260. Infanterie-Division

  • 2. Teil


    Darauf ritt er um 23°°Uhr selbst eine Spähtrupp, um Weg und Gelände für den Angriff bis zum Druth zu erkunden. Kurz nach seiner Rückkehr lies er antreten und ging mit mir voraus.
    Sein Vorhaben wurde jedoch durch anrollende Teile der 25. PGD. gestört. In diesem Augenblick kam Generalmajor Klammt mit Oberstleutnant von Tresckow und Oberst Fricker herangefahren. Diesem war es inzwischen gelungen, mit Generalleutnant Trauth (78) und Major Ostermeier sich weiter zu uns durchzuschlagen. Er hatte dabei Teile seiner Division nachgebracht.
    Man fuhr weiter, um mit der 25.PGD.Verbindung aufzunehmen. Bei Anfahrt an ein Dorf wurden wir durch Maschinengewehre aus nächster Nähe aus dem Wagen geschossen. Während Oberstleutnant von Tresckow und ich unter heftigen Beschuss in einer Sumpfniederung festgehalten wurden, gelang es dem Fahrer, zu wenden und General Klammt mit dem Obersten Bracher und Friker bei einem Getreidefeld aufzunehmen und zurückzufahren.
    Später wurde der Reiterzug unter Oberleutnant Jäckel losgeschickt um uns zu suchen. Er wurde aber durch MG. Feuer ebenso zurück getrieben und stobt an uns vorbei. Es gelang aber mit einigen Reitern die im Sumpf nicht weiter gekommen waren, und im Nebel durchzuschlagen.
    Am 29. Juni führte das Regiment Bracher planmäßig den Angriff über den Druth hinweg. Die Division kam jedoch nicht weiter, weil die Brücke erst neu gebaut werden musste, die meines Wissens auch von deutschen Einheiten abgebrochen worden war. (110. ID.)
    Nachmittags schien die Lage sehr aussichtslos. General Klammt meinte wir müssten uns darauf einrichten, wie Partisanen zu Leben und zu kämpfen. Wir waren wohl etwas südlich Kugloie (?), das bereits Russisch war. Das Regiment Bracher hatte auf dem Westufer mit eigener Kavallerie Fühlung aufgenommen, die aber gegen Abend wieder verloren ging. Oberst Fricker wurde an diesem Tag durch Granatsplitter am Kopf verwundetet.
    Ich selbst erhielt nun volle Bewegungsfreiheit. Meinen Wagen hatte ich mit Stabszahlmeister Dietz dem Regiment Bracher überlassen, ebenso meine Karte. Durch die Verzögerung des Brückenbaus entstanden sehr große Ansammlungen.
    Als um 19°°Uhr die Infanterie mit der Masse der Gefechtstrosse die Brücke überschritt, konnten die Verkehrsregler bei den folgenden motorisierten Kolonnen kaum durchgreifen. Die Ib Staffel mit ihren Fahrzeugen sollte erst nach Teilen der Artillerie kommen und konnte frühestens gegen 3°°Uhr an der Brücke sein.
    Major Ostermeier sah ich bei dieser Gelegenheit zum letzten Mal als Verkehrsregler an der Brücke. Besonders Leutnant Rüpel und Kriegsgerichtsrat Jansen hatten eine sehr schwere Aufgabe angesichts des unvorstellbaren, wahnsinnigen Durcheinanders bei diesem Flussübergang.
    Um 24°°Uhr ungefähr ging ich zu Fuß über die Brücke und erreichte schließlich die Führungsstaffel. Nach einer Kommandeur Besprechung im Morgengrauen erhielt ich von General Klammt am 30. Juni den Auftrag, einen den noch vorhandene Personenwagen zu nehmen und zu versuchen, mit dem angreifenden Regiment durchzustoßen, von der vor uns marschierenden Division für die am meisten engesetzten Kampfgruppe Brot zu erbitten, irgendwie eine Kolonne zu organisieren und von einem Versorgungsstützpunkt an der Bresina für die Division das nötigste heran zu fahren.
    Jeder Halt der Division gab den sowjetischen Fliegern beste Gelegenheit, die Parkenten Wagen zusammen zu schießen, war doch auf einer schmalen „Wald und Wiesen Straße“ alles zusammengedrängt, was zum Korps gehört und sonst mit durchzukommen suchte, Das schlimmste war das nicht nur mehrere Divisionen eines Korps, sondern Teile mehrerer Korps die sogar verschiedenen Armeen angehörten, in den Marschweg der Division gedrängt worden waren.
    GR. 460. und Regiment „List“ waren meist an der Spitze. GR.470 bildete die Nachhut.

    Kameradenhilfswerk der
    260. Infanterie- Division

    Mit freundlichen Grüßen

    Karlheinz

  • Befehl: die Division muss versorgt werden!



    Die Division wurde vom 27. Juni bis 2. Juli notdürftig versorgt, doch war Angesichts der großen Wagenausfälle fast nichts mehr vorhanden. Ich selbst erhielt ab 28. Juni täglich 1 bis 2 Scheiben Brot. Die Feldküchen kamen nicht zum Kochen, erreichten die Truppe nicht oder vielen aus.
    Ich versuchte zunächst, das GR. 460 wieder zu erreichen. Dabei stieß ich auf Hauptmann Eschhofen, dessen Fahrschwadron schon als verloren galt. Ich konnte ihn über die Lage orientieren. Er beschloss nun, fast alle Wagen stehen zu lassen und seine Leute auf die Pferde zu setzten. Hauptmann Michel und Oberleutnant Zimmermann die bei ihm waren, habe ich mit einem Teil der Einheit bei Grodno getroffen. Sie haben sich tatsächlich auf diese Weise durchschlagen können.
    Ich hatte vorübergehend den Gedanken als wollte man mir mit dem Auftrag eine Gelegenheit geben, durchzukommen. Wie schwierig und wie aussichtslos eine solche Fahrt in jener Lage war, konnte ich erst viel später überblicken. Ich ritt daher noch einmal zu General Klammt zurück. Auf meine Erklärung das ich nach der Lage kaum damit rechnen könne, wieder zur Division zurück zu kommen, mich daher nicht in Sicherheit bringen sondern bleiben möchte, erklärten mir der General und der Ia, das der Versuch mit den ersten Leuten durchzubrechen an sich gefährlich sei, das ich mir aber das größte Verdienst um die Division erwerben könnte, wenn es mir gelänge pro Kopf der eingesetzten Infanteristen wenigsten ein halbes Brot zu beschaffen. Ich erbad, dann einen schriftlichen Befehl denn ich auch dann erhielt.
    Inzwischen hatte sich die Angriffsrichtung von GR. 460 auf das Regiment „List“ verlagert. Dort musste ich wegen Stalinorgelbeschuss den Wagen (mit Stabszahlmeister Dietz) beim Regimentsarzt zurücklassen. Ich lief den Angriff mit Oberst König, der mit ausortendlicher Energie, Umsicht und Schwung führte, immer die Stelle voraussah, wo durchzukommen war und das Regiment je nach Lage hin und her zu werfen verstand.
    Es war zunächst Stundenlang wie bei einem „Schulangriff“ auf weitere und mittlere Entfernung, dazwischen kurzes hinwerfen und Vorwärts gehen. Als sich endlich an der rechten Flanke eine Durchbruchsmöglichkeit ergab, packte Oberst König alles was er traf zusammen, setzte sich in Flakkübel und riss alles mit, vom Radfahrer bis zum Sturmgeschütz. Auch Oberstleutnant Strohm tauchte auf und fuhr in seinem Schwimmwagen neben her. Es folgte nun ein gegenseitiges Überholen durch den Russen ohne Zögern und Zaudern, bis wir mittags einen Fluss erreichten.
    Wieder war die Brücke durch vor uns marschierende Divisionen abgebrochen worden. Im nachkommenden Schwimmwagen fuhren wir durch, am jenseitigen Ufer lag noch ein Bataillon der 110.ID. zur Sicherung. Die Verbindungsaufnahme mit dieser Division ergab jedoch, dass sie selbst unzureichend versorgt war und für uns nichts abgeben konnte. Doch schien der Weg zur Bresina frei. Dort glaube man, wieder endgültig in Stellung gehen zu können. Gegen Abend trafen unsere Divisionen mit Masse und vor allem auch die Führungsstaffel ein. Mein Wagen mit Stabszahlmeister Dietz kam erst im Dunkelwerden durch, so dass ich selbst nichts weiter Untenehmen konnte. Der General war damit einverstanden, das ich im Morgengrauen versuchen wollte, irgendein Versorgungslager zu erreichen.
    Aus einem Einsatzbericht geschrieben im Herbst 1944 von Oberintendanturrat Dr. Dorfmüller, damals IVa – 260. ID.

    Kameradenhilfswerk der
    260. Infanterie- Division

    Mit freundlichen Grüßen

    Karlheinz

  • 1.Teil


    In Weißruthenien geblieben



    Der Untergang der „Hörnle“ Division im Sommer 1944



    Die große Sowjetoffensive am 22.Juni 1944 gegen die Heersgruppe Mitte hatte sehr bald auch unsere Division in ihren Strudel gezogen. In den letzten Tagen des Junis hielten die Kampfgruppen der Regimenter noch zusammen und versuchten sich in verzweifelten Angriff durch die „rote Flut“ nach Westen durchzukämpfen. Wir hofften um diese Zeit sogar noch, an der Bresina wieder eine neue Front aufbauen zu können. Ich erhielt den Auftrag mich persönlich um die Beschaffung weiterer Versorgungen für die Division zu kümmern.
    Nach Mitternacht des 30. Juni 1944 weckten mich Oberst Bracher und Oberst Fricker der trotz seiner erheblichen Verwundung unermüdlich blieb. Ich führte sie zum Ia der vor Erschöpfung so fest schlief, das er lange Zeit nicht Wach zu bekommen war. Der Russe hatte die Straße nicht nur vermint und durch Partisanen bedroht, sondern hatte uns wieder regelrecht eingekesselt. Es musste wieder alles auf Angriff umgestellt werden.
    Ich fuhr gleich hinter den erste Infanterieteilen um 3°°Uhr morgens ab, stieg aber bald aus und lies dem Fahrer meine Maschinenpistole. Ich riet ihm hinter den Nachkommenden Wagens des Divisionskommandeurs zu fahren. Stabszahlmeister Dietz schlug ich vor, sich ebenfalls vom Wagen frei zu machen. Er zögerte. Darauf erklärte ich beiden, dass sie keinesfalls auf mich warten oder Rücksicht nehmen sollten.
    Da vor mir eine wilde Schießerei zu hören war, ging ich den Gefechtslärm nach und erreicht Oberst Fricker. Wir trafen dann auf einen Schwimmwagen und suchten mit ihm eine Lücke im Russen, fanden sie auch und holten die Division nach. Leider gab es wieder einen Halt. An sich hatte das Regiment List an diesem Tag die Nachhut. Diese Aufgabe musste aber dann durch Regiment 470 übernommen werden.
    Gegen Mittag konnte ich an einem See Trinkwasser bereitstellen und sämtliche Feldküchen, auch die der Nachhuten, auffüllen lassen. Die zurückgehenden Leute fasten später im Vorbeigehen Essen und löffelten während des marschieren ihren Grützbrei. Dazwischen versuchte ich im Auftrag des Divisions – Kommandeurs sämtliche noch vorhandenen Lastwagen zum Abtransport der Nachhut aufzufangen. Kaum begonnen war der Befehl bereits überholt.
    Schon am Vortag waren alle Fahrzeuge mit Schäden und geringem Brennstoff gesprengt worden. Einen großen Teil der Wagen wurde am 29. Juni abends das noch vorhandene Benzin abgenommen und an Sturmgeschütze gegeben. Durch die Luft versorgt wurde nur eine Flak Einheit (Lemprecht) mit Selbst – Fahrlafetten, die schließlich durchkamen. Sämtliche noch vorhandenen Fahrzeuge waren mit Verwundeten Überladen, die Tagelang ohne Versorgung blieben.
    Gegen Mittag war ich bei der Pak – Sicherung, die das Abrücken zu Sichern hatte. Mit Ihr fuhr ich später zurück. Am späten Nachmittag gingen beide Pak erneut in Stellung mit dem Auftrag, bis zur letzten Granate zu kämpfen.
    Fast sämtlich Kommandeure die wir inzwischen überholt hatten, kamen nun nochmals vorbei so Oberst Bracher zu Pferd, Oberst Fricker, Oberstleutnant Strohm in seinem Schwimmwagen und Major Nädele in einem Wagen der 78. Division. Strohm erzählt mir das sein Regiment die schwersten Waldkämpfe die er je erlebt habe, am Vormittag in äußerster Erbitterung durchzukämpfen hatte, mit dreizehn Gegenstößen nach Osten und drei Durchbrüche nach Westen. Dadurch wurde wie der General anerkannte, nochmals das Korps gerettet.
    Strohm hatte Stabszahlmeister Dietz und Oberleutnant Bilger beritten gemacht. Er bot auch mir einen Platz an, ich wollte aber bei den Panzerjägern bleiben, die von Hauptmann Müller geführt wurden.
    Gesprächsweise hörte ich dass Major Vincon so Verwundet sei das er nicht mehr reiten könne, ferner sein Hauptmann Kannenberger und Hauptmann Gery schwer verwundetet. Es gelang mir einige Kameraden des Stabes darunter Oberleutnant Hornberger, die vollkommen erschöpft ankamen, auf Fahrzeugen unterzubringen. Vincon und Hornberger sind Mitte August im völlig erschöpften Zustand zu den deutschen Sicherungslinien durchgekommen!
    Gegen Abend tauchten einige Nebelwerfer auf, die uns ablösen sollten. Wir wurden in Marsch gesetzt. Vorher traf ich Oberst König und seinen Adjutanten. Ich war erschüttert als er mir Achselzuckend sagte: Ich weis nicht wo mein Regiment ist. Im Dämmern kamen wir kurz vor der Bresina in ein Dorf, in dem ich Oberst Bracher stehen sah, der mir zuwinkte: Hier sammle ich mein Regiment! Oberst Fricker war bei ihm. Ich fuhr zunächst weiter. Krieggerichtsrat Jansen hatten wir inzwischen auch getroffen und mitgenommen.
    Im Dunkel waren die Marschstraßen und sämtliche Plätze derart verstopft, das der Wagen stehen bleiben musste. Ich machte mich dann mit Dr. Jansen auf, um den Weg zur Bresina zu erkunden. Da ich wusste das der General gegen Abend das Westlich Ufer erreicht haben wollte, und durchgegeben wurde, die ganze Division müsse in der Nacht übersetzten, gingen wir weiter. Jansen bleibt schließlich bei einer Feldküche.
    Ich ging zu Fuß weiter, traf auf einen Teil des Reiterzuges 460, erhielt ein Handpferd und erreichte mit dem Trupp am 2. Juli morgens gegen 3°°Uhr die Bresina. Ich traf dort Oberstabsarzt Hengstmann, mit dem ich im morgengrauen die Bresina überschritt. Der Übergang war an sich gut organisiert. Trotzdem war alles derart verstopft, das Fahrzeuge Tagelang gestanden haben sollen.
    Die Brücke lag etwa acht Kilometer nördlich Bresino. Der Gefechtsstand von Major Braun befand sich bereits auf dem Westufer. Er selbst und der zum Ordnungsdienst voraus befohlene Major Vogt waren nicht zu finden. Ich suchte auch General Klammt vergeblich bei der Korpsführungsstaffel, traf aber später Oberstabsarzt Hengstmann bei Teilen der zweiten San – Kompanie und des KR.— KW—Zuges wieder.
    Hatten wir bisher geglaubt an der Bresina eine feste Stellung beziehen zu können, so musst jetzt alles weitermarschieren. Da ich beim Korps, hörte in Tscherwen befand sich ein Armeelager, besprach ich mit Oberstabsarzt Hengstmann die vorhandenen etwa fünf Lastwagen und drei Sankas dort mit Verwundeten dort hin zu führen, um sie mit Verpflegung und Munition wieder zurück zu bringen.
    Inzwischen kam ein Befehl dass alle Fahrzeuge die die Brücke noch nicht Überschritten hätten, auf dem Ostufer der Bresina zurückgelassen werden mussten. Oberst Friker war auch völlig Erschöpft eingetroffen. Er konnte kaum mehr sprechen und bat mich, den Ia zu verständigen, das er ihn sehen müsse. Friker wurde darauf in einen Sanitätswagen gelegt. Ich selbst suchte weiter, traf zwar den Ia nicht, aber den Adjutanten von Major Braun. Durch ihn lies ich den Ia verständigen. Die Abfahrt drängte ich kam gerade noch zurecht.
    Kaum waren wir Unterwegs, als wieder Kampflärm zu hören war. Oberst Friker war wieder zu sich gekommen und sprang mit seinem ebenfalls verwundeten Adjutanten, Obersleutnant Böhm ab. Es fiel mir in dem Augenblick sehr schwer, nicht das gleich zu tun. Ich wusste aber wie dringen Notwendig die Versorgung der Division war, und hatte den Schriftlichen Befehl auszuführen.
    Kurz darauf kam uns Oberstleutnant von Tresckow entgegen gefahren. Als ich ihm zuwinkte hielt er und fragte, ob ich ihm nicht Benzin geben könnte, er habe für sich und General Klammt nur noch 15 Liter. Ich verwies ihn an Oberstabsarzt Hengstmann und Oberleutnant Kugelmeister, die an der Spitze fuhren, während ich am Schluss blieb. Tresckow rief mir zu die Division brauche unter allen Umständen Verpflegung, ich soll tun was ich könne.
    Es begann nun eine ununterbrochene Fahrt mitten durch den Russen hindurch. Nach kurzer zeit mussten wir ausweichen, immer wieder stießen wir auf haltende und sich durchkämpfende Einheiten. Vor Tscherwen mussten wir nach Norden ausbiegen, weil es bereits russisch war. In der Nacht zum 3. Juli standen wir vor einer zerstörten Brücke auf der Straße von Mogilew her kurz vor Minsk, in der Nähe der Flak – Gruppe Lamprecht. Wir wurden um Minsk herumgeleitet. Mit einem Lastwagen wollt ich zusammen mir Oberstabarzt Liedtke, in die Stadt hinein fahren und das Erforderlich zu erkunden.
    Als ich eine Ausflaggung des Oberquartiermeisters sah sprang ich ab, ließ Lidke alleine weiterfahren, nahm ein Vorbeikommendes Handpferd und ritt los. Nach drei Kilometern sah ich jedoch, dass der Q.QU längst abgezogen sein musste. Ich ritt durch Russen wieder zurück und gelangte durch Aufspringen auf Wagen wieder zur Kolonne.
    Inzwischen war auch Minsk bereits russisch. Wir mussten uns weiter durchschlagen, bei laufendem Tieffliegerangriff. Zunächst wurde versucht nach Stolbzy durchzukommen, auch das war russisch. Nun ging es wieder nach Norden und dann wieder nach Westen.
    Zweimal gelang es mir, für die Verwundeten mit der Feldküche aus Kartoffeln und Fleisch eine Suppe herstellen zu lasen. Mit viel Glück konnte wir dabei wieder Nachkommen. Die schweren Wagen der motorisierten Einheiten drückten uns immer wieder rücksichtslos zur Seite.



    Kameradenhilfswerk der
    260. Infanterie- Division

    Mit freundlichen Grüßen

    Karlheinz

  • 2. Teil
    Nach Instinkt gefahren.

    Den genauen Verlauf des Fahrweges konnte ich nicht feststellen, meine Karten hatte ich am 28. Juni Oberst Bracher gegeben. Oberstabsarzt Hengstmann der eine Karte hatte, sah ich kaum. Zudem waren wir so erschöpft, das wir uns die Namen im Vorbeifahren kaum merken konnten. Man fuhr nach Instinkt und richtete sich nach dem Gefechtslärm. Wir mussten uns durchschnittlich dreimal Täglich durch die Russen boxen, und drei schwere Fliegerangriffe überstehen.
    Am 6. Juli zogen wir bei Jeremice über den Njemen. Wir mussten nochmals vor den Russen ausweichen. Dann trafen wir auf die deutsche Sicherungslinie und kamen mittags nach Neu – Grodek. Als ich dort einen Führungswagen mit der Korpsflagge sah, sprang ich ab und meldete mich bei General Weidling, der mich sehr herzlich aufnahm. Er stellte gerade einen Sperrverband zusammen, und berichtete dass er durch die Abkommandierung davongekommen sei, während sein Stab bis auf Major Nagel, der bei ihm war so ziemlich aufgerieben sei.
    Ich wollte nun unter allen Umständen eine Luftversorgung der Division sicherstellen. Der General nahm mich in seinem Kübel zu Armeeintendant 4 nach Linda mit. Man empfing mich wie einen Todgeglaubten, wollte aber nicht recht glauben dass es noch einen Sinn habe, für die Division etwas zu unternehmen. Doch versprach man mir noch für den Abend, dann für den Morgen einen „Storch“ um bei der Heeresgruppe eine Luftversorgung sicherzustellen.
    Der Quartiermeister des XXVII. AK. hielt eine derartige Versorgung nicht mehr für durchführbar, weil eine Funkverbindung fehlte. Der Armeeintendant sagte mir dann aber, das die Luftversorgung des XXVII. AK. angeordnet werde. Am 7.Juli morgens wurde ich auf eine „Ju“ um 10°°Uhr vertröstet. Als diese nicht kam versuchte ich mein Glück beim Jagdgeschwader Mölders, vergeblich. Man erklärte auf die große Entfernung nicht Erkundung fliegen zu können.
    Überall stieß ich auf Ablehnung. Ich bot mehrfach an mich zur Verbindungsaufnahme mit einem Funkgerät wieder einfliegen zu lassen. Schließlich war ich empört, beschämt und verzweifelt. Ich hatte vorher keinen Augenblick gezweifelt, das --- wie bei den Russen die Partisanen --- unsere Division die mit ihren hervorragenden Kommandeuren und tapferen Soldaten sich bis zuletzt hervorragend geschlagen hatten, durch Flugzeuge versorgt werden könnten. Dazu kam die Erkenntnis sich als Beamter nicht so durchsetzen zu können, wie etwa ein Generalstabsoffizier, dem alle Mittel und Wege zur Verfügung stehen.



    Empört und Verzweifelt

    Am 8. Juli kam ich zum Iva der Heeresgruppe in Truskienici. Dort hielt man es für ausgeschlossen das die Division noch existierte sagte aber zu, mit der Luftwaffe eine Versorgung nochmals zu prüfen. Nach einem eingetroffenen Funkspruch XXVII. AK: vom 7. Juli sollte ein Durchbruch ostwärts Tscherwen gescheitert sein. Um diese Zeit hieß es auch General Völkers, der Kommandierente sei gefangen. Das gleiche wurde über Generalleutnant Traut bekannt.
    Ich wurde zunächst mit dem Einsatz unserer durchgekommenen Bäckerei – Kompanie beauftragt, um die Brotversorgung sicher zu stellen. Dann traf ich am 10.Juli die Reste unserer Versorgungseinheit, die ebenfalls sehr zerrupft waren. Die Bäckerei Kompanie besaß noch zwei Backanhänger und zwei Teigknetmaschinen. Die Einheiten waren zunächst in Borissow für eine andere Kampfgruppe eingesetzt worden mit der Begründung die 260. Division würde nunmehr durch die Luft versorgt. Später kamen sie nach Minsk. Ein Teil der Fahrzeuge war schon kurz hinter Staroselje liegen geblieben. Aus Minsk wurde die Einheit dann zu spät in Marsch gesetzt und verloren schließlich den größten Teil des Gerätes.
    Am 11. Juli wurde ich zur Verfügung der Heeresgruppe gestellt. Von unserer Division waren bis dahin etwa 600 Mann durchgekommen, darunter Hauptmann Möhrle und eine teil der Veterinär Kompanie, die sich nach Westen in Marsch setzten als der Russe Staroselje angriff. --- Endlich erfuhr ich dass General Klammt mit seinem Stab gefangen sei. Das Ende unserer Division war besiegelt.

    Aus einem Einsatzbericht geschrieben im Herbst 1944 von OberintendanturratDr.Dorfmüller, damals Iva – 260. ID.

    Kameradenhilfswerk der
    260. Infanterie- Division

    Mit freundlichen Grüßen

    Karlheinz

  • Einer entkam dem Untergang



    Bei der IV./AR.260 im Sommer 1944



    Im Frühsommer 1944 wurde der IV./AR.260 vier französische Beutegeschütze zugeführt. Als Angehöriger der 11. Batterie wurde ich mit anderen Kameraden der Abteilung zu Bedienung dieser Geschütze abkommandiert. Auf dem Rückmarsch Ende Juni 1944, kurz vor dem Übergang über die Bresina tauchten plötzlich fünfzehn sowjetische Panzer vor uns auf.
    Da wir keine französische Munition mehr besaßen, wäre es Sinnlos gewesen, die Geschütze Feuerbereit zu machen. Außerdem standen uns nicht einmal Maschinengewehre zur Verfügung, nur Karabiner mit denen wir gegen die Panzer nichts hätten ausrichten können. Wir versuchten deshalb, die Pferde auszuspannen und unter Zurücklassung der Geschütze den nächsten Wald zu erreichen.
    Der Feuerzauber der Panzer war jedoch derart stark, das nach dem erreichen des Waldes nur noch mein ebenfalls von der Elften abgestellter Kamerad Hans Franke aus Zwickau bei mir war, außer einigen herrenlosen Pferden war sonst nichts mehr zu sehen. Wir schnappten uns Pferde saßen auf und ritten in den Wald hinein. In der Nähe einer Rollbahn stießen wir endlich wieder auf deutsche Soldaten, denen wir uns anschlossen. Nach Abgabe der Pferde ging es zunächst mit LKW weiter zurück. Doch schließlich blieb nur noch der Fußmarsch, da unser Wagen auf eine Mine gefahren war.
    Während des Marsches tauchte plötzlich ein Oberst mit Ritterkreuz auf: Ein Weitermarsch sei unmöglich, weil die Wälder vor uns mit Partisanen besetzt seien. Er empfahl einen Umweg über ein seitlich wenige Kilometer entfernten Dorf. In dessen Nähe wurden wir an einem sumpfigen Bach plötzlich aus den Roggenfeldern heraus mit MG und Karabiner beschossen.
    Hans und ich wateten gerade durch den Bach, als das Feuer einsetzte. Ich suchte Deckung und es gelang mir, zu entkommen. Von Hans und den anderen Landseren habe ich nie mehr etwas gesehen oder gehört. Später erfuhr ich das der Oberst ein gut deutsch sprechender Russe oder ein Überläufer gewesen sei: Auch andere Gruppen waren in das Partisanen –Nest gelockt und teilweise vernichtet worden.
    Nach tagelangen mühsamen und entbehrungsreichen Märschen erreichte ich die deutsche Linie. Im August landete ich dann bei einer neu aufgestellten Batterie auf dem Heuberg, die bald nach Lidauen verladen wurde. Von dort ging es in Etappen zurück nach Ostpreußen, wo wir in den harten Kämpfen abermals unsere Geschütze verloren. In den ersten Maitagen 1945 gelang es mir schließlich, auf der Halbinsel Hela ein Schiff die Sachsenwald zu erwischen, auf dem ich zusammen mit tausenden von Flüchtlingen und Soldaten nach Kopenhagen gelangte. Nach einigen Monaten in Englischer Gefangenschaft in Schleswig – Holstein wurde ich im September in meine Schwäbische Heimat entlassen.

    Hermann Pfarr

    Kameradenhilfswerk der
    260. Infanterie- Division

    Mit freundlichen Grüßen

    Karlheinz

  • Der letzte Kampf der 260. ID.



    Am 2. Juli 1944 heute vor 11 ¼ Jahren ergab die letzte improvisierte Zählung der 260. ID. in einem Dorf westlich der Bresina noch etwa 2000 Mann, d. h. 75 Prozent waren bereits ausgefallen. Wenige Tage später erfolgte der letzte verzweifelte Durchbruch Versuch aus dem 5.Kessel, der nur noch Teilen der Division gelangte. Fast 95 % unseres stolzen Grenadier Regiments sind in den ersten Julitagen in dem Kessel von Minsk gefallen, vermisst, verwundetet, in Gefangenschaft geraten und später verschollen. Am 9. Juli geriet der letzte Div. Kdr. General Klamt, sein Ia, Oberstleutnant von Tresckow, die beiden noch in russische Gefangenschaft sind (sie sind zu unserer großen Freude zurückgekehrt. – D.Red.), zusammen mit den 3 letzten Regimentskommandeuren Oberst Dr. Bracher (460), Oberst Strohm (470) Oberst Dr. Friker und 60 Offizieren, hunderten von Unteroffiziere und Mannschaften in Gefangenschaft. Auf den Märschen in die Gefangenenlager spielten sich erschütternde Tragödien ab. Unzählbar ist die Schar unserer Divisionsangehörigen, die an Schwäche, Ruhr oder infolge ihrer Verwundungen zusammenbrachen und von den russischen Wachmannschaften rücksichtslos erschossen wurden. Auf Grund dieser Schilderung werden sie wohl verstehen, warum wir von den vielen unserer Gefallenen, Vermissten, und Verschollenen, die in Weisrussland, in der Ukraine oder sonst wo in Russland ruhen, weder etwas über ihr Ende noch etwas über die Lage ihres Grabes wissen.

    Das bittere Ende

    Unser tapferes Regiment, auf das wir alle stolz sein dürfen und das in Russland so schwer auch hat bluten müssen, hat seinen Mann bis zum bitteren Ende gestellt. Als im 5.Keesel von Minsk der Befehl zum Durchschlagen in kleinen Gruppen gegeben wurde, gelang es unseren tapferen Bataillonskommandeur Major Vincon eine Kampfgruppe aus 780 Mann einschließlich 10 Offizieren aus den verschiedenen Einheiten der Division zu bilden und am 7. Juli abends auszubrechen. In der dunklen Nacht und in dem Wald verliefen sich jedoch einige kleinere Kampfgruppen und erreichten ihr befohlenes Ziel nicht. Trotz längeren Wartens kamen sie nicht mehr. In der darauf folgenden Nacht wurde die Kampfgruppe Vincon erneut eingeschlossen und schlug sich nun in ostwärtiger Richtung durch den dichten Einkreisungsring hindurch.

    Vincon 40 tägigen Flucht

    „Am 4. Tag meiner Flucht“, so schreibt Major Vincon in einem Brief an Lt. Löble, kam das Ende meiner Kampfgruppe. Die Russen hatten uns in dem hohen Kornfeld, in dem wir uns versteckt hielten entdeckt. Sie begannen darauf ein regelrechtes Kesseltreiben gegen uns mit Panzern und eine Unmasse Infanterie. Aus diesem letzten Kessel kamen wir nur noch zu dritt heraus, alle anderen wurden verwundetet oder gefangen genommen. So ging es dann tagtäglich in harten Kämpfen um unser Leben in westlicher Richtung weiter. Die Strapazen die wir durchmachen mussten, waren nicht mehr menschlich. Nach 40 Tagen erreichten wir dann vollkommen entkräftet die deutsche Linie in der Gegend von Suwalki. Es ist wirklich ein Wunder das es mir gelungen ist, durchzukommen.
    Nach einem mehrwöchentlichen Genesungsaufenthalt in den Standortlazaretten in Ludwigsburg und Wiesbaden, stellte sich Oberstleutnant Vincon erneut zur Verteidigung seiner engeren Heimat zur Verfügung und soll Gegen Kriegsende bei der Gefangennahme durch die Franzosen im Schwarzwald erschossen worden sein, weil er das Ritterkreuz mit Eichenlaub trug.

    Ausbruch aus der Gefangenschaft

    Nur wenigen Soldaten unseres glorreichen Regiments ist es gelungen immer wieder die feindliche Umklammerung zu durchbrechen und nach aufregenden Nachtmärschen wieder zu den deutschen Linien durchzustoßen. Zu dieser einzigartigen Leistung gehört auch die erfolgreiche 88 tägigen Flucht unseres Regimentskommandeurs Oberst Strohm, Inhaber des Eichenlaubs zum Ritterkreuz. Im gelang es mit 20 Offizieren aus einem Gefangenenlager auszubrechen und, nachdem er einen nach dem anderen durch Kämpfe mir den Partisanen verloren hatte, in einem bewundernswerten Alleinmarsch von nahezu drei Monaten nach unbeschreiblichen Strapazen dem grausamen Schicksal der Gefangenschaft zu entgehen. Aber gerade als sein Ziel erreicht schien, als er sich am 24. September durch die feindlichen HKL zu uns durchschlagen wollte, wurde er schwer Verwundetet und starb in den Armen seiner Kameraden.

    Auflösung der 260. ID.


    Klägliche Reste der 260. ID. sammelten sich befehlsgemäß bei Grayewo. Dort wurde am 19. Juli die Hirschhorn – Division aufgelöst. und aus den Resten eine Divisionsgruppe gebildet, die bereits 4 Tage später schon wieder am Narewfluss eingesetzt wurde und starke verlustreiche Kämpfe, insbesondere im Oktober 1944, bestehen musste. Mitte Januar 1945 wurde infolge eines russischen Durchbruchs bei einer Nachbar – Division die Kampfgruppe 260 eingekesselt. Dem geplanten gewaltsamen Ausbruch kam der Russe im Morgengrauen des 18. Januar mit 60 Panzern T – 34 zuvor und überrollte buchstäblich die Reste der Kampfgruppe 260. das war das bittere Ende.


    Kameradenhilfswerk der
    260. Infanterie- Division

    Mit freundlichen Grüßen

    Karlheinz

  • Wie Major Vincon sich durchschlug



    1. Teil

    Seine Erlebnisse bei der Flucht aus dem Kessel von Minsk



    Der folgende Bericht ist dem vermissten Major Vincon gewidmet, dessen Tatkraft es zu verdanken ist, das sich einige wenige Kameraden der 260. ID. aus dem 7. Kessel bei Minsk bis zu den deutschen Linien durchschlagen konnten. Die Zusammenstellung erfolgt auf Grund ausführlicher Tagebuchnotizen von Oberleutnant Dr. Theo Hornberger im Stab der 260.ID.

    Nach dem Bresina Übergang am 3. Juli 1944 stauten sich nach Westen zurückflutenden Truppenmassen in der Gegend von Minsk. Der Russe hatte den Rückzug abgesperrt und zahlreiche Divisionen des XXVII. AK. (78. Sturmdivision, 25. Panzer Grenadier Division, und 260. ID.)eingekesselt. Der Rückzug und der Durchbruch aus mehreren Kesseln hatte eine Panikstimmung erzeugt, die einer Untergangsstimmung gleichkam. Die Verpflegung klappte nicht mehr, die schweren Waffen und Geschütze hatten keine Munition mehr, die Geschütze der III. Art. – Abt. unserer Division mussten wegen Munitionsmangel vernichtet werden, Panzer, Sturmgeschütz, und Nebelwerfer, die weder Munition noch Benzin hatten, mussten gesprengt werden. Im Westen verstärkte sich der feindliche Widerstand und im Osten drückte der Gegner hart nach und schoss mit seiner Artillerie in die wild durcheinander laufenden deutschen Truppen.

    „Rette sich wer kann“!

    Am Abend des 4. Juli waren im Kessel von Minsk etwa 10 – 12 Divisionen eng zusammengepresst und von allen Seiten vom Feind bedroht. Die Lage schien hoffnungslos, die Führung des XXVII.AK. war ratlos und die Divisions - Generäle legten ihren Befehl nieder mit der Weisung, sich einzeln oder in Gruppen nach Westen durchzuschlagen. Karten waren keine vorhanden und noch wenige Soldaten verfügten über einen Marschkompass. Mit der Parole: „Rette sich wer kann“ war der Befehl zur allgemeinen Auflösung gegeben. Es war eine Lage die der einfache Soldat nicht verstehen konnte. Wie war es möglich, dass etwa 10 Divisionen, zum Teil noch gut ausgerüstet, sich selbst Kampflos aufgeben sollten? Sollte dies das Ende unserer ruhmreichen Hirschhorn Division sein? Musste nicht die ganze Ostfront zusammenbrechen und damit Deutschland? „Rette sich wer kann“ klang es uns in den Ohren.
    Die feindliche Artillerie und die russischen Maschinengewehre, die vor uns aus westlicher Richtung knatterten, ließen uns keine Zeit unseren Gedanken nachzugehen. Die Masse der Truppe staute sich vor dem feindlichen Riegel. Ohne Befehl wurde er mit der Naturgewalt der rieseigen Menschenmassen durchbrochen, die mit ohrenbetäubendem Hurrageschrei und blinden Schießen in dunkler Nacht den von den Russen besetzten Wald durchquerten.

    Der Ausbruch

    Ein solcher Ausbruch dürfte in der Kriegsgeschichte wohl einmalig sein. Ohne jegliche Vorbereitung und ohne Befehl wurde der Durchbruch durch die Wucht der Massen erzwungen. Da es um die Rettung jedes einzelnen ging, wurde er mit einer Bewundernswerten Entschlossenheit und teilweise Verzweiflung geführt. Die Soldaten der verschiedenen Divisionen rannten nebeneinander in der allgemeinen Richtung nach Westen. Ein mehrerer Kilometer lange Menschenstrom wälzte sich weiter nach Westen, an dessen Spitze ein Major gewesen sein soll, der die allgemeine Marschrichtung angab. Ein Soldat machte die Bemerkung: „Die haben uns billig verkaufen wollen“ und er war stolz darauf das der Durchbruch auch ohne höhere Führung gelungen war.
    Als wir in den frühen Morgenstunden nach etwa 20 Kilometer Marsch plötzlich von zwei Seiten beschossen wurden, lief alles wild auseinander. Jeder versuchte das eigene leben zu Retten. Der Versuch einiger Offiziere, die verhältnismäßigen schwachen feindlichen Kräfte durch einen organisierten Gegenangriff zu vertreiben, schlug fehl da kaum einer den anderen kannte. Am Nachmittag des 5.Juli erreichten wir ein Waldstück, in dem sich verschiedene Splittergruppen, darunter auch der Kommandeur der Div. „Feldherrenhalle“ mit drei Panzern sammelten. Wieder war der Weg nach Westen diesmal durch starke feindliche Kräfte, gesperrt. Russische Schlachtflieger belegten in Pausenlosen Einsatz unser Waldstück mit Bomben und Bordwaffen, der abgeworfene Phosphor setzte ganze Waldteile in Brand.

    Letzter Durchbruch und Auflösung

    Im laufe der Nacht sollte der Durchbruch gewagt werden. Der verwundete Major Vincon der Kommandeur des I. Bataillon Gren: Rgt. 460, sammelte als einziger Stabsoffizier der 260. ID. die Reste unserer Division. Insgesamt waren es etwa noch ungefähr 720 Mann, die er zusammenbrachte. Er bildete 4 Stoßgruppen, denen er Angriffziele gab. Ich befand mich bei der ersten Stoßgruppe, die Leutnant Pendt führte, während Vincon sich links davon bei der zweiten Stoßgruppe aufhalten wollte, die Leutnant Kanzleiter führen sollte. Schätzungsweise stellten sich etwa 10 000 Mann zum Angriff bereit. Der Feind hatte jedoch unsere Absicht erkannt und wenige Minuten vor unserem Angriffsbeginn schlugen feindliche Granaten mitten in unsere Reihen ein. In der dunklen Nacht drohte zunächst alles auseinander zu rennen, doch unwillkürlich schob sich die Masse der Angreifer auf die feindlichen Linien zu und durchbrach sie. Da Leutnant Pendt nicht mehr aufzufinden war, übernahm ich die weitere Führung der 1. Stoßtruppe. Als wir aus dem Wald kamen, befanden wir uns vor einem Fluss ohne Brücke. In dem Nebel ginge wir viele Flussschleifen entlang und durchwateten schließlich den Fluss bei dem uns das Wasser bis zum Hals ging. Am anderen Ufer gerieten wir in einen feindlichen Hinterhalt und mussten in der Morgendämmerung durch das feindliche Feuer hindurchrennen, um eine schützende Mulde zu erreichen. Etwa 30 Mann meiner Sturmgruppe erreichten ein Kornfeld, indem wir uns notdürftig verstecken konnten. In gebückter Haltung wollten wir den Gegenüber liegenden Waldrand erreichen, als plötzlich zwei russische Panzer (T34) uns beschossen. In einem geschlossenen Sprung liefen wir auf den Wald zu und verschnauften erst, als wir uns tief in dem Wald befanden. Drei Offizier und sechs Unteroffiziere und Mannschaften beschlossen, hier in dem Waldesdickicht sich zu verstecken, um am Abend weiter zu marschieren.

    Der 1 Flucht – Tag

    Und nun beginnt die eigentliche Flucht, die nach 39 tagen voller Gefahren und Mühen zu den deutschen Linien führten. Am 6. Juli um 6°°Uhr morgens hörten wir schießen im Wald und wir waren in Sorge, unser Versteck könnte entdeckt werden. Wir frohren sehr in unseren nassen Kleidern und mussten so nahezu 15 Stunden liegen bleiben, in dem wir uns mit Moos gegenseitig bedeckten, um nicht entdeckt zu werden. Ein Hauptmann neben mir war am Ende seiner Kräfte, er glaubte das nicht länger aushalten zu können. Er erzählt von seiner Frau und seien zwei Kindern und gab die Hoffnung auf, sie je wieder zu sehen. Mit Müh und Not konnte ich ihn davon abhalten, sich zu erschießen. So verging unter frieren und quälenden Sorgen Stunde um Stunde bis es Nacht wurde. Im Schutze der Dunkelheit traten wier den weiteren Marsch an und trafen bald auf andere deutsch Kameraden, so das unsere Zahl bald auf 80 Mann anwuchs. Ein Dorf in dem wir die Stimmen von russischen Fahrern und Geräusche von Panzern hörten, mussten wir umgehen. Als wir auf eine Waldkulisse zustrebten, schlug uns heftiges Gewehrfeuer entgegen. Wir krochen zurück, holten rechts aus und gerieten in schweres feindliches Feuer.
    Wir wurden restlos versprengt, mit einem Gefreiten lag ich alleine vor einen russischen Sperr – Riegel. Kriechend bewegten wir uns rückwärts, 50 m an einen russischen Panzer vorbei und erreichte kurz vor Morgengrauen ein großes Kornfeld in dem wir Tagsüber bleiben wollten.
    Zahlreiche Trampelpfade ließen uns ahnen, dass noch mehrere Kameraden sich hierher gerettet hatten. Ich entfernte mich von meiner Gruppe zu einer kurzen Gelände Erkundung, fand aber niemand mehr als ich zurückkam. Ich bedauerte nicht bei der 2. Stoßgruppe bei Major Vincon gewesen zu sein. Er war wohl der erfahrenste und erfolgreichste Spähtruppführer unserer „Hirschhorn – Division“ Ratlos lief ich in dem Kornfeld hin und her, um meine Kameraden zu suchen. Plötzlich höre ich einen unsichtbaren Kameraden, der auf mein leises Rufen ruhe befiehlt. Ich war sprachlos als sich die Ähren teilten und Major Vincon vor mir stand. Es war mir wie ein himmlisches Geschenk, Major Vincon gefunden zu haben. Er war nicht allein der Stabsarzt Dr. Badums war bei ihm.
    Zu dritt lagen wir im Kornfeld während die Sonne auf uns nieder brannte.



    Kameradenhilfswerk der
    260. Infanterie- Division

    Mit freundlichen Grüßen

    Karlheinz

  • 2.Teil


    Durst und wieder Durst

    Keiner von uns dreien besaß eine Feldflasche. Seit 36 Stunden hatten wir nichts mehr getrunken. Es war eine Gluthitze und mit geschwollenen Gaumen und dicker Zunge warten wir von Minute zu Minute auf den ersehnten Abend. Gegen Mittag durchstreifen die Russen das Kornfeld Vincon riet zur Flucht. Als wir an der anderen ecke des Kornfeldes eintrafen, näherten sich auch hier die Russen mit lautem Geschrei. Wir rannten kreuz und quer, um dem Verfolgern zu entgehen. Kameraden die in Gefangenschaft geraden waren, forderten uns auf sich zu ergeben, da es doch zwecklos sei. Stundenlang rannten wir hin und her bis auch Vincon, der seinen verwundeten Arm in einer Schlinge trug, erschöpft war und nicht weiter konnte. Wenige Meter von uns entfernt, streiften die Russen vorbei, ohne uns zu bemerken. Am Abend fanden wir ein zerschossenes Auto am Ackerrand. Leider war das Kühlwasser durch chemische Zusatzstoffe ungenießbar. Zum Glück fanden wir einen alten Benzinkanister, der noch halb voll mit Wasser war. Noch nie im Leben hatten wir den Wert des Wassers so schätzen gelernt, wie hier. Auch in dem anschließenden Sumpf, den wir durchquerten tranken wir bedenkenlos das Sumpfwasser. Noch andere deutsche Soldaten waren zu uns gestoßen und nach mehrstündigem Marsch legten wir uns am Rande einer Waldlichtung zum Schlafen.

    Der dritte Fluchtag
    In der Morgendämmerung fanden wir am anderen Rande der Waldlichtung die Leichen von 12 ermordeten deutschen Soldaten. Sie waren ausgeraubt, die Stiefel verschwunden. Die Schusswunden ließen erkennen, dass sie vermutlich aus nächster Entfernung im Schlaf überfallen worden waren. Da der Wald bald aufhörte, versteckten wir uns in einem Dickicht. Nach kurzer zeit hörten wir Stimmen, die sich bedenklich unserem Versteck näherten. Als die Äste in unmittelbarer Nähe krachten, rannten wir in entgegen gesetzte Richtung in das Dickicht. Wir hörten noch Schreie und Schüsse, wurden aber nicht verfolgt. Leider verlor ich bei dieser Flucht meine Pistole.

    Zum zweiten Male im Kornfeld

    In der folgenden Nacht wanderten wir über Stock und Stein, durchquerten Sümpfe und Bäche, ohne etwas zum Essen zu finden. Der Hunger nagte und so entschlossen wir uns, in der nächsten Ortschaft um Brot zu betteln. Im Allgemeinen gelang es uns durch klopfen am Fenster die „Matka“ zu wecken und von ihr etwas „Kleba“ und „Malako“ (Brot und Milch) zu erhalten. Weit und breit war kein Wald zu sehen, so dass wir bei Tagesanbruch wieder ein Kornfeld aufsuchen mussten.

    Der Überfall

    Tagelang lebten wir nur von wenig Brocken Brot und Sumpfwasser. Ganz selten bekamen wir einen Becher Milch. Da wir bei dieser Ernährung die Strapazen nicht durchhalten konnten, beschlossen wir in der Nacht vom 13. auf 14. Juli in einem Gehöft einige Hühner zu organisieren, um mal eine kräftige Suppe zu bereiten. Unser Vorhaben gelang uns auch. Wir fanden sogar einen alten Eimer, den wir mit halbreifen Kartoffeln aus einem Acker füllten. In dem benachbarten Wald, nicht weit von einem Bach entfernt, machten wir Feuer. Die 4 Hühner sollten für acht Mann reichen. Es schien ein wirklicher Freudentag zu werden, zumal es Dr. Badums Namenstag war. Das gute Essen gab uns Kraft zum Weitermarschieren. Als der Wald zu Ende ging, ruhten wir uns am Spät Nachmittag aus. Nach einige Stunden Schlaf --- Vielleicht war es auch nur eine halbe Stunde---- krepierte plötzlich eine Handgranate in nächster Nähe. Russische Soldaten hatten uns entdeckt und wollten uns im Schlaf überwältigen. Wir rasten auf und davon, ließen abgeschnallte und ausgezogene Gegenstände liegen. Zum Teil ohne Schuhe ohne Rock, Vincon ohne Pistole und ich ohne Mütze, so rannten wir über ein freies Feld dem Wald zu. Wir wurden von fünf russischen Soldaten schießend verfolgt. Als wir in dem Wald verschnauften fehlten zwei Kameraden und zwei weitere Kameraden waren verwundet. Brust und Beinschuss. Ich selbst hatte einen kleinen Handgranatensplitter zwischen Kopfhaut und Gehirnschale.

    Ernährung

    Obwohl auf die Unterstützung der Deutschen Flüchtlinge die Todesstrafe gesetzt war, gaben uns die Polen immer wieder etwas Lebensmittel. Eines Nachts fanden wir ein deutsches Mustergut. Wir versteckten uns in der Scheune, kochten Kartoffel und löschten unseren Durst mit Wasser aus einem Tümpel. Ein Kamerad fand in einem zerstörten Bienenstock noch drei Honigwaben, ein ungeahnter Leckerbissen. Mehrmals hatten wir auch Gelegenheit einen Gemüsegarten zu plündern. Diese Zwiebeln, Gelbrüben und Erbsen waren dann eine richtige Wohltat. Wenn wir nicht zu essen hatten, knabberten wir Stundenlang Getreidekörner. Die Hauptnahrung waren Erdbeeren und Heidelbeeren, sowie die heranreifenden Kartoffeln auf den Feldern. Manchmal hatten wir Kartoffeln aber keinen Eimer. Dann legten wir sie ins offene Feuer, ein andermal hatten wir Eimer und Kartoffeln und schleppten beides Kilometer weit, ohne Wasser oder einen Wald zu finden. Ein andermal setzten wir morgens zwischen 4°° Uhr und 5°°Uhr unsere Kartoffeln auf zusammen mit zwei Hühnern, als wir das Geräusch eines Wagens hörten. Wir sahen zwei russische Soldaten auf einem Pferdefuhrwerk und rannten fort. Jedoch folgte uns niemand. Major Vincon der immer ein bewundernswertes Fingerspitzegefühl besaß, meinte die Russen wären eben so erschrocken gewesen wie wir und hätten sich davon gemacht. Auf einem anderen Weg näherten wir uns unserer Kochstelle und fanden alles unversehrt. Ohne unseren Major hätten wir wieder hungern müssen.

    T.G.

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    Mit freundlichen Grüßen

    Karlheinz

  • 1. Teil


    Wie Major Vincon sich durchschlug



    Seine Erlebnisse bei der Flucht aus dem Kessel von Minsk




    2. TEIL


    Im Sumpf

    Auf unserer Flucht mussten wir oft ausgedehnte Sümpfe überwinden. Dabei ging uns das Wasser oft bis an die Knie und die Stiefel drohten im Schlamm stecken zu bleiben. Dazu kam am 15. Juli eine glühende Sonnenhitze und die Mücken stürzten sich auf uns, wie die wilden Tiere auf ihre Beute. Da ich etwas zurückgeblieben war, verlor ich die Gruppe Vincon aus den Augen. Nur ein Fußkranker Soldat war noch bei mir. Das Wasser ging uns bereits bis an den Bauch, unser Rufen blieb erfolglos und stehen bleiben konnten wir trotz unserer Erschöpfung auch nicht. Nach Stundenlangen Wartens sahen wir links vor uns, unsere Kameraden. Die Sorge des Alleinseins war von uns abgefallen, auch wenn wir immer noch bis zum Bauch im Wasser waten mussten. Vor uns tauchte ein Wald auf, der von drei Seiten von Sumpf umgeben war. Unglückseligerweise hörten wir dort Schüsse und Hundgebell, russische Soldaten schienen uns erkannt zu haben und während wir davon rannten, schossen die wild hinter uns her. Durch den Stundenlangen Marsch in dem tiefen Wasser, waren wir so erschöpft, das jeden Augenblick unser Herz und unsere Kräfte zu versagen drohten und trotzdem mussten wir jetzt wieder um unser Leben laufen. Wieder war ich der Letzte --- ich konnte kaum noch vorwärts. Vor mir stürzte ein Oberarzt, der vor wenigen Tagen zu uns gestoßen war. Er konnte sich aus eigenen Kräften nicht mehr erheben. Es gelang uns einen dichten Wald zu erreichen und so den Russen zu entkommen.
    In jeder Nacht wurde mit zerschundenen Füßen immer wieder querfeldein marschiert. Drei meiner Kameraden hatten keine Schuhe mehr und die Füße waren nur noch mit Lumpen umwickelt. Von den ständigen waten durchs Wasser waren unsere Stiefel hart geworden und das Wundlaufen war die Folge. Manche Kameraden schnitten Löcher in die Stiefel, um den Druck an den wunden Stellen zu vermindern. Auch ich hatte eitrige Wunden an beiden Füßen. In den Ruhepausen trocknete der Eiter an den Stiefeln fest und beim weitergehen wurde er unter Schmerzen wieder abgerissen. Es war unmöglich die Stiefel anzuziehen, sie mussten wochenlang an den Füßen bleiben. In der Nähe von Lida marschierten wir Tagsüber querfeldein, als 30 Zivilisten mit Gewehren (Partisanen) uns aufspürten. Ein 2 ½ Kilometer langer Dauerlauf und das anschließende durchwaten eines Flusses sowie das verschwinden im Sumpfwald rettete uns.

    Die Memel

    Dreimal mussten wir die Memel --- russisch: Njemen --- überqueren, da wir ein großes Sumpfgebiet im Norden umgehen wollten. Am ersten Übergang stießen wir auf eine Brücke, die vom russischen Militär bewacht war. Eine Gruppe von uns war durch das heftige Feuer zurückgeschlagen worden. Vincon wollte es trotzdem wagen. Nachts kam ein furchtbares Unwetter. Es regnete in Strömen, blitze und krachte. Tastend schlichen wir uns an die Brücke heran, da man die Hand vor dem Gesicht nicht sehen konnte. Geräuschlos und langsam, Schritt für Schritt überquerten wir die Brücke. Als die ersten am jenseitigen Ufer ankamen krachten Schüsse von allen Seiten. Ich faste Vincon am Arm, ein anderer Kamerad klammerte sich an mich, da wir sonst einander rettungslos verloren hätten. Zu viert war es uns gelungen in der Dunkelheit die Brücke zu überqueren. Die anderen waren im Feuer versprengt worden. Triefend vor Nässe vorwärts stapfend, erreichten wir ein von Russen besetztes Dorf. Vincon drängte darauf in ein Haus zu gehen, um etwas zum Essen zu organisieren. Im ersten Haus das leer war, fanden wir einen Topf Milch und Brot. Das an der Wand hängende Gewehr nahmen wir selbstverständlich mit.
    Nach vielen Marschtagen standen wir eines Morgens wieder vor der breiten Memel. Wie sollten wir denn etwa 400 m breiten Fluss in Kleidung und Stiefel bezwingen? 2 Kameraden waren Nichtschwimmer. Der Versuch Holz zu einem Floß zu organisieren schlug fehl. Dabei entdeckten wir einen Kahn, den wir zu sechst etwa 100 m weit zum Wasser schleppten, aber der Kahn war leck und unbrauchbar. Beim Einbruch der nächsten Nacht versuchte es einer unserer Kameraden an einer seichten Stelle hinüber zu waten. Fast schien es so, als ob er eine Furt gefunden hätte. Er kam bald wieder zurück und berichtete, das Wasser habe nur Bauchtiefe. Wir zogen die Kleider aus und nahmen sie auf die Schultern. Als wir am jenseitigen Ufer ankamen kam, plötzlich eine Untiefe. In der wir nicht mehr stehen konnten. Jetzt mussten wir Schwimmen. Mit den Stiefel um den Hals und den Kleidern mit den Hosenträgern auf dem Rücken, schwammen wir die restlichen 20 bis 30 Meter. Selbst einer unserer Nichtschwimmer war kämpfend und schreiend, er kämpfende Leibhaftig mit dem Tode, ans andere Ufer gekommen. Der andere stand noch im Fluss und schrie verzweifelt. Es ging uns durchs Herz, und wir konnten ihm nur raten, südlich des Flusses eine Übergansmöglichkeit zu suchen. Lange mussten wir noch an unseren zurückgelassenen Kameraden denken. Aber der Kampf ums Leben ist unerbittlich.
    Und bald standen wir zum 3. Mal vor dem Fluss, wenige Kilometer nördlich Grodno. Das Glück war uns diesmal hold. In einem Haus fanden wir ein Boot mir zwei Paddeln darin, das aufs Ufer gezogen war. Als es dunkel war, organisierten wir das Boot, obwohl der Hund verschiedentlich anschlug. Als wir in der Flussmitte ankamen und aus dem Schatten der Uferbäume waren, wurden wir vom Mondschein hell beleuchtet. Trotzdem kamen wir glücklich ans andere Ufer und verschwanden im Eilschritt in einem nahe gelegenen Wäldchen.

    Die Polen unsere Freunde

    [FONT=&quot]Die politische Einstellung der Polen, die seit Generationen die Russen hasten, kam uns sehr zustatten. Während sie unter der deutschen Besetzung zum Wohlstand gekommen waren, nahmen ihnen die Russen alles wieder weg. Die polnischen Frauen gaben uns Milch, Eier und Käse, orientierten uns über Weg und Steg und zeigten uns wie wir die russischen Posten und Streifen am besten zu Umgehen wären. Die Polen bedauerten uns ob unserer zerrissener Kleidung. Da ich meine Mütze verloren hatte: fragten sie oft Offizier nix Schapki? Einer der Fragenten erinnert sich, dass er zu Hause eine deutsche Soldatenmütze besaß. Er rannte nach Haus und kam nach einer Viertel Stunde freudestrahlend mit der Mütze zurück, die er mir schenkte. Eines Tages trafen wir einen Burschen, der uns erzählte dass in seinem und im Nachbardorf 6 Polen seien, die gerne mit nach Deutschland wollten. Die Polen sollten nämlich von den Russen zum Kriegsdienst eingezogen werde. Sie hätten genügend Waffen und wollten gerne mit uns kommen. Major Vincon wollte es nicht. Doch die Sache schien Vorteile für uns zu haben. So ein Ruhetag bis alle Polnischen Kollegen verständigt waren, schien Verlockend. Wir ließen uns in das polnische Dorf Führen, wo wir Suppe erhielten und in einer Scheune Schlafen konnten. Jedoch um 3°°Uhr mussten wir wieder unser Versteck im Walde aufsuchen, bevor der Tag graute. Vergeblich warten wir am nächsten Tag. Am Abend trafen wie mit dem Anführer zusammen, der uns miteilte dass es keinen Zweck mehr habe mitzugehen. Deutschland stehe vor dem Zusammenbruch, Hitler sei beseitigt und der Krieg ginge in 14 Tagen zu Ende, so habe der russische Nachrichtendienst soeben verkündet[/FONT]


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    260. Infanterie- Division

    Mit freundlichen Grüßen

    Karlheinz

  • 2. Teil


    Der Grenzpfahl

    Schon bei Lida hatten wir gehofft, die deutsche Front zu erreichen, aber immer wieder hatten sich die deutschen Truppen abgesetzt, ehe wir sie erreichen konnten. Wir hörten dass die Front in Ostpreußen zwischen Suwalki und Augustow verlaufen sollte. Am 7. August erkannten wir im Suwalki – Zipfel einen schwarz – weis - roten Grenzpfahl. Der Wunsch von Major Vincon von nun an nur noch in Fetterbetten zu Schlafen, ging allerdings nicht in Erfüllung. Die Dörfer waren alle vom Feind besetzt und schwere Tage standen uns noch bevor.

    Der große See

    Je näher wir der Front kamen, umso schwieriger wurde es. Es schien fast Aussichtslos durch die dichte Besetzung der in die tiefe gegliederten Front ungesehen hindurch zu kommen.
    Die Abschüsse der feindlichen Artillerie waren in der Nähe zu hören. Dazwischen tönten Einschläge deutscher Granaten, wie liebe Grüße aus der Heimat. Am Abend erreichten wir eine kleine Anhöhe, von der aus wir einen riesigen See vor uns liegen sahen. Er war etwa 15 km lang und 3 km breit, mit bewaldeten Inseln in seiner Mitte. Freund und Feind schien das natürliche Hindernis ausgespart zu haben. Der Bau eines Floßes sollte uns helfen.

    Der Floßbau

    Major Vincon wollte am nächsten Mittag gleich an den See, um dort mit dem Bau des Floßes zu beginnen und mit einbrechender Dunkelheit übersetzten. Wir fanden gefällte Fichtestämme und schleppten sie zum See. Aber wie sollten wir sie zusammenbinden? Auf der Suche nach einem alten Leitungsdraht, hörte ich plötzlich Schüsse hinter mir. Als ich auf meinem Fluchtweg wieder zum Floßplatz kam, waren die Kameraden verschwunden. Ich schlich in ein Dickicht, in dem wir die Nacht vorher verbracht hatten. Bei Dunkelheit hoffe ich, die Kameraden am Floßplatz wieder zu finden. Als ich mich am Abend bis auf hundert Meter dem Floßplatz genähert hatte, stand plötzlich in 10 m Entfernung ein russischer Soldat vor mir. Er riss sein Gewehr hoch und schon krachte ein Schuss neben mir. Ich rannte auf das Unterholz zu und stürzte mich in das Buschwerk, das mich aufnehmen sollte. 5 Russen verfolgten mich und schossen mit ihren Maschinenpistolen über mich hinweg, als ich über eine Wurzel stolpernd über eine Wurzel fiel. Sie schreien „Hände hoch“ und ich glaubte die Entscheidung sei gefallen. Sollte so kurz vor dem Ziel alles umsonst gewesen sein? Ich riss mich wieder hoch und jagte keuchend davon. Dabei schlug ich einen Bogen und die Verfolger verloren meine Spur. Im Dickicht des Waldes traf ich plötzlich Major Vincon und die Kameraden wieder. Der Plan mit dem Floß überzusetzen musste aufgegeben werden.

    Der letzte Tag der Flucht

    Die Nacht vom 12. auf den 13. August war die letzte und schwierigste Etappe unserer Flucht. In der Dunkelheit schlichen wir am See entlang. Wir näherten uns einem kleinen Wäldchen und hörten die Posten sprechen. Wir hörten wie das Schloss eines Gewehres geöffnet und wieder zugeschlagen wurde. Da im nächsten Moment ein Schuss krachen konnte liefen wir so schnell wir konnten, wieder zurück. Kriechend arbeiteten wir uns durch ein niedriges Kornfeld, denn immer wieder stiegen Leuchtkugeln in der Nähe auf. Einmal waren wir wenige Meter von einem Doppelposten entfernt, der sich aber so Laut unterhielt, dass er uns nicht bemerkte. Scheinbar musste man uns aber doch irgendwie gehört haben, denn plötzlich setzte lebhaftes Gewehrfeuer ein. Wir flüchteten in den nahen Wald und standen plötzlich vor einem russischen Bunker, vor dem zwei Russen Holz spalteten. Kriechend schlichen wir uns hier weg. Die Lebhafte Feuertätigkeit auf beiden Seiten ermöglichte uns ein gutes Vorwärts kommen. Wieder gerieten wir an zwei Doppelposten, die vor uns rechts und links im Wald standen. Die Posten waren vielleicht 10 m auseinander und wir gingen leise, frech und unverschämt zwischen ihnen hindurch. Als sie uns anriefen begannen wir zu laufen, so schnell uns unsere Füße tragen konnten, denn hinter uns neben uns krachten die Schüsse. Nach kurzer Zeit wurde es ruhig und wir traten aus dem Wald in ein offenes Sumpfgelände. Dichter Nebel lag auf dem Moor. Jenseits des Moores sahen wir einen dunklen Waldrand, aus dem gelegentlich Mündungsfeuer sichtbar wurde.

    Wieder bei den deutschen Linien

    Anscheinend waren wir jetzt zwischen beiden Fronten. Etwa 50 m vor dem Waldrand blieben wir liegen und hofften deutsche Laute zu hören. Eine halbe Stunde lang warteten wir auf einen Ton, leider vergebens. Beim weiteren Vorgehen stießen wir auf Stacheldraht. Major Vincon traute der Sache nicht. Wir versuchten den Stacheldraht rechts und links zu umgehen, kamen aber immer wieder auf Stacheldraht. Plötzlich ertönte eine Stimme: Halt wer da --- Kennwort! In einer unbeschreiblichen Erregung riefen wir alle nicht schießen, wir sind Deutsche! Wir waren von der Größe des Augenblicks überwältigt, umarmten einander und fielen unsren treuen Major um den Hals. Fast taumelnd vor Freude folgten wir dem deutschen Soldaten zum Gefechtstand des Kompanieführers. Es war am 13. August 1°°Uhr nachts, als wir im Bunker des Kompanieführers saßen und uns mit einem Schluck Rotwein aus der letzten Flasche des Kompanieführers stärken durften.
    5 Tage später stand ich vor dem Bett meiner Frau, betrachtete still unsere Mädlchen „Christiane Charlotte“ das uns am Tag meiner glücklichen Errettung, am 13. August 1944 geschenkt worden war.
    Major Vincon lag lange zeit wegen Unterernährung im Ludwigsburger Standortlazarett und ist später bei der Verteidigung im Schwarzwald im April 1945 vermutlich gefallen. Seitdem fehlt jede Spur von Ihm. In tiefer Dankbarkeit danken wir Geretteten unseren tapfern Vincon.

    Dr. T.G.




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    Mit freundlichen Grüßen

    Karlheinz




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  • 1.Teil


    80 Tage Flucht zu den deutschen Linien



    Die Erlebnisse des letzten Kommandeurs des GR.470 nach der Vernichtung der 260. ID.



    Die 80tägige Flucht des Oberstleutnant und Ritterkreuzträger Friedrich Strohm, dem es nach der Vernichtung der 260. ID. im Kessel von Minsk als einem der wenigen Soldaten der 260. ID. gelang, die deutschen Linien zu erreichen, soll hier auf Grund seiner Tagebuchnotizen geschildert werden.

    Vor 12 Jahren erreichte der tapfere Draufgänger und Kdr. Des GR. 470, als einziger seiner Kampfgruppe nach schweren Kämpfen, Partisanenüberfällen und harten Strapazen die deutschen Linien.

    Ausbruch aus dem 7. Kessel von Minsk

    Am Nachmittag des 28. Juni 1944 waren die Divisionen des XXVII. AK. 825. Pz. – Gr. Div.78. St. Div. und die 260. ID.) von Feindkräften, die nördlich und südlich durchgebrochen waren, bereits eingeschlossen. Bei dem Durchbruch und Übergang über den Drut- Fluss hatte das Regiment 470 schwere Verluste. Doch der Feind hatte bereits einen noch stärkeren Riegel im Westen gebildet. Dieser Einkreisungsring wurde ebenfalls durchbrochen. An diesem Durchbruch waren Divisionen des XII. AK. und der Division Feldherrenhalle beteiligt.
    Am 1. Juli marschierte die 260. ID. zu Fuß über eine Behelfbrücke über die Bresina südlich Borissow, wo einst Napoleons Heer zerschlagen wurde. Die ausgebaute Bresina – Stellung konnte nicht mehr besetzt werden, weil der Russe weiter westlich einen neuen Sperrriegel aufgebaut hatte. Unaufhaltsam fluteten etwa 10 Divisionen, deren Einheiten durcheinander geratenen waren, ohne klare Führung nach Westen.
    Am 4. Juli stauten sich diese zurückfluteten Massen zwischen Bresina und Minsk. Es gab keine Verpflegung mehr, Munition und Benzin fehlten, die Lage erschien hoffnungslos, ein weiteres durchschlagen nach Westen unmöglich. Deshalb wurde die Parole ausgegeben „Rette sich wer kann“ Durchschlagen in kleinen Kampfgruppen.
    Daraufhin versuchte Oberstleutnant Strohm mit den Resten seines Regiments aus diesem Kessel bei Weliki Bor auszubrechen. Am 5. Juli nachts um 22°°Uhr wagte er den Durchbruch mit mehreren Stoßtrupps. In dieser dunklen Nacht jedoch erreichten nur wenige das befohlene Ziel. Karten und Marschkompass fehlten. Bereits am 6. Juli waren nur noch wenige Kameraden bei ihm, u. a. Major Braun, der Kommandeur des Pi. – Btls.653. Nach dem durchwaten einer längeren Sumpfstrecke wurde bei Petrowitschi ein russischer Spähtrupp erfolgreich abgeschlagen.


    Der Sumpf als Retter

    Zwei Tage später wird unser Kamerad Strohm und seine kleine Kampfgruppe südlich Kuliki erneut von 4 russischen Reitern angeschossen. Die Kampfgruppe Strohm zieht sich in ein Sumpfgelände zurück, in das die Russen mit ihren Pferden nicht folgen, können. In der folgenden Nacht passieren sie die Brücke bei der Siedlung Trud ohne Zwischenfall, müssen aber erneut im Sumpf mit den Stiefeln im Wasser auf einer Moosbank sitzen eine Ruhepause ostwärts Peski einlegen. Das Schlimmste ist trotz des vielen Sumpfwassers der Mangel an Trinkwasser.
    In der Nacht vom 10./11. Juli wird der Fluss Szisslotsch bei Poski gemeinsam durchschwommen. Die Kleider müssen am Leib trocknen. Wenn nur der Hunger nicht so quälen würde. Bei dem versuch in Dubwj etwas zu Essen zu erhalten, werden sie von den Russen erkannt und verfolgt. Dabei geraden sie in einen Wald, der ringsum von Russen gesichert ist. Trotzdem finden sie hier ein gutes Lager, das Wasser und Beeren bietet, ja es gelingt sogar behelfsmäßig Bratkartoffeln herzustellen.
    Sofort nach dem Dunkelwerten brechen sie auf, verhalten kurz, weil eine russische Patrouille an ihnen vorbeiläuft und schleichen sich dann durch die russischen Sicherungen hindurch. Wieder muss ein Fluss und ein Sumpfwald durchquert werden, dabei stoßen sie auf 2 deutsche Versprengte, die sich ebenfalls durchschlagen. Freudiges wieder sehen mit Major Kleppe, dem Dinafü der 260. ID. der heute gerade Geburtstag hat. Mit Walderdbeeren wir dieser Geburtstag gebührend gefeiert.
    In Sow Korma trifft die um zwei Mann verstärkte kleine Gruppe auf eine russische Kompanie, kann aber noch rechtzeitig ausweichen. Der Regentag hilft ihnen, sich abzusetzen. Am Lagerfeuer treffen noch einige Panzerjäger zur Gruppe Strohm.


    Verpflegungsprobleme

    Wenn nur der Hunger nicht wäre. Nachts wird der Ort Saprojode aufgesucht und Brot Milch und etwas Salz organisiert. Nun schmecken die Feldkartoffeln schon besser. In der Nacht zum 15. Juli verlieren unsere Nachtwanderer die Orientierung beim Marsch durch einen weglosen Urwald, erreichen aber endlich doch wieder eine Ortschaft Melkowitschi. Wieder helfen Beeren den Hunger zu stillen. Der Russe hat alle wichtigen Verkehrsknotenpunkte besetzt, besonders die Flussübergänge. Er ist nervös geworden und schießt nachts blindlings in die Gegend, wenn er irgendwo ein Geräusch hört. Ein weiteres Vorgehen nach Westen ist nur noch mit größter Vorsicht möglich.
    Obwohl unsere tapfere Gruppe um 19°°Uhr weitermarschiert, verirrt sie sich wieder im Wald. Der Versuch am nächsten Morgen in Beros einzukaufen, scheitert an der Abwehr der Russen.

    Der 13. Tag der Flucht

    Der 13. Tag ist ein Unglückstag für unsere kleine Marschgruppe. Am Tag vorher wurde ausnahmsweise bereits um 13,30°°Uhr der Weitermarsch angetreten und zwei Rollbahnen, sowie die Eisenbahnlinie Minsk – Baranowitschi vorsichtig überschritten. Nach 24 Stunden wird ein Lager 2 Km nördlich Sashetsche bezogen. Doch das ausruhen sollte nicht lange dauern. Am 17. Juli 18°°Uhr überfällt der Russe das Lager. Major Kleppe und zwei Mann fallen. Der Russe verfolgt die Flüchteten bis zum Einbrechen der Dunkelheit. Der plötzlich einsetzende starke Gewitterregen hilft, den Russen abzuschütteln. Die Nässe zwingt unsere Kameraden in Bewegung zu bleiben bis es hell wird. Im Wald 6 km nördlich Sash gehen sie zur Ruhe über, wieder ohne jegliche Nahrung.
    18 km nördlich Stolpce wird am 18. Juli um 23°°Uhr wieder ein Fluss überquert und im Wald 10 km ostwärts Dereweno gelagert, obwohl die Kameraden seit 2 Tagen nichts mehr zu Essen fanden. Der Hunger aber läst sie nicht ruhen. Am folgenden Abend gelingt es, etwas Brot bei einer Matka zu erbetteln.



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    Karlheinz

  • 2.Teil


    Versorgung mit Nahrungsmitteln

    Die Beschaffung von Lebensmitteln bereitet die größten Schwierigkeiten. Am liebsten wurden die Dörfer umgangen, um jede Feindberührung zu vermeiden. Es blieb oft kein anderer Weg, als an die Fenster der Häuser zu klopfen. Oft waren die Russen so arm, das sie selber fast nichts mehr hatten, weil die Russischen Truppen vorher alles mitgenommen hatten. Die russische und vor allem die Polnische Bevölkerung halfen im Allgemeinen gerne, obwohl für die Unterstützung der deutschen Flüchtlinge die Todesstrafe angekündigt war. Meistens lebten unsere Kameraden von Getreidekörnern, Walderdbeeren, Heidelbeeren und den halbreifen Kartoffeln auf den Feldern, gelegentlich fanden sie Zwiebeln, Gelberüben und Erbsen in den Gemüsegärten. Ab und zu gab es einmal Brot und Milch von einer freundlichen Bauersfrau.
    Nachts um 3°°Uhr erreichen sie nach einen 5stündigen Marsch auf Wegen die Gegend 5 km nördlich Chotow. Die Nationalpolen die die Russen hassen, sind deutschfreundlich und verhalten sich gut. Sie helfen wo sie können.

    Weitermarsch ohne Karte

    In der Nacht vom 21./22. Juli verläuft sich die Gruppe gründlich, der Kartenrand ist erreicht, ohne Karte geht es weiter. Zweimal wird der Njemenfluss überschritten. Wenn nur die Wanzen nicht so unangenehm beißen würden!
    Vom 19. Marschtag an wird die Taktik gewechselt. Es wird versucht am Tage zu marschieren. Obwohl die Gruppe um 11°°Uhr aufbricht verläuft alles gut. Am Abend wird sogar gewagt in einer Scheune zu Schlafen.
    Am 23.Juli trifft die Gruppe ein schwerer Schlag. Oberleutnant Merkens verunglückt und Oberstleutnant Strohm wir durch einen Schuss aus einer Maschinenpistole bei der Abwehr eines Partisanenüberfalls am Bein schwer verwundetet. Dies ist die sechste Verwundung des Rgts. Kdrs.
    33 Tage lang liegt er zusammen mit Merkens in einer polnischen Scheune ohne Ärztliche Behandlung. Das Bein eitert stark, verursacht ungeheuere Schmerzen, an Schlaf ist nicht zu denken. Am 28. Juli entschließen sich die anderen Kameraden unter Führung von Major Braun weiterzumarschieren, da sie ihren beiden nicht mehr marschfähigen Kameraden doch nicht mehr helfen können. Die beiden zurückgelassenen Kameraden treffen Vorbereitung für ihre bevorstehende Gefangenschaft. Strohm will das Bein ausheilen lassen, um dann sein Heil erneut zu versuchen. Doch das Bein eitert stark, das auftreten bereitet unsägliche Schmerzen, der Hunger quält beide und außerdem durchsuchen Partisanen die Scheune, ohne die zwei zu entdecken.
    Am Sonntag dem 30. Juli erhalten sie von dem Bauern der Scheune etwas zu Essen. Doch der Bauer fühlt sich nicht wohl dabei, er weiß dass es um seinen Kopf geht, zumal die Partisanen in der Nähe dauernd schießen.

    Starke seelische Belastung

    Die folgenden Tage voller Schmerzen und die schlaflosen Nächte sind eine starke Seelische Belastung. Wenn man nur weiter marschieren könnte!
    In den schlaflosen Nächten denkt Strohm oft an seine Angehörigen. Was wird aus ihnen werden, wenn er nicht mehr nach Hause kommt? Er träumt von einem Lazarett in Tübingen. Wenn es nur wahr wäre. Da geht am 3. August das Geschwür wenigstens auf und bringt etwas Erleichterung.

    Entdeckt von Partisanen

    Der 6. August ist ein schwerer Tag. Die Partisanen finden Merkens und Strohm in der Scheune. Sie nehmen ihnen den Kompass, Uhren, Ringe, Decke, Stiefel und Koppel ab. Am nächsten Tag kommen sie wieder und nehmen die Röcke, Pfeife, Tabak und noch andere Dinge mit. Nun haben die beiden fast nichts mehr. Sie liegen ratlos auf dem Heu und hoffen auf Hilfe von oben.

    Auf dem Weg zur Besserung

    Nach 17 Tagen ist Strohm zum ersten Male im Haus des polnischen Bauern in Babinsk. Letzterer schlägt eine Verlagerung der Unterkunft in ein 1 km entferntes Gut vor. Dorthin lässt er durch Magda auf einem Fuhrwerk gut getarnt, die beiden transportieren. Doch auch hier drängt der Bauer bald zum Aufbruch. Strohm der jetzt etwas aufstehen kann, soll alleine weiter, aber was soll mit Merkens geschehen? Beide wissen keinen Ausweg. Nachts werden sie wiederum von Partisanen überfallen, doch bei den Verwundeten ist nicht mehr zu holen. Sie leiden sehr bei dem Gedanken um ihre Familien.
    Viele Russen sind jetzt in den Nachbarorten; sie sitzen wie auf Kohlen, sie sollten weiter gehen und können doch noch nicht. Die Kugel steckt immer noch im Bein. Merkens soll in ein Krankenhaus nach Tjwa, er hat einen fürchterlichen Durchfall. Aber das bedeutet russische Gefangenschaft. Wenn der Russe zu ihnen kommt ist es aus.

    Operation mit dem Tasschenmesser

    Am 24.Tage nach der Verwundung entfernt Strohm nach längerer Massage durch einen Eingriff mit einem Taschenmesser das Geschoss aus seinem Bein. Er ist seinem Herrgott dankbar und hofft nun bald wieder marschieren zu können.
    Fünf Tage später am 21. August sind wieder die Russen in der Nähe. Strohm muss fort sonst ist es zu Spät.
    Am 50. Tage nach dem Ausbruch aus dem Minsker Kessel treffen Franz und vier deutsche Soldaten ein. Am folgenden Tage, am 24. August quartieren sich ausgerechnet 7 Russen auf diesem Gut ein. Merkens wird gefangen genommen aber es geschieht im nichts. Strohm sitzt mit den anderen Kameraden in einem Versteck, und kann alles beobachten. Nachts jedoch Schläft er in einem Nachbarort, kehrt jedoch am 26. August noch einmal zu Merkens zurück, um sich von ihm zu verabschieden. Merkens sieht sehr schlecht aus, Günther versorgt ihn, da er sich immer noch nicht alleine helfen kann und die Russen sich nicht um ihn kümmern.

    Strohm marschiert weiter

    Am 27. August marschiert Strohm mit Franz und Michel 15 km weiter. Die Eisenbahn und Straße Linda - Wilna wird Tags darauf überquert. Das Bein schmerzt durch die ungewohnte Anstrengung eines 20 km Marsches. Nachtquartier in Luguwitschi. Nach 7 Tagen Marsch erreichen die drei Miliwitschi, um am 5. September nach 62 km Marsch einen Ruhetag einzulegen.
    Hier treffen sie auf 5 deutsche Soldaten. Die Front soll angeblich 8 km nördlich Grodno verlaufen. Überall wimmelt es vor Partisanen. Am 7. September werden sie von zwei russischen Partisanen angeschossen. Am Abend kommen Polnisch Partisanen in ihren Heuschober, aber es geht wieder einmal alles gut vorüber.
    In den nächsten 8 Tagen werden 104 km zurückgelegt. Es sind besonders für Strohm anstrengende Marschtage, teilweise durch Urwälder, die große Umwege bedingen. Doch nähern sie sich jetzt Ostpreußen und hören den Gefechtslärm der Front. Sie marschieren durch sumpfiges Gelände, dichten Wald 15 km nördlich Druskiwiki und eine Waldortschaft namens Premoschi.

    Njemenübergang

    Am 14. September starten sie zum Njemenübergang. Der Versuch schlägt fehl. Starke Postierungen beiderseits Schönelli verhindern ihre Absicht. Sie versuchen, 18 km weiter südlich diesen Fluss zu überqueren. In der Nacht vom 16./17. September gelingt es ihnen unbemerkt in dem kalten Wasser den Fluss zu durchschwimmen, etwa 25 km nördlich Grodno. Strohm schreibt in seinem Tagebuch:
    „Ich spüre das Walten Gottes, der uns begleitet. Ich denke viel an Frau und Kind. Ob sie mich wohl erwarten?“
    Nun sind es nur noch 50 km bis zur deutschen Front. Im Suwalki – Zipfel erfolgt der Marsch über die polnische - deutsche Grenze. Der Grenzfluss ist jedoch feindbesetzt. Bei einem russischen Überfall wird Franz abgesprengt und Michel bleibt zurück. Strohm und Köster versuchen am 18. September noch einmal, den Fluss zu durchschwimmen, diesmal mit Erfolg. Sie marschieren durch den Augustower Wald. Als sie ein paar Zivilisten um etwas Brot bitten, werden sie an die Bolschewisten verraten. Sie können gerade noch rechtzeitig entkommen. Auch am nächsten Tag werden sie bei dem Versuch Kartoffeln zu organisieren erwischt. Sie können noch rechtzeitig verschwinden, bevor es zu einem Feuergefecht kommt.




    Kameradenhilfswerk der

    Mit freundlichen Grüßen

    Karlheinz

  • 3.Teil


    Im russischen Hauptkampffeld

    Am 21. September erreichen sie, nach dem Überschreiten der Eisenbahnlinie Augustowo – Grodno das russische HKF. Am 80. Tage der aufregenden Flucht gelingt es den beiden, sich bis auf 3 km an die deutsche HKL heranzuarbeiten. Hier erwarten sie den Einbruch der Dunkelheit, um nachts die deutschen Linien zu erreichen. Es ist der 22. September 1944. Die Aufzeichnung unseres Kameraden Strohm endete hier, vermutlich weil der Bleistift versagte.

    Die Retter kamen zu spät

    Aus einem Bericht von Hauptmann Georg Schmidt, dem Bataillonskommandeur in einem Regt. der 299. ID. entnehmen wir folgendes:

    „Am 24.09. beobachtet ein deutscher Posten in einem 400 m vor der HKL liegenden Heuhaufen ein Winken mit einem Heubüschel. Bei einbrechender Dunkelheit setzte ein Spähtrupp unter Führung von Leutnant Frohwein über den Kanal, um den vermeintlichen Überläufer zu holen. Der Spähtrupp fand einen deutschen, Schwerverwundeten Soldaten in russischer Uniform, der sich als Oberstleutnant Strohm, Kommandeur des Gr. – Regts. 470 zu erkennen gab. Einige Soldaten der 260. ID. erkannten ihn sofort. Auf dem Transport auf einer Tragbahre zum Truppenverbandplatz machte er noch einen frischen Eindruck und erzählte trotzt seinen Schmerzen von seiner Abenteuerlichen Flucht. Mit einem Bauchschuss habe er noch vor zwei Tagen den Grenzfluss alleine durchschwommen und zwei Tage in dem Heuhaufen zugebracht.
    Als der Btl. – Arzt der Einheit mit der Feldpostnummer 07195 ihn verbinden wollte (er trug weder am Bauch noch an den anderen Wunden einen Verband), wurde er immer blasser, sein Blick starrer und wenige Sekunden später erlosch sein junges Leben. In Feierlichen Form wurde er auf dem Heldenfriedhof in Borschimmen beigesetzt.“

    Beförderung und Auszeichnung

    In Würdigung seiner tapferen, außergewöhnlichen Leistungen und seine Einsatzes im Osten wurde Oberstleutnant Strohm auf Grund der „Verordnung über die Beförderung während des Krieges gefallener, gestorbener oder vermisster Soldaten“ mit Wirkung vom 1. September 1944 zum Oberst befördert.
    Am 18. Oktober 1944 verlieh der Führer das Eichenlaub zum Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes an Oberstleutnant Strohm, den Kommandeur des Gr. Regts. 470 nach seinem Heldentod als 613. Soldaten der deutschen Wehrmacht.
    Oberst Strohm wird uns allen unvergesslich bleiben.
    Dr. Tim Gebhardt

    Kameradenhilfswerk der
    260. Infanterie- Division

    Mit freundlichen Grüßen

    Karlheinz

  • Kriegsgefangenschaft eines Soldaten der 260 Infanterie – Division.




    Wie die Soldaten der 260. Infanterie - Division in russischer Kriegsgefangenschaft durch die Russen behandelt wurden, will ich im Nachfolgenten Artikel schildern. Dieser Artikel wurde durch Hermann Melcher am 01.02. 2006 veröffentlicht. Er wurde auch im Mitteilungsblatt (Der Hörnle – Kamerad) veröffentlicht.

    Kameradenhilfswerk der
    260. Infanterie- Division


    Mit freundlichen Grüßen


    Karlheinz

  • 1 Teil


    Der Weg der Verdammten



    Von Minsk in Weißrussland – Magadan in Ostsibirien




    Die Odyssee der elfjährigen Kriegsgefangenschaft von Robert Sand aus Kirrlach in Baden.



    Aufgezeichnet von Hermann Melcher, Heidelberg




    Vorwort: Bei einer Fahrt zu den Schlachtfeldern des zweiten Weltkrieges in der Normandie habe ich Robert Sand aus Kirrlach in den 80er Jahren kennen gelernt. Er erzählt mir beiläufig, dass er erst im Dezember 1955 aus sowjetrussischer Kriegsgefangenschaft heimgekehrt ist, und das ihm diese Heimkehr wie ein Wunder vorkomme. Und wie das bei ehemaligen Kriegsgefangene so ist, kam auch die Frage nach den durchlaufenden Lagern, und da kam ich wirklich ins Staunen, denn Robert Sand hatten die Sowjets 1948 erst zum Tode, dann zu 25 Jahren Arbeitsbesserungslager verurteilt und bis nach Magadan in Ostsibirien verbannt, sozusagen den letzten Winkel dieses Riesenreiches. Als Journalist hatte es mich natürlich sofort gereizt, die Lebensgeschichte dieses Kameraden aufzuzeichnen, aber es dann doch noch bis in unsere Tage gedauert, bis es dazu gekommen ist. Robert Sand und ich sind schon lange gute Freunde und für mich ist er „der Held von Magadan“
    Im Folgenden will ich nun die außergewöhnliche Odyssee dieses bemerkenswerten Kameraden des Robert Sand aufzeigen, denn er hat es verdient, das sein tragisches Schicksal nicht der Vergessenheit anheim fällt, sondern auch für die Nachfolgenten bewahrt wird. Es ist verständlich, das sich nach mehr als 50 Jahren nicht mehr alles im Gedächtnis eingeprägt hat und auch nicht jedes kleine Zwischen und Durchgangslager noch besser benannt werden kann, deshalb beschränken wir uns in diesem Bericht auf die wesendlichen Lager dieses grausamen Gulag - System des Sowjetkommunismus – Stalinismus, die Robert Sand, damals natürlich noch unbewusst, zu einem guten Teil gemeinsam mit dem späteren Literatur – Nobelpreisträger und weltberühmten Autor des drei bändigen Werkes „Der Archipel Gulag“, Alexander Solschenizyn erlebt, erlitten und glücklicherweise Überlebt hat. – Ich freue mich dass ich Robert Sand, der ein guter Kamerad und Mann von echten Schrot und Korn geblieben ist, zu seinem 83. Geburtstag den Bericht über seine Odyssee hinter Stacheldraht überreichen darf. Den vielen toten Kameraden zum Gedenken und den Lebenden zur Mahnung und gleichzeitig ein authentischer und erschütterndes Zeugnis über das Schicksal der deutschen Kriegsgefangenen in der ehemaligen Sowjetunion.
    Heidelberg, den 01.02.2006 – Hermann Melcher


    Erinnern wir uns:

    Im Sommer 1944 vollzog sich im russischen Hinterland des Mittelabschnittes der Ostfront der gigantische Aufmarsch von mehr als zwanzig Armeen mit 207 Divisionen. Dann ging es los und die oft zitierte russische Dampfwalze kam ins Rollen. Zuerst ein gigantisches Trommelfeuer mit zehntausend Geschützen. Darauf folgte ein Luftbombardement von zwei Luftarmeen mit mehr als tausend Bombern. Man kann sich kaum vorstellen, was hier auf die deutschen Soldaten niedergeprasselt ist. Kaum war die Front aufgerissen, stürmten die Panzer und die Sturmbrigaden in die Lücke, überrollten die letzten Widerstandsnester und jagen in Richtung Westen. Am 3. Juli 1944 fällt bereits Minsk, die Hauptstadt Weißrusslands und Sitz des Oberkommandos der Heeresgruppe Mitte. Glühend heiß und voller Mücken waren in jenen Tagen die Niederungen zwischen Bresina und Wolga. Robert Sand und seine Kameraden waren mitten drin in diesem Höllenfeuer von Bomben und Granaten und den anstürmenden Menschenmassen der Sowjets und die gesamte deutsche Heeresgruppe Mitte sah ihre nahezu völligen Vernichtung entgegen. Von 38 eingesetzten Divisionen wurden 28 zerschlagen.
    350 000 – 400 000 Mann waren gefallen, verwundet oder wurden vermisst. Von 47 Generalen blieben 31 tot oder gefangen auf dem Schlachtfeld.


    Kameradenhilfswerk der
    260. Infanterie- Division


    Mit freundlichen Grüßen


    Karlheinz

  • 2.Teil


    Am 5.Juli 1944 irrten Robert Sand und einige seiner Kameraden in diesem Inferno umher. An einem Bach traf Robert Sand als Obergefreiter der 260. Infanterie – Division und Angehöriger des Reiterzuges der Stabskompanie des Infanterie Regimentes 460 seinen Kommandeur Generalmajor Klammt, der die Parole ausgab: „rette sich wer kann“. Er steckte mit seinem Kübelwagen im Schlamm eines Baches und geriet wenig später in Gefangenschaft. Nicht so Robert Sand. Der traf am 6. Juli 1944 den Kameraden Karl Gaub, der bei ihm im Reiterzug war und mit dem er bis zum 7. Juli zusammen blieb. In einem Granattrichter übernachteten sie und teilten sich die letzte Verpflegung, die jeder noch bei sich hatte und schliefen total erschöpft ein. Als sie am Morgen aufwachten stand ein SIS LKW der Russen wenige Meter vor ihrem Loch und aus einem Lautsprecher tönten die besten deutschen Parolen, mit denen sie die deutschen Soldaten zur Übergabe und zum Überlaufen aufforderten. Nach einer kurzen Diskussion mit Karl Gaub, ob sie sich erschießen oder sich in sowjetrussische Kriegsgefangenschaft begeben sollten, begaben sie sich schweren Herzens zu dem SIS – Wagen, dessen Insassen auf sie zukamen. Es waren Angehörige des Nationalkomitees „Freies Deutschland!“ die auf Sowjetischer Seite aktiv geworden sind. Vielleicht war diese Tatsache ein Glück für Robert Sand und seinem Kameraden Karl Gaub, denn diese brachten die beiden zur etwa 100m entfernten Rollbahn, wo schon Kolonnen deutscher Kriegsgefangener entlang schlürften, so das die Gefangennahme durch die Sowjets weniger spektakulär oder schrecklicher war, als bei vielen anderen Landsern. Doch über dem Ganzen lag eine tiefe Schwermut, eine Atmosphäre aus Blei. Die Gehirne waren blockiert: „Jetzt sind wir in Gefangenschaft, in russischer Gefangenschaft“ hämmerte es hinter ihren Schläfen, und was kommt jetzt? „ Jetzt bist du gefangen!“

    Niemand, der es nicht selbst erfahren hat, kann ermessen, was das heißt. Mühsam und todmüde schleppten sie sich vorwärts und wurden dann mit anderen Kameraden, die das Inferno bis jetzt überlebt hatten, in Richtung Minsk getrieben. Reihe um Reihe, Gruppe um Gruppe, Kolonne um Kolonne! Erste Station war ein ehemaliges Krieggefangenenlager für sowjetische Gefangene. Verpflegung gab es keine. Wie Peitschenhiebe traf sie die bittere Erkenntnis, dass du jetzt Krieggefangener der Russen bist, etwas, das Dir bisher nie in den Sinn kam. Die letzte Kugel für mich, bevor ich in Gefangenschaft gehe, das war für viele der letzte Gedanke. Nun taumelst Du mit in der Kolonne der Kriegsgefangenen und willst das nicht fassen. Alles in Dir ist zusammengebrochen! Was soll nun werden? Du bist gefangen, Du bist nichts mehr, Du hast gar nichts mehr! Nur noch dein nacktes Leben. Und dann merkst Du, dass Du auch das nur noch leihweise hast. Wie lange noch? Du bist auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, Du bist in der Gewalt von Menschen, die mit Dir machen können, was sie wollen – und die dich hassen. Du möchtest schreien, weil Du dieses schreckliche Gefühl in der Brust loshaben willst, dieses Gefühl, diesen Schmerz. Angst, grenzenlose Verlassenheit, Sehnsucht und Heimweh! Nimm diese Bilder als Erinnerung an Deine schwersten Jahre und sag allen, die den Stacheldraht nicht kennen: „Er ist der Ärmste, der unter der Sonne herumläuft, der Kriegsgefangene überall in der Welt“.

    Glühend heiß brannte die Julisonne herab, als Robert Sand und seine mit gefangenen Kameraden in Kolonnen zu je 100 Mann nach Borissow getrieben wurden, - ein grausamer km – Tagesmarsch, unermüdlich getrieben durch das gutturale Geschrei und unmenschliches Schlagen begleitender Bewachungstruppen. Sowjetische Panzerkolonnen fuhren an ihnen vorbei und von den gepanzerten Fahrzeugen sprangen Rotarmisten herunter, die ununterbrochen in die Reihen der Gefangenen einbrachen und plünderten, was das Zeug hielt. Robert Sand wurde so seine Reitstiefel los und musste auf Socken weiter marschieren, bis diese nur noch Fetzen waren. Dann ging’s auf heißen Asphaltstraßen und steinigen Seitenwegen barfuss weiter. Geplagt von wahnsinnigem Durst versuchten viele, während einer der seltenen Rasteinlagen, aus grünen Tümpeln Wasser durch Taschentücher zu seihen und dieses zu schlürfen. Endlich in Borissow angekommen wurden die Kriegsgefangenen in überfüllten Unterkünften zusammengepfercht und drei Tage ohne jegliche Verpflegung dort festgesetzt. Die Auszehrung durch den Hunger nahm ihren schlimmen Anfang. Wer an den folgenden Tagen dieses endlosen Treibens nach Osten nicht weiter konnte, wurde gnadenlos erschossen, und unzählige, die bis jetzt durchgehalten hatten, packte die Hoffnungslosigkeit und die entsetzliche Angst, die Heimat nicht mehr wieder zu sehen. Nicht wenige sanken auf diesen entsetzlichen Märschen in die Erde und ruhen unter den Winden der endlosen weiten Steppengebiete und kein Mensch wird je erfahren von ihrem Heimweh, ihrem Schmerz, ihrem letzten Schrei und Seufzer. So sind selbst die Elendsten unter den noch Überlebenden wohl rechte Sieger über Mühsal, entsetzliches Grauen und über den Tod, - vorausgesetzt natürlich, das sie dies alles durchstehen können.






    Kameradenhilfswerk der
    260. Infanterie- Division


    Mit freundlichen Grüßen


    Karlheinz

  • 3. Teil


    An der Bresina, einem rechten Nebenfluss des oberen Dnjepr, stoppte die Kolonnen und wurden zum Waschen an den Fluss geführt. Obwohl Tierkadaver und auch Leichen darin trieben, tranken viele aus Verzweiflung und wahnsinnigen Durst dieses verseuchte Wasser. So manchem noch geschichtsbewussten deutschen Gefangenen mögen wohl trotzt großem eigenem Elend die Gedanken gekommen sein, das beim Übergang über diesen Schicksalsfluss die Grosse Armee Kaiser Napoleons I. zwischen den 26. und 29. November 1812 große Verluste erlitten hatte. – Dann wurden Robert Sand und seine Kameraden verladen. Seitwärts stehenden Russen schien es dabei Spass zu bereiten, wenn sie wie die Metzger auf den Schlachthöfen beim Viehtrieb, aus Leibeskräften brüllen konnten. Ab und zu stießen sich auch mit Gewehrkolben in die vorbei rennenden Gefangenen und schlugen einfach wahllos dazwischen. – 90 Mann werden in einen Pullmannwaggon gepresst und das für eine monatelange Fahrt. Da sanken viele auf die russische Erde, blieben irgendwo am Rande des Schienenstranges liegen, ungetröstet und unbeweint. Durch die gänzliche Gehaltlosigkeit der Verpflegung wurden viele der Gefangenen von Durchfall befallen. Auch Robert Sand, der dann in den speziellen Durchfallwaggon verlegt wurde. Hier wurde täglich gestorben und Tode, die völlig ausgezehrt waren, blieben auf der Strecke in den russischen Weiten zurück. Robert Sand wollte hier so schnell wie möglich raus aus dieser bedrückenden Atmosphäre, was ihm auch zum Glück gelungen ist, denn er hatte noch eine Schachtel Streichhölzer bei sich.

    Hölzchen für Hölzchen lies er verglühen und kaute dann die übrig gebliebene Holzkohle der verbrannten Streichhölzer. Das hat ihm fürs erste geholfen, den Durchfall zu stoppen. Not macht erfinderisch! Wer hat schon mal Streichhölzer als Medizin gegen Durchfall gekannt? - In Moskau stoppt der Transport und die Gefangenen wurden zum Duschen geführt. Die meisten Gefangenentransporte hielten hier, denn am 19. Juli 1944 wurden mehrere zehntausend Gefangene in einem riesigen Propagandamarsch durch Moskau getrieben, bevor sie wieder weiter ins Landesinnere verlegt wurden. Der Transport, dem Robert Sand angehörte, fuhr aber weiter, so dass dessen Insassen nicht an diesem Propagandamarsch durch Moskau teilnehmen mussten. In den letzten Tagen dieser Fahrt schienen die Zustände aber einer Tragödie zuzutreiben. Der wochenlange Stumpfsinn in der Zuchthauszelle Pullmannwaggon und die Aussichtlosigkeit lastete auf allen. Es blieben jetzt täglich nur 180 g Trockenbrot und ab und zu etwas amerikanisches Salzfleisch. Im Dösen und Sinnieren vertropfte die Zeit. Immer liegend oder sitzend, den gleichen Blick auf die
    Nachbarpritsche, der stete Betrieb über dem Abortloch, dieselben Geräusche der Schienenstöße, das stöhnen und Schnarchen. Das Schlagen der Räder auf den Schienen hatte sich schon in den Ohren festgesetzt. Bei der Kreuz und Querfahrt und vielen Aufenthalten konnte die Täglich Fahrleistung nicht mehr beurteilt werden.

    Nach endlos scheinender Fahrt von 4 Wochen kam der Transport, dem Robert Sand zugehörig war, endlich an seinem Bestimmungsort an. Es war Karaganda. Wie überzählige Lasten fielen die Gefangenen aus den Waggons. Beim großen Mehlkombinat hatte der Transport gehalten und an der Wassertankstelle für die Lokomotiven kam es unter den so mühselig und geschwächten ausgestiegenen Gefangenen zu Tumulten, denn die bald Verdursteten stürmten diese Wasserquelle, so das die Posten sich kaum mehr zu helfen wussten und von der Schusswaffe Gebrauch machten. Robert Sand kann sich nicht mehr genau erinnern, ob es dabei Tote gegeben und Verwundete gegeben hat. Aber man sollte es kaum für möglich halten nach der Ausladung wurden die Gefangenen, die sich kaum mehr aufrecht zu halten wussten, auf einen langen Fußmarsch durch die asiatische Hungersteppe geschickt, und wer nicht mehr mitlaufen konnte, das waren sehr viele, die wurden nun nicht mehr erschossen, wie zu Anfang der Gefangenschaft, sondern von hinterher fahrenden LKWs aufgelesen und gefahren. Es war eine schier endlos erscheinende Strapaze, bis schließlich das Lager Spasski – Zarod Ende August 1944 erreicht wurde. Robert Sand erinnert sich, wie sie zunächst nicht ins Lager hinein durften, sondern erst rasiert werden mussten, das heißt: alle Körperhaare wurden mit stumpfen Messern abgeschabt. Dies war nicht nur eine schmerzhafte, sondern auch eine demütige Prozedur.
    Es dauerte noch einen halben Tag und eine Nacht, ehe Robert Sand dieses Lager betreten konnte. Als „Kopfkissen“ diente ihm in der Nacht ein Backstein, was auch irgendwie symbolisch war, denn „viele Steine gab’s und wenig Brot“. Es stellte sich heraus, dass dieses Lager in dieser Zeit nur als Durchgangslager diente, denn wenige Tage später wurden alle verlegt ins Lager 3 Kostenko im Raum Karaganda. Kaum dort angekommen ging es zur Sklavenarbeit in den Kohleschacht. Da Robert Sand sich als ehemaliger Reiter gut mit Pferden auskannte, wurde er als Pferdefahrer in 250 m Schachttiefe eingesetzt. Das war im Vergleich zum Arbeitseinsatz jener Kameraden, die so zu sagen vor Ort in der Kohle arbeiteten oder die laufenden Förderbänder mit Kohle vollschaufeln mussten, eine relativ erträgliche Arbeit. Zwischenzeitlich hatten sie auch erfahren, dass der Krieg zu Ende war, und es keimte ein bisschen Hoffnung auf, das dies alles doch nicht so lange dauern möge. Aber viele Kameraden hauptsächlich die aus dem deutschen Osten machten sich die größten Sorgen um ihre Familien und um ihre Angehörigen. All dies war sehr bedrückend. Robert Sand arbeitete bis Juli 1945 in der Kohlegrube, dann durfte er auf einmal das Lager nicht mehr verlassen, und es begannen für ihn völlig unverständlichen Verhöre, die wohl darauf hinausliefen, ihm die Beteiligung an angeblichen Gräueltaten anzulasten, mit den man seine 260. ID. belastete, die ja auf der sowjetischen Liste der so genanten „gesperrten Einheiten“ stand. Wer nun einer dieser Einheiten zwischen 1941 und 1945 angehört hatte fand sich plötzlich auf einer besonderen Kriegsverbrecher Liste wieder.





    Kameradenhilfswerk der
    260. Infanterie- Division


    Mit freundlichen Grüßen


    Karlheinz

  • 4. Teil


    Als die Kunde dieser Liste in die Gefangenen Lager vordrang, entstand dort bald der Spitznahme „gesperrte Einheiten“. Der Grund hierfür war einfach, aber für die Betroffenen wie Robert Sand grausam. Die solcherart ausgesonderten Soldaten wurden von der Möglichkeit, bald wieder nach Hause zu kommen, völlig ausgesperrt. Bald fanden sich zigtausend deutsche Kriegsgefangene nahezu aller Dienstgrade für eine baldige Heimkehr gesperrt und als politische Verbrecher ausgesondert wieder. Sie wurden aus ihren Lagern verschleppt und in besondere „politische Lager“ oder „politische Abteilungen“ anderer Gefangenenlager verfrachtet, wo sie dann wieder einmal besonderen sowjetischen Verhörtechniken ausgesetzt wurden. Die sowjetischen Justizmühlen begannen zu arbeiten. Man ermittelte gegen diese „Kriegsverbrecher“, deren einziges Verbrechen es gewesen war, zum falschen Zeitpunkt der falschen Einheit angehört zu haben. Besonders an dem Jahre 1949 wurden mehr als 50 000 deutsche Kriegsgefangene in lächerlichsten Schauprozessen angeklagt und meist auch verurteilt.

    Verfahren und Prozess sind überhaupt keine zutreffende begriffe für das, was man unter sowjetischer Seite darunter verstand. Bereits die so genannten „Ermittlungen“ waren schlechthin ein Hohn! – Zwar wurden die Beschuldigten durch NKWD und GPU – Angehörige ständig verhört, doch war es bei den angewanden Verhörmethoden und dem, was dann als Aussage aufgezeichnet wurde völlig egal, was ein Gefangener zu Protokoll gab. Die Tatsache, dass er einer „gesperrten Einheit“ angehörte und sich auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion aufgehalten hatte, genügte völlig, ihm den Prozess zu machen. Für die sowjetische Justiz stand dann fest, dass der Betroffene an kriegerischen Geschehnissen zustimmend teilgenommen hatte. Robert Sand konnte damals diese „Feinheiten“ der sowjetischen Justiz noch nicht so genau kennen und grübelte, wer ihn wohl bei den Sowjets angeschwärzt haben könnte? Denn es gab leider in der Kriegsgefangenschaft Kerle, die um geringe Vorteile willen sich zu Fronknechten der eigenen Brüder bestellen ließen und so zu Verrätern wurden, schmutzigen Verrätern – für ein Stück Brot, eine zusätzliche Suppe, einen guten Arbeitsplatz oder aber aus purer, nackter Feigheit!

    Wahrlich das war das Schlimmste, denn diese Verratshandlungen schossen wie Pilze aus dem Boden und vernichteten immer wieder die zarten Ansätze von Vertrauen von Menschen zu Menschen. Und doch, darauf legt Robert Sand wert, gab es auch Wunder. Denn in diesem Sumpf gab es auch noch Männer, die ehrlich, tapfer und treu waren – und das waren wirklich nicht wenige. Je größer die Anzahl der Jahre des Wartens wurden, umso größer wurde ihre Zahl. Denn immer klarer wurde es den Strauchelnden, den Haltlosen, den Mutlosen, das überhaupt die Möglichkeit für ein Herauskommen aus der Hölle, soweit es ums Durchhalten geht, nur über einen geraden Weg und ein Vertrauen auf die eigene Kraft führen kann.
    Rückblickend kann man sagen, dass es feste Freundschaften in der Gefangenschaft nur wenige gab. Schwerste Enttäuschungen in der bittersten Zeit dieser Jahre hielten die meisten von je weder Bindung ab. Wohl aber wurde mit der Zeit das Gegenseitige verstehen besser, auch die kameradschaftliche Hilfe. Viele halfen einem, dessen Herz todwund geschlagen wurde durch irgendeinen bösen Schicksalsschlag – und einer half auch vielen, weil ihm ein Höherer mehr Kraft verliehen und dazu die Gabe zu trösten und aufrichten zu können. Das, so Robert Sand, waren Lichtblicke in dieser Finsternis. Aber es blieben Sandkörner in dieser Wüste des Grauens. Immer wieder gab es Stunden, wo diese schwer geprüften Menschen glaubten, nun keinen weiteren Schlag mehr ertragen zu können. Doch der nächste Schlag kam, auch für Robert Sand.






    Kameradenhilfswerk der
    260. Infanterie- Division


    Mit freundlichen Grüßen


    Karlheinz

  • 5.Teil


    Da er nichts aussagen und bestätigen konnte, was seine Vernehmer von ihm hören wollten, steckten sie ihn in den Karzer, - ein Loch, in dem man bei uns keinen Hund halten würde. Da stellt sich die Frage, wie viel kann ein Mensch körperlich und seelisch ertragen, wo ist da eine Grenze erkennbar? Die Kriegsgefangenen, die es bis hierher in die asiatische Wüste geschafft hatten, was waren das für Menschen? Nun die waren durch Feuernächte, tiefstes Leid und grässliche Qualen gestürmt und gezerrt, verbraucht und gealtert, müde und stumpf und doch noch empfindsam, sobald das Herz angesprochen wird.

    Nachdem Robert Sand durch die vielen Karzeraufenthalte bei Wasser und Brot – wenn überhaupt – nur noch eine Kochstelle war, hat man ihn ins Lager Spasskij verlegt, das sich zwischenzeitlich zum Erholungslager gemausert hatte. Robert Sand erinnert sich: als der Blick der Majorärztin über seine ausgemergelte Gestalt ging murmelte sie etwas von Dystrophie und sagte, das er jetzt besser Essen solle und „nix Arbeit“ machen.

    So ganz ohne Arbeit ging es im Erholungslager Spasskij aber auch nicht, doch Robert Sand erwischte eine halbwegs lukrative Arbeit, die allerdings mit viel Gestank verbunden war. Er wurde Asanisator, das mag auf russischen zwar bedeutend klingen, heißt aber auf Deutsch schlicht und einfach „Scheißefahrer“. Ihm standen zu diesem Geschäft ein Wagen mit 2 Pferden, extra Klamotten und ein Kübel zum Transport der stinkenden Fracht zur Verfügung. Als Asanisator bekam er auch extra Verpflegung, das heißt, die tägliche Ration war etwas mehr und besser als die übliche Lagerverpflegung, und so nach und nach futterte sich Robert Sand wieder ein bisschen „Speck auf die Rippen“. Kaum war er wieder einigermaßen bei Kräften, wurde er wieder als „arbeitsfähig“ ins Lager 2 abgeschoben, wo in größeren und kleineren Tagebauschächten Kohle abgebaut wurde. Die Hauptaufgabe der dort eingesetzten Kriegsgefangenen bestand darin, die Gleise immer wieder an die Kohle ran zu legen, so das keine Transportlücke entstehen konnte. Doch auch in diesem Lager bekam Robert Sand sogleich wieder zu spüren, das der NKWD ihn im Visier hatte, denn urplötzlich begannen auch wieder die Verhöre, und nur wer selbst einmal vor solchen NKWD – Vernehmungstypen als „armes Würstchen“ gesessen oder gestanden hat, kann ermessen, welch große Belastung diese Tortouren für den Betroffenen bedeutet haben. Robert Sand kam gleich anschließend an die Vernehmung wieder in den Karzer bei Wasser und Brot und der körperliche Abbau machte wieder rapide Fortschritte. Als er bei der monatlichen Lagermusterung von der Majorärztin vermisst wurde, holte man ihn wieder aus dem Karzer und stufte ihn als Dystrophiker 4 ein. Altgefangene wissen, dass dieses ein Zustand kurz vor dem Tode ist.

    Robert Sand wurde unzählige Male verhört und in den Karzer gesperrt, wenn seine antworten den Vernehmern nicht ins Konzept passten. Die psychischen und physischen Belastungen waren enorm. Es gab stundenlange Verhöre, ständige Drohungen, Versprechungen, Fangfragen, einander ablösende Vernehmungsoffiziere, grausamste körperlich Misshandlungen, (Fausthiebe in Nacken und Gesicht, Schläge mit Pistolenknäufe u. a. m.) stundenlange „stramme Haltungen“. Bei Verweigerung des „Geständnisses“ folgten Stehzelle oder Dunkelkarzer, verschärft durch Hunger, scharf gesalzene Kost ohne Trinkwasser, Entzug von Mäntel und Oberbekleidung. Nach tage – oder Wochenlangen Karzer – bezw. Bunkerhaft gab es neue Vernehmungen und weitere Misshandlungen. Ziel all dessen war immer das Geständnis, da für angebliche Verbrechen keine wirklichen Zeugen vorhanden waren, abgesehen von den unter Druck gesetzten Mitgefangenen und Lagerspitzeln.

    Die Majorärztin hatte dafür gesorgt, dass Robert Sand wiederum ins Erholungslager Spasskij verlegt wurde. Seine alte Vorzugsstellung als Asanisator konnte er zwar dort jetzt nicht mehr bekommen, aber er wusste schon, wenn er wieder ein bisschen bei Kräften ist, wird die Verlegung erfolgen, und die NKWD – Vernehmer werden sich sogleich wieder an seine Fersen heften und ihn quälen, wieder in den Karzer stecken, also ein Teufelskreis! Die seelische und körperliche Belastung durch die andauernden Verhöre und die beständige Ungewissheit, was sie alles dem Obergefreiten der ehemaligen Wehrmacht Robert Sand anheften wollen, ließ eigentlich gar keine körperliche Erholung mehr zu, denn dieses Dilemma beschäftig Robert Sand bei Tag und Nacht.

    Er sollte mit seiner Meinung nicht mehr fehl gehen, denn nach wenigen Wochen in Spasskij erfolgte die Verlegung ins Lager 5 Elektrowerk, also wieder in ein anders Lager als nach dem ersten Aufenthalt in Spasskij. Auch dieser ständige Lagerwechsel sollte wohl zur Zermürbung des Kriegsgefangenen Robert Sand beitragen. Dort war auch wieder der Robert Sand schon gut bekannte jüdische Kommissar Krems vor Ort, der bei allen bisherigen Vernehmungen dabei war. Das ließ nichts Gutes ahnen. Er ließ Robert Sand wieder abholen und gab ihm im Befehlston zu verstehen, das er seine Kameraden aushorchen und das Ergebnis ihm mitteilen soll. – Die Obergefreiten so sagt man, waren das Rückgrad der deutschen Armee, und wer diesen vorbildlichen Robert Sand kennt, der weis, das dieser nie und nimmer zum Spitzel geboren ist. – So nimmt es nicht wunder, dass er den Befehl des Kommissars Krems missachtet und einfach nicht von sich hören ließ. Doch diese völlige Missachtung des Befehls von Krems sollte böse Folgen haben. Robert Sand wurde mal wieder abgeholt und ins Straflager 13 verbracht. Als er an einem der ersten Tage dort beim Kartoffeln sortieren war, wurde er wieder von einem Wachposten aufgerufen, musste diesem folgen und sah sich oh Schreck – wieder dem Kommissar Krems gegenüber, der schon einen Stoß Blätter vor sich liegen hatte, wo alle Untaten des Obergefreiten Robert Sand protokolliert waren, nur wusste er nicht was in diesen Blättern alles stand. Er hatte wirklich Null Ahnung davon, was auf 70 Seiten des von Krams verfassten Protokolls alles stand. Robert sollte dieses Protokoll unterschreiben, weigert sich jedoch beharrlich, dies zu tun. Kommissar Krems bediente sich aber eines einfachen Tricks. Er brachte Robert Sand ein von einem DIN A4 abgetrennten, etwa 3 cm breiten Abschnitt, auf dem er Unterschreiben solle, das ihm bei der Einlieferung in den Karzer nichts abgenommen worden war. Diese Unterschrift leistete Robert Sand, nichts ahnend, dass dies dem Umfangreichen Protokoll von Kommissar Krems angelegt wurde, womit der Kriegsgefangene Sand etwas zugegeben und durch seine Unterschrift bestätigt hat, was er nie getan hat. So einfach war das damals bei der sowjetischen Justiz. Kommissar Krems versprach noch scheinheilig, dass nun alles überprüft werde, und wenn sich nichts Negatives ergebe, könne der Kriegsgefangene Sand bald nach Hause fahren. Der vegetierte aber noch vom 30.11.48 bis 30. 12. 48 im Karzer, ganz offensichtlich mit dem Zweck verbunden, ihn „weich zu kochen“. Am 29.12.48 wurde Sand von einem NKWD Mann aus dem Karzer geführt und dem im gleichen Haus tagenden Militärgericht übergeben.





    Kameradenhilfswerk der
    260. Infanterie- Division


    Mit freundlichen Grüßen


    Karlheinz

  • 6.Teil


    Robert Sand wusste zunächst nicht, was das zu bedeuten hatte, aber es wurde ihm dann schnell klar, dass hier seine „Gerichtsverhandlung“ ablief. Der Ablauf einer solchen Gerichtsverhandlung war fast immer gleich. Das Gericht bestand meist aus einem höheren Offizier, häufig einem Major als Vorsitzendem und zwei Leutnants oder Unterleutnants als Beisitzern. Weiter waren noch ein Schreiber und ein Dolmetscher anwesend. Diese Funktionen wurden häufig von Frauen bekleidet. Nach Fragen zur Person hieß es dann meist. Bei welcher Einheit waren Sie? Wann waren Sie in der Sowjetunion? Die Antworten interessierten dabei niemanden in diesem Raum. Dann hieß es: „Das Gericht zieht sich zur Beratung zurück“. Das war es dann. Robert Sand wurde aus dem Raum geführt, wenige Minuten später wieder hinein und bekam sein Urteil verlesen:

    „Als Angehöriger der 260. Infanterie – Division hat Robert Sand das sowjetische Territorium betreten und Beihilfe zu Gräueltaten gegen das friedliche sowjetische Volk geleistet“.

    Dann wurden die angeblichen Gräueltaten, die Sand begangen haben soll, verlesen und anschließend das Urteil verkündetet: Der Angeklagte Robert Sand ist am 29.12.1948 vom Militärgericht des MfL. Der Kasachischen SSR laut Strafgesetzbuch vom 19.4. 1943 zum Tode verurteilt worden! Weil diese abgeschafft ist, wird die Strafe auf 25 Jahre Arbeitsbesserungslager festgelegt.

    Der Angeklagte hatte dann noch ein letztes Wort, aber Sand war so perplex, das er nur 2 danke“ sagte. Fragte einer nach der Art der Verbrechen, derer er beschuldigt wurde, hieß es meist: die sind in der ganzen Welt bekannt und müssen hier nicht erläutert werden.

    Nach Robert Sand kam der nächste „Kriegsverbrecher“ an die Reihe, und so wurden nahezu alle inhaftierten pauschal zu Tode bezw. Zu 25 Jahren Arbeitsbesserungslager verurteilt. Jede Verhandlung dauerte etwa 15 Minuten! Begleitet von 2 mit Mpis bewaffneten NKWD. Wächtern wurde Sand dann abgeführt zu einer Baracke hin, in der schon vor ihm die Verurteilten auf die jeweils nächsten gewartet haben. Alle hatten die 08/15 Strafmaß der sowjetischen Justiz „25 Jahre“ verpasst bekommen. Galgenhumor machte sich breit, anderseits aber auch tiefste Resignation. „25 Jahre Arbeitsbesserungslager“ waren wohl die meist gebrauchten Worte dieser Jahre, und die Verurteilten erfuhren bald darauf, meist durch Kameraden die „Bezeichnung“ hatten, aber auch durch deutsch sprechende Bewacher, das es mit den 25 Jahren noch lange nicht abgetan sei. Wenn diese Strafe als verbüßt galt, wurde meist eine nächste Strafe von 10 Jahren „administrativ“ angehängt. Überlebte man auch das, folgte die nächste „administrative“ Strafe und so weiter. Den Gedanken daran, jemals wieder die Heimat zu sehen, konnten die meisten Verurteilten rasch wieder vergessen, denn ihre Chance darauf waren nach diesen Schandurteilen als äußerst gering einzuschätzen. Das war auch bald den letzten Optimisten klar. Diese Verurteilungswellen mit ihren abgewandelten Todesstrafen sprachen jedem Völkerrecht Hohn. 25 Jahre Straflager war mehr als nur ein Schlag mit dem Hammer auf den Kopf. In ihrer Verzweiflung sind viele Männer über Gott zu Gericht gesessen, über Gott dem sie fluchten. Doch das Schlimme daran ist, das diese Schicksale gar nicht aus den unergründlichen Geheimnissen Gottes stammen, sondern das sie nichts anderes als die Fingerabdrücke des Teufels sind, die man gemeinhin Menschen nennt. – Mit dieser Last, im Ohr noch die Schreie der Mongolenwachen und das Heulen des Oststurmes über der Steppe, erfolgte der Abtransport in die Gefängnisse. Es beginnt eine Nervenkrise, wie sie größer noch nicht da war.
    Den Winter 48/49 erlebte Sand im Gefängnis in Karaganda, wo sie mit 60 Mann total überfüllter Gefängniszelle des Nachts nur auf einer Seite liegen konnten, wenn überhaupt. Einer, der als Spitzel ausgemacht war, musste auf dem Toilettenkübel sitzen bleiben, so ein „Stück Scheiße“ hatte nichts Besseres verdient. Für Charakterlosigkeit und Verrat gab es keine Gnade. Aus diesem, als Sonderlager Nr.4 deklarierten Gefängnis an der Eisenbahnstation Noworudnaja, Gebiet Karaganda, wurden die Verurteilten in Gefängniswagen verfrachtet und wurden in das Lager Dscheskasgan verbracht, ein Straf – und Erziehungslager mit verschärften Bestimmungen und Beschränkungen. Die Bestimmungen für dieses Regimelager lesen sich wie folgt:
    „unbegrenzte Arbeitszeit, auch nachts und an freien Tagen – Wichodnoj denj, wie zum Beispiel
    Stalins Geburtstag oder Tag der Verfassung werden nachgearbeitet. Jeder fünfte Sonntag im Monat entfällt. Ansonsten hat die Woche sechs volle Arbeitstage.
    Keine Postverbindung nach Hause, keine Zeitung, keine Bücher oder Lesestoff anderer Art. Es ist ein Schweigelager. Unterricht in der russischen Sprache ist nicht erlaubt. Keine geldliche Entlöhnung für die geleistete Arbeit. Rubelbesitz ist fluchtverdächtig und daher verboten. Einbehalt von 200 g des täglich zustehenden Normbrotes, das bekanntlich 600 g sein sollte. Das zurückgehaltene Brot kann durch Normerfüllung bei der Arbeit wieder geholt werden. Bestarbeiter können noch weitere 100 g sowie 70 bis 100 g Brei – Kascha erarbeiten.“

    Letzter Maßnahme war eine infame, teuflische Anordnung. Mit Brot hatte man zu allen Zeiten in gemeinster Weise Menschen beherrschen und verführen können, unter den gegebenen Umständen umso unbeschwerter und gewissenloser. Die sowjetische Lagerverwaltung schuf sich mit dem Einbehalt in raffinierter Weise ein Brot – Manövermasse, mit der sie das Lager steuerte, zur Fronarbeit antrieb, sowie Funktionäre jeder Art willfährig machte. Bei diesem schändlichen System mussten die Kranken und Schwachen immer mehr an Lebenskraft verlieren und ausbluten. Alexander Solschenizyn, der russische, heute rehabilitierte Nobelpreisträger, der gemeinsam mit Robert Sand, damals natürlich unbewusst, mehrere Lager im Gebiet Karaganda durchlaufen hatte, berichtete in seinem aufsehen erregenden dreibändigem Werk „Der Archipel Gulag“ in vielen ausführlichen Passagen über die Hölle Dscheskasgan. Da er offenbar nie mit einem deutschen eingesessenen Strafgefangenen über dieses Regimelager gesprochen hat, haben wir doppelten Anlass, das Erlebnisträger und Opfer wie Robert Sand die Wahrheit anmahnen. Solschenizyn schrieb: „Schon alleine das Wort Dscheskasgan verursacht physischen Schauer, wie wenn man mit einer groben Raspel über die Haut fährt. Es ist grausam wie seine Geschichte.“ Solschenizyn bekundete auch aus eigenem Erleben die millionenfachen, unschuldigen Opfer des Stalinismus. Das kleine Katorka – Lager Dscheskasgan im ehemaligen Verbannungsgebiet des zaristischen Russland wurde unter Stalins Schreckherrschaft zu einem der grausamsten Straflager mit strengstem Regime ausgebaut.





    Kameradenhilfswerk der
    260. Infanterie- Division


    Mit freundlichen Grüßen


    Karlheinz