und Pilsen aufgehalten. Das war zu der Zeit russisches Besatzungsgebiet. Die Amerikaner standen bis Pilsen.
    Was mag der Grund für den recht langen Aufenthalt in diesem Bereich (Wo? Lazarett, Heim d. alten Stab?) gewesen sein?


    2. 8 Tage nach der Kapitulation scheint noch eine Fluchtbewegung gen Westen möglich gewesen zu sein. Mit Militärfahrzeugen mitten durch besetztes Gebiet? ? ? War das möglich?


    3. Bei Pilsen mußten die amerikanischen Linien passiert werden. Von da an ging es (wahrscheinlich ohne die Soldaten) zu Fuß weiter. Haben die Amerikaner die Zivilisten unbehelligt ziehen lassen? Warum?
    Erst viel später, in Oberfranken kamen die Flüchtenden in ein Lager.


    Ich wäre für Eure Meinungen und Tips sehr dankbar.


    Gruß, Pontus

  • Hallo Pontus,


    Interessante Notizen hast du da von deiner Mutter.
    Zu deinem 1. Punkt kann ich Dir leider nicht wirklich etwas sagen.
    Zu Punkt 2 kann ich Dir allerdings, aufgrund eigener Recherchen womöglich ein wenig weiterhelfen (Großvater kam aus dem Sudetenland , Mährisch-Ostrau.
    In den Tagen nach der Kapitulation gab es regelrechte Ströme deutscher Einheiten, die das Sudetengau bzw. das damalige Reichsprotektorat Böhmen und Mähren verließen. Hierbei war es wohl auch nicht unüblich, dass diese auch Zivilpersonen auf Ihren Militärfahrzeugen gen Westen mitnahmen. Es gibt bei Youtube zum Beispiel ein paar Videos mit dem Titel "letzter Tag/letzte Bilder der Wehrmacht" wo man dies gut sehen kann. Hierbei trafen sie auch immer wieder auf US-Einheiten, welche Sie (zumindest sieht es auf den Bildern so aus), relativ unbehelligt weiterziehen ließen. Schau dir die Videos mal an, ich war damals auch erstaunt drüber. Man hat das Gefühl, dass auf beiden Seiten recht gelassene Stimmung herrscht. Von Misstrauen oder sonstigem ist da kaum was zu spüren. Ich meine, ich habe hierzu auch mal einen Bericht oder Ähnliches gelesen, aber weiß leider nicht mehr wo. Könnte aber gut sein, dass du hierzu bei google fündig wirst.


    Wie allerdings die Sowjets mit den Flüchtenden zwischen Prag und Pilsen umgegangen sind, kann ich dir nicht sagen. Bei einer Größe der Kolonnen wie in den Videos zu sehen, kann man davon ausgehen , dass das den Russen nicht unbekannt war.


    Ich hoffe, dir zumindest ein wenig geholfen zu haben.


    Gruß Pasak

  • Moin,


    allgemein bekannt ist, dass, als die Russen sich Tschechien und Prag näherten, die Partisanentätigkeit extrem zunahm.
    Der Rückzug der Deutschen sollte verzögert und bekämpft werden. Partisanen haben Einzelfahrer und kleine Gruppen von Fahrzeugen (Teileinheiten der Wehrmacht), welche sich 'gen Westen bewegten, um sich den Amerikanern oder Engländern zu ergeben, mit Waffengewalt daran gehindert und ihnen die Waffen abgenommen - wenn ihnen nicht auch noch das Leben genommen wurde.
    Es formierten sich dann für den geordneten Rückzug später größere Einheiten, überwiegend noch gut bewaffnet, motorisiert oder pferdebespannt, sowie tw. mit gepanzerten Fahrzeugen (SPW) ausgerüstet.


    Es ist auch dokumentiert, dass sich viele Zivilisten diesen Einheiten anschlossen, bzw. durch diese mitgenommen und beschützt wurden.
    Die Partisanen versuchten zwar diese auch aufzuhalten, wurden aber erfolgreich bekämpft, und man schaffte überwiegend den Durchbruch oder versuchte auf Umwegen das Ziel zu erreichen.


    Auch wurden Kontakte mit den alliierten Truppen hergestellt, um sich in ihrem Bereich in Gefangenschaft zu begeben. Diese erlaubten den Deutschen auch weiterhin die Waffen zum eigenen Schutz und der Zivilisten zu behalten, bis sie in ihren Einflussbereich kamen.


    Wie die Partisanen und die "Kriegsgewinnler" dann mit den in der Tschechei Verbliebenen bzw. gefangenen Deutschen verfuhren, bezeugt ein Dokumentarfilm, der viel Aufsehen erregte.


    MfG UHF51


    EDIT: Siehe hierzu auch:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Prager_Aufstand

  • An Pasak86 und UHF51,
    vielen Dank für Eure Beiträge!!
    Jedes auch noch so kleine Element hilft (früher oder später) das Gesamtbild zu vervollständigen. Dieses ist besonders für die, die nach mir (uns) kommen wichtig. Hinter den nüchternen Fakten der Fluchtnotizen stehen ganz elementare Gefühle, die es zu vermitteln gilt. Auch wenn es aus unserer heutigen Sicht vieleicht nur schwer nachzuvollziehen ist, hat damals sicher die kalte Angst, die Ungewissheit im Nacken gesessen.
    In einer Darstellung im Net habe ich folgende Bemerkung gefunden:
    [FONT=Arial, sans-serif]"Von dem Verbrechen der sog. "wilden" Vertreibung waren besonders die Deutschen im Ostsudetenland, in den Industriebezirken des Nordsudetenlands, in der Iglauer Sprachinsel, in den südmährischen Kreisen und in Brünn betroffen. [/FONT]
    Die Bevölkerung in dem von den Amerikanern besetzten Teil Westböhmens (westlich einer Linie Pilsen- St. Joachimsthal / Plzeň - Jáchymov) blieb davon verschont."
    Das erklärt den längeren Aufenthalt in Zetlisch, wo es wahrscheinlich auch unterstützung der dortigen (Sudetendeutschen) Bevölkerung gab.



    Um so fragwürdiger erscheint mir der erste Teil der Flucht:
    8 !!! Tage haben sich die Soldaten und die Zivilisten irgendwo zwischen Prag und Pilsen aufgehalten. In einer wahrscheinlich unübersichtlichen, chaotischen Situation.
    - Die Kapitulation muß bekannt gewesen sein.
    - Die Furcht vor den Russen war (so meine Mutter) riesengroß.
    - Wie sind diese eigentlich vorgerückt?



    Als Demakationslinie auf einer Karte (Volksbund Deutsche Kriegsgräberf.) ist mit Datum 12.5.45 die oben genannte Linie eingezeichnet.



    Vielleicht gibt es ja noch weitere Meinungen und Erfahrungsberichte.



    Freundliche Grüsse



    Pontus




  • Hallo Pontus


    Für diese Zeit gibt es eine Unmenge Literatur.
    Ich empfehle "Geheimkommandos des zweiten Weltkrieges (Brockdorf)".
    Im Kapitel XXIII "Getarnt in die Freiheit" ist die Fluchtsituation drastisch geschildert.


    Die Formulierung "8 Tage irgendwo zwischen Prag und Pilsen aufgehalten" sagt eigentlich genug über die Verhältnisse und Unwägbarkeiten in den Tagen.
    Zumal keiner wusste, wie weit gehen die Amis, wie weit gehen die Russen? Halten sie sich an die Abmachungen?


    Ich habe dazu 2 Karten auf dem PC, aber keine Quellenangaben. Falls Interesse, bitte PN


    Gruß


    legit

    Quäle nie ein Gewehr zum Scherz, denn es könnte geladen sein!

  • Hallo Pontus
    Du hast geschrieben das deine Mutter Sekräterin beim Generalkommando war. Weist du weklches ?
    Gruß Ulf

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    Ich suche Bildmaterial, Dokumente und sonstige Informationen über ausländische Orden und Ehrenzeichen die an Deutsche verliehen wurden. Zum Zweck der Aufarbeitung und der Dokumentation.
    Vielen Dank

  • Hallo Ulf,
    in ihren Unterlagen steht nur Generalkommando Prag. Dort war sie seit dem 1.6.1944 bis zur Flucht am 7.5.45
    Gab es denn zu dieser Zeit mehrere GK's dort?


    Gruß, Pontus

  • Hallo Pontus
    Ja davon ist auszugehen, durch die Rückführungen von Armeekorps sowie auch Korps der Luftwaffe aus dem Südostraum sind entweder dort welche stationiert gewesen oder lagen dort kurzzeitig. Auf die schnelle habe ich z.B. das I. Flakkorps gefunden.
    Gruß Ulf


    Quelle: http://www.lexikon-der-wehrmac…/Flakkorps/Flakkorps1.htm

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    Ich suche Bildmaterial, Dokumente und sonstige Informationen über ausländische Orden und Ehrenzeichen die an Deutsche verliehen wurden. Zum Zweck der Aufarbeitung und der Dokumentation.
    Vielen Dank