1. Teil
Trotz allem feierten wir Weihnachten
Als vor Moskau der Rückzug geübt wurde
Die Kämpfe an der Protwa nahmen von Tag zu Tag an Heftigkeit zu. Mitte Dezember 1941 begann die Krise für die 260. ID. Im Brückenkopf Kremenki trafen sich ein Unteroffizier des Infanterie Regiment 470 und ein russischer Soldat im Niemandsland. Nur 30m. waren die Schützengräben in dieser Waldstellung voneinander entfernt. Der Russe warnte uns wir seien eingekreist und wir sollten uns ergeben. Unser Kamerad entgegnete ihm, dass die Russen in Moskau eingeschlossen werden und Guderian mit seinen Panzertruppen bereits über Tula vorstößt. Doch der Russe war besser Orientiert als wir. Am 15. Dezember zogen den ganzen Tag in westlicher Richtung eigene Truppen durch das Standquartier des Division- Nachsubführers der 260. ID. in Nedelnoje. Erst waren es Teile der 137. ID. dann der 263. ID. Infanterie, Artillerie und unendliche Fahrkolonnen.
Müde und verfroren schoben sich Mensch und Tier über die eisglatten Straßen. Wind uns Schneegestöber pfiffen durch ihre Reihen. Ein ungewohnter Anblick. Warum dieser Rückzug fragten sich die Soldaten des DINAFU?
Im Frieden hatten wir alle Gefechtsarten geübt, ausgenommen den Rückzug. Am 16. Dezember begannen wir unser Winterquartier herzurichten. Die Nachsubeinheiten hatten Holz und Bretter herbeigeschafft und 30 Zentner Kartoffeln eingelagert. Unser Chor begann Weihnachtslieder einzuüben. Da wurden der DINAFU und sein Adjutant zum I b der Division befohlen. In dem Rückzugsbefehl war die Verlegung der Divisionsnachschubtruppen nach Kaluga vorgesehen, außerdem wurde das wegtreiben von Vieh und Pferden, sowie das Abbrennen von Ortschaften gefordert. Am 17. Dezember früh 5°° Uhr kam die Überraschung. Der Befehl über die Verlegung wurde abgeändert und das halten von Nedelnoje gefordert. Uns allen aber schien der rasche Wechsel der Befehle seltsam. Ob die Unsicherheit der Lager daran schult war? An der Front hatte der Divisonskommandeur alle Regimentkommandeure und Adjutanten zu sich befohlen und ihnen verkündet, dass wir nun Rückzug üben sollten. Um die Mittagszeit erschien ein Russischer Bomber und warf seine Bomben in unser Dorf.
Trotz allem stieg abends die erste Probe unseres Weihnachtchores.
50—fache Übermacht des Feindes
Auf unserer Straße in Nedelnoje herrschte ein toller Betrieb. Unaufhörlich zogen Truppen an die Front und kamen von der Front zurück. Die Quartiermeisterabteilung, Teile des Feldpostamtes und die mot. Teile der Veterinärkompanie trafen zu uns. Der 19. Dezember war ein schwarzer Tag für das XIII. Korps. Rechts bei der 52. ID. war dem Russen der Durchbruch gelungen. Unsere Regimenter 460, 470, und 480 mussten befehlsgemäß den Brückenkopf Kremenki räumen und verteidigen im hinhaltenden Widerstand bereits die 2. Widerstandslinie beiderseits Radenki. Unsere Infanterie war Zahlenmäßig zusammen geschrumpft, körperlich geschwächt, durchgefroren und abgekämpft, während uns der Russe immer neue, frische ausgeruhte Truppen mit Panzern entgegenwarf. Nun rächte sich die Propagandaparole der Heimat, die anfangs Oktober verkündete, dass der Kampf im Osten bereits entschieden und infolgedessen die Ersatzteillieferung nach dem Osten abgeschlossen sei.
Über die Lage hörten wir alarmierende Gerüchte. Aus Kaluga meldete der 1. Werkstattzug, dass die Russen am 21. Dezember bis Kaluga durchgebrochen waren und es eine wilde Schiesserei geben hatte. Die Straße nach Worotynsk wurde gesperrt, da der Russe sie mit Granatwerfen von Südenufer der Oka ständig überwachte. Im Bereich unseres XIII. AK. war die Lage noch ungeklärter, obwohl wir pro Regiment etwa 150 Mann Ersatz bekamen, zum Teil ohne Gewehr, und obwohl 1200 Mann der SS eingesetzt wurden. Außerdem erhielt jedes Regiment zwei Sturmgeschütze als Retter in der Not. Doch der Russe griff unaufhörlich mit 50-facher Übermacht an und seine Infanterie folgte rudelweise den Panzern vom T34, gegen die unsere Pak Geschütze nichts ausrichten konnten. Umso besser bewährten sich die Sturmgeschütze, von dem die zwei des Regiments 470 in knapp einer Viertelstunde alleine 12 bei Radenki durchgebrochene Panzer Kampfunfähig machten.
Die Russen waren alle gut für den Winterkrieg gerüstet mit weißen Tarnhemden und gut gefütterten, wattierten Uniformen, während bei uns aber auch alles für den Winterkampf fehlte, angefangen bei den Schneeketten, Glysantin für die Kraftfahrzeuge, und vor allem Wintermäntel, Schneehemden und Ski für unsere Infanterie. In wenigen Tagen mussten wir uns auf Schlitten umstellen, da unsere Fahrzeuge der winterlichen russischen Kälte von minus 20 Grad bis minus 50 Grad Celsius und dem 1m hohen Schnee nicht gewachsen waren. Hunderte von Fahrzeugen lagen in den Gräben der Rollbahn und die Kolonnen saßen auf der Straße fest, weil ihnen der Betriebsstoff fehlte oder die Motoren nicht mehr ansprangen. Schwere Flak und Artillerie Geschütz mussten gesprengt werden, weil sie nicht mehr beweglich waren.
Kameradenhilfswerk der
260. Infanterie- Division
Mit freundlichen Grüßen
Karlheinz