2.Teil
Nächtlicher Überfall auf Sherdowka
Hauptfeldwebel Braun postiert sich mit seinem MG. in unmittelbarer Nähe der Brücke am Ortseingang. Die Leuchtkugeln hatten nicht umsonst gewarnt! Wenige Minuten später knackte es im Unterholz des nahen Waldes. Verflucht wenn nur der Mond scheinen wollte knurrte der Brückenwächter leise vor sich hin. Er hatte kaum ausgeknurrt, als sich aus dem Wald eine starke Gruppe löste und mit dem genugsam bekannten Urrääh Geschrei auf die Brücke losstürmten. Die erste Feuergarbe rauschte in die Nacht sie verfehlte trotz der schlechten Sicht ihr Ziel nicht. Die gegnerische Gruppe hatte sich merklich gelichtet. Aber einem Rest von etwa 15 Mann gelang es, sich im toten Winkel in der Nähe des Brückengeländers festzusetzen. „Ausräuchern“ schrie der Hauptfeldwebel in die Nacht und war schon mit einer wurfbereiten Handgranate vor gekrochen. Fast gleichzeitig kam eine zweite Feindgruppe aus dem Wald, um das Dorf in der Flanke zu fassen. Aber da stand der Stabsfeldwebel Stehle und kommandierte das Abwehrfeuer. Nicht ein Feind kam durch.
Währendessen krochen Hauptfeldwebel braun wie eine Katze das vereiste Wegstück zur Brücke hoch. Ein Glück dass ihn keine Russenkugel erwischte, die ihm aus dem Versteck des feindlichen Stoßtrupps entgegenzischte. Nur eine ritze ihm leicht das rechte Ohr, wie er erst später bemerkte. Die Handgranate saust in das Versteck: aber sie schafft es nicht ganz. „Munition“ schrie Braun hinter sich, denn drei dunkle Gestalten schoben sich schon heran.
Hauptfeldwebel Braun schießt aus allen Rohren.
Einer seiner Grenadiere reagiert blitzschnell auf den Zuruf und wirft ihm zwei gefüllte Magazine Pistolenmunition zu. Die reichten um den Rest zu erledigen. Dann sprang Braun auf und rannte zu der halb verfallenen Scheune einige Schritte gegenüber der Brücke, wo den Kameraden bereits die Läufe der Waffen heiß wurden. Denn aus dem Wald stürmte eine dritte Gruppe Russen gegen das Dorf. Und da schoss ein Mann tatsächlich aus allen verfügbaren Rohren. Maschinenpistolen, Gewehr, Pistolen wurden dem Hauptfeldwebel nacheinander von hinten gereicht. Das langte. Die Überlebenden Iwans zogen sich in den schützenden Wald zurück. Der Rest der Nacht zum 24. Februar verlief ruhig.
Beutewaffen und Beutebefehl
Als man am nächsten Morgen das Gelände von Sherdowka absuchte, bedeckten rund hundert Sowjet Soldaten vom I. Btl. der 214. Luftlandebrigade – darunter vier Offiziere und ein Kommissar – als Leichen das weise Feld. Beim absuchen des Geländes stieß ein württembergischer Gefreiter vom IR.470 einem im Schnee liegenden Russen mit der Stiefelspitze an die Filzsohle. Der vermeintliche Tote drehte sich um und begrüßte den verdutzten Deutschen mit „Niet panimaju“ (ich verstehe nicht) Der tote wurde untersucht und schnell geborgen. Er hatte seine Rolle nicht gut genug einstudiert und war darüber im Schnee eingeschlafen. Bei den Offizieren wurden Karten und Angriffsbefehle auf Sherdowka und Iwanzewa erbeutet. Die Zählung der Beutewaffen ergab: 13 IMG. 7 Gr. Werfer, 10 Maschinenpistolen, 90 Gewehre, zwei Panzerbüchsen, Munition und 67 Paar Skier die die Soldaten der Trosse für ihre Spähtruppunternehmen gut gebrauchen konnten, denn die Ausstattung mit Skiern und Winterausrüstung war immer noch kümmerlich.
Die drei erbeuteten Befehle der 214. Luftlandebrigade vom 22. und 23 Februar gaben den Orts Kommandanten und Führern der Gefechtstrosse später einen Überblick über die Gefährlichkeit ihrer Lage. Aus dem Gefechtsbefehl Nr. 1 vom 22. Februar 12°°Uhr geht hervor, das der Russe die Ortsbesatzungen auf durchschnittlich 30-50 Mann schätzte. Die 214. Luftlandebrigade hatte den Auftrag in der Nacht von 22./23. Februar die Orte Tatjanino, Aleksendrowka, Iwanzewa, Potsosonki und Kostinki zu besetzen und dann nach Südosten Richtung Leonowa vor zu marschieren. In Ziffer 11 des Angriffbefehls heißt es wörtlich: Die Ortschaften sind erst nach sorgfältiger Aufklärung ein zu nehmen und gegnerische Besatzung mittels Bajonett und Handgranden zu vernichten. Angriffs beginn war auf 20°° Uhr festgesetzt. Der Brigade Gefechtsstand am 22. Februar ab 22°° Uhr südlich P. 203,7. Am selben Tage, nachmittags 15,10 °° Uhr erließ der Brigadekommandeur Kolobownikow einen zweiten Befehl, der den Angriff auf den 23. Februar um dieselbe Angriffzeit verschob. Die Bataillonskommandeure sollten Waffen, Munition und Soldaten auf dem Landungsplatz und im Absprungraum sammeln und in der Vormarschierung ihrer Einheit aufklären.
Der dritte erbeutete Gefechtsbefehl hatte in gekürzter Form folgenden Wortlaut:
Gefechtsbefehl Nr.1 Wegkreuzung südl. Höhe 203,7 23.02.1942 17 °°Uhr
1.Unter den Truck unserer Truppen geht der Gegner nach Westen zurück und unternimmt an einzelnen Frontabschnitten Gegenangriffe. Vor der Brigade leistet er Widerstand bei Iwanzewa, Potsosonki und Sherdowka. Die feindliche Luftwaffe führt rege Aufklärungstätigkeiten im Raume der Brigade durch.
2. Von rechts greift die 9.L.L. Brigade in Richtung Tipowka an, links ist niemand.
3. Die Brigade geht am 23.2. 42 um 20,30 °°Uhr in Richtung Sherdowka -Podsosonki zum Angriff über und hat die Aufgabe, die feindlichen Besatzungen in Iwanzewa, Podosonki, Kostinki, Sherdowka und Leonowa zu vernichten.
4. III. Btl. im Wäldchen 1,5 Km ostw. Petrischewa folgt dem IV. Btl. nachdem diese Iwanzewa eingenommen hat und marschiert über Tatjanino an den Südwestrand von Leonowa.
5. IV. Btl. Ausgangsstellung am ostw. Waldrand 1,5 Km westl. von Iwanzewa, besetzt Iwanzewa und unterstützt II. Btl. beim Angriff auf Podosonki von Südwesten her.
6. II. Btl. Ausgangsstellung am Ostrand des Waldes 2 Km westl. Kostinki. Auftrag:: Angriff auf Kostinki und nach dessen Einnahme Vormarsch auf Podosonki.
7. I. Btl. Ausgangsstellung für den Angriff, Wald 1,5 Km ostw. Trofimowo, Auftrag: Einnahme von Sherdowka, dann mit Sicherung nach links dem II. Btl. folgen.
8. Die Mienenabteilung, die Pi. Kp. Und die Aufkl. – Korps bilden meine Reserve am Waldrand 1 Km ostw. Petrischtschewa.
9. Ausgangsstellung bis 20 °° Uhr einnehmen. Angriffsbeginn 20,30°° Uhr. Signal durch die Btl.- Kdr.
10. Verbindung während der Operation durch Funk und Ski-Läufer.
11. Btl.- Kdr. Legen genaue Marschkompasszahlen fest und Überprüfen sie auf den Vormarschwegen.
12. Brig. - Gef. – Stand bis Angriffsbeginn Wegekreuzung südlich P. 203,7 Nach Erfüllung der ersten Kampfaufgabe in Iwanzewa und dann in Podosonki. Meldung nach Angriffsbeginn stündlich durch Funk und Ski – Läufer.
Chef des Stabes: Major Spirin
Während die Soldaten der Trosse in Frankreich, Polen und auf dem Vormarsch nach Moskau sich hauptsächlich um ihre Pferde zu kümmern hatten und selten zur Waffe greifen mussten, war dies im Lande der Partisanen insbesondere während des Rückmarsches, anders geworden. Ihre Aufgabe die Pferde zu versorgen war äußerst schwierig, da der Nachschub von Futter Wochenlang ausblieb. Insbesondere in den Monaten Januar und Februar 1942 mussten die Pferde das Stroh von den Dächern fressen und selbst das war nicht immer in Ausreichender Menge aufzutreiben. Hunderte von Pferden verhungerten und den Reitern und den Fahrern kamen oft die Tränen in die Augen wenn wieder eines der vierbeinigen Kameraden verendete. Ohne unsere treuen vierbeinigen Kameraden währen wir alle in der Winterschlacht 1941/42 im Osten verloren gewesen, da die technische Ausrüstung den Schlammperioden und den Schneeverwehungen nicht gewachsen war. Die Soldaten der Trosse die in den Dörfern des russischen Landes unter Einsatz ihres Lebens das Futter für ihre vierbeinigen Kameraden zusammensuchen, sind tapfere Kämpfer geworden, deren Leistung entsprechend dem Tagesbefehl des Kommandierenten Generals denen der vorn kämpfenden Truppe gleich zu stellen sind. Es gab in Russland kein ruhiges Hinderland, es gab nur noch Kämpfer die ihre Pflicht bis zum bitteren Ende taten.
General Heinrici sprach den Trossen der 260. ID in seinem Armee- Tagesbefehl Nr.12 seine besondere Anerkennung aus.
AOK.4 Armee Tagesbefehl Nr. 12
Hauptmann Dr. Schulze hat mit Trossteilen der 260. ID. in der Zeit vom 24.2. bis 26. 2. 1942 einen Angriff von drei Luftlande Bataillonen abgeschlagen und dem Feind schwere Verluste – darunter 250 Tote – zugefügt und große Mengen Beute eingebracht.
Ich spreche Hauptmann Dr. Schulze und denen von ihm geführten Offizieren, Unteroffizieren und Mannschaften der Trosse der 260. ID. für vorbildliche und tapferes und schneidiges Verhalten, das sie auch in der Folgezeit bewiesen haben, meine besondere Anerkennung aus.
Gez. Heinrici
General der Infanterie.
Kameradenhilfswerk der
260. Infanterie- Division
Mit freundlichen Grüßen
Karlheinz