1. Teil
Genau in das Panzerluk getroffen
Ein Kampftag beim „Bataillon 260“ im August 1943
Im zweiten Russlandwinter wurde um den Divisionskommandeur neben den beiden Infanterie – Regimentern eine dritte Einheit in die Hand zu geben, das verstärkte „Bataillon 260“ aufgestellt. Mit der Division geriet diese Einheit im August 1943 in schwere Abwehrkämpfe, die auch Absetzbewegungen in rückwärtige Linien und ernste Verluste mit sich brachten.
Kurze Zeit nach Beginn der feindlichen Offensive bezog das Divisionsbataillon260 nördlich Spass Demensk eine neue Stellung, aus der aber schon in der Nacht der Rückzug auf eine hinter uns liegende Ortschaft fortgesetzt wurde.
Das Dorf in dem wir in der Nacht von den Sturmgeschützen absitzen, ist von Soldaten überfüllt. Dennoch geht es fast geräuschlos und beinahe ohne Licht zu. Jedem ist bewusst das hier Tarnung eine Lebensfrage ist.
Die an der Wand eines Panjehauses in einer Reihe sitzenden und feldgrauen Gestalten sind nur aus nächster Nähe war zu nehmen. Schemenhaft ziehen immer wieder neu eintreffende vorbei, einzeln, gruppenweise, schweigend, von der Last der Waffen und den Strapazen vorn übergebeugt. In den Häusern liegen sie auf dem Fußböden Mann an Mann, dicht getränkt, regungslos, in Dunkelheit und Mief; da und dort Schnarchen, das niemand stört. Hier ist kein Fußbreit Platz mehr zu finden.
Gefechtsstand nahe am Waldrand
Ehe die Dämmerung ausreicht um die Gesichter voneinander zu unterscheiden, bricht der Kommandeur mit seinen Männern in die neue Stellung auf. Mir als Adjutant fällt die Aufgabe zu, den Bataillons – Gefechtstand festzulegen, die Verbindung zum linken Nachbarn einem Regiment einer anderen Division, aufzunehmen und mir anschließend die eigene Stellung einzuprägen.
Der Gefechtsand ist schnell bestimmt. Fast parallel zu unseren Hauptkampfgraben verläuft im Abstand von etwa zwei Kilometer von Norden nach Süden ein Fahrweg. Wo dieser in südlicher Richtung in einem Waldstück verschwindet, ist er zum linken und rechten Flügel unseres Grabenabschnitts etwa gleich weit entfernt. Hier werden rund 50 m vom Fahrweg und 50 m vom Waldrand entfernt die Deckungslöcher für den Kommandeur und mich ausgehoben. Die Funker lassen sich ein wenig abseits und – wegen des besseren Empfangs – ebenfalls auf der freien Pläne nieder, während die Fernsprecher und Melder am Waldrand Stellung beziehen.
Der Gefechtstand unseres linken Nachbarn liegt, wie der unsere nahe dem Fahrweg, über den ich eine Fernsprechleitung verlegen lasse, um die erfahrungsgemäß besonders gefährdete Naht der Division zu nächst einmal Nachrichten mäßig zu sichern.
Von den benachbarten Regimentsgefechtstand die vordere Line und auf diesem Weg die Stellung des eigenen Bataillons zu erreichen, gelingt allerdings nicht mehr, weil der Russe an diesem Morgen sehr schnell nachgestoßen ist, den Zugangsgraben einsieht und unter MG. Beschuss hält.
Im eigenen Grabenabschnitt ist der Abwehrkampf bereits im vollen Gange. Die andere Seite scheint es darauf angelegt zu haben, gerade bei uns durchzubrechen. Sie greift mit zwei Panzern an, die unter den Feuerschutz ihrer Grabenbesatzung über unsere Stellungen im Zickzack fahren, kurven, wenden, drehen, um sie zuzupflügen. Panzerfäuste gibt es noch nicht, Haftminen stehen nicht zur Verfügung. Geballte Ladungen unter die Panzerketten zu legen, gelingt nicht. Dennoch halten unsere Infanteristen verbissen die Stellung: beim herannahen der stählernen Kolosse ziehen sie ihre Maschinengewehre ein, weichen aus, gehen tief im Graben in Deckung und erheben sich sogleich, sobald die Ungetüme an ihnen vorbei oder über sie hinweg sind.
Die Angriffslust der Russen wird erst gestoppt, als einer der beiden Panzer ausgeschaltet wird. Wieder einmal fährt dieser einen Angriff auf den Graben, jedoch unterlässt es die Besatzung diesmal, die Luke zu schließen. Diese Gelegenheit läst einer unserer Unteroffiziere nicht ungenutzt. Bis auf Wurfnähe läst er ihn herankommen und schleudert dann – wohl gezielt und mit viel Glück--- eine Handgranate genau in das offene Loch--- Explosion der Panzer bleibt auf der Stelle liegen.
Wie dieser Erfolg die Abwehrkräfte belebt, ist schwer in Worten wieder zu geben. Die Grabensoldaten die ihre Stellung gegen eine waffenmäßige Übermacht seit Stunden halten, ohne die Hoffnung zu haben, gegen den Angreifer etwas Entscheidendes auszurichten erleben nun das dieser doch verwundbar ist. Das gibt neuen Mut. Im Abschnitt der linken Nachbardivision hat der Gegner mehr Glück. Dort gelingt es ihm, mit einem Trupp die Front zu durchstoßen, der nun unseren Bataillons Gefechtstand in eine recht bedrohliche Lage bringt.
Es ist früh am Nachmittag. Der linke Nachbar gibt folgende Warnung fernmündlich durch: Russische Truppen in Stärke von 15 Mann im Waldstück bei Divisionsbataillon 260:
Jetzt muss schnell gehandelt werden. Mit den verfügbaren Kräften des Bataillonsstabes --- etwa 5 Mann --- mache ich mich auf, das Wäldchen zu durchkämmen. Von dem bereits erwähnten Fahrweg aus soll der Einsatz beginnen.
Ehe diese Ausgangsstellung erreicht wird, entdecke ich etwa 20 deutsch Soldaten die aus Richtung Front kommen und führerlos durch das Gelände schlendern. In der Hoffnung durch sie eine personell Verstärkung zu erfahren, erwarte ich sie -- 18, -- 19, --- und 20, jährige Jungs. Sie melden das sie dem linken Nachbarregiment angehörten, kurzfristig in der Heimat ausgebildet, seit wenigen Tagen in Russland ihre Kompanieführer und ihr Unterführer gefallen und sie allein nicht mehr in der Lage gewesen seien, die Stellung zu halten.
Nach dieser Darstellung ist mir klar, dass der russische Trupp mit dem wie es jetzt hinter der Front zu tun haben, dort durchgestoßen ist, wo diese jungen Leute ihre Stellung verlassen haben. Es erscheint mir angemessen, dass diese nunmehr mithelfen das Hinterland freizukämpfen. Ich unterstelle sie meinem Kommando und reihe sie in die Schützenkette ein, nicht ahnend dass ich damit noch eine böse Erfahrung machen soll.
Wir durchkämmen das Wäldchen in einem flachen Bogen um den Bataillons – Gefechtstand in einer Breite von etwa 200 Metern und stoßen nach etwa 1 Kilometer auf den Waldrand, ohne bis dahin verdächtiges bemerkt zu haben.
Kameradenhilfswerk der
260. Infanterie- Division
Mit freundlichen Grüßen
Karlheinz