Guten Morgen Freunde
In der Ära des Volkssturms, die von Oktober 1944 bis Mai 1945 dauerte gab es kein anderes Dokument, das so weitreichend Auswirkungen auf die Zahl der verfügbaren Volkssturmmänner hatte wie die Zuteilungskarte (Z-Karte). Für den Einzelnen bedeute diese Karte oft nicht weniger als den Unterschied zwischen Leben und Tod. Schließlich war die Chance, mit einer solchen Karte in einem Kampfbataillon der ersten Linie zu landen deutlich geringer, als wenn man keine solche Karte zur Verfügung hätte.
Dieses Dokument ist natürlich in der Literatur ausführlich beschrieben, aber im Gegensatz zu anderen Volkssturm Dokumenten ist die Zuteilungskarte nicht auffindbar. Ich arbeite seit Jahren intensiv an meiner Sammlung mit dem Schwerpunkt "Berliner Volkssturm Papier", habe aber noch nie eine Zuteilungskarte gesehen.
Aber fangen wir mit der Geschichte an
Vermutlich Ende Oktober oder im November 1944 wurde Walter Müller, wohnhaft in der Fontanestraße 18, in seiner Ortsgruppe "Lichterfelde-West", in den Volkssturm eingegliedert.
Im Alter von 36 Jahren wurde er im Aufgebot I aufgenommen.
Das Staatliches Materialprüfungsamt, bei dem Müller für die Wartung der elektrischen Anlage zuständig war, leitete das Verfahren zur Umstufung von Müller auf Aufgebot II ein, um ihn zur Verfügung behalten zu können.
Karte MatPrüAmt - Kreis - Ortsgruppe - Müller - light.jpg
Das Personal von Aufgebot I konnte im Gegensatz zu Aufgebot II schnell in den ersten Volkssturm Einsatz Einheiten eingegliedert werden. Darüber hinaus konnten diese Einheiten von Aufgebot I bis an die Gaugrenzen eingesetzt werden, was natürlich bedeutete, dass die Volkssturmmänner nicht jeden Tag nach Hause zurückkehren konnten wie ihre Kollegen von Aufgebot II. Aufgebot II wurde erst aufgerufen, als der Feind fast vor den Toren der Stadt stand.
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Die vorgeschriebene Zuteilungskarte, auch Z-Karte genannt, wurde mit dem Grund ausgefüllt, warum Müller für das Prüfungsamt unentbehrlich war.
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Die Z-Karte wurde dann dem Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung übergeben, Adresse Unter den Linden 69.
Karte Mitte Ministerium - Gau Berlin.jpg
Als Aufsichtsbehörde des Staatliches Prüfungsamtes bestätigte dieses Reichsministerium die Notwendigkeit, Müller an seinem Arbeitsort zu belassen.
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Das vom Leiter der Präsidialkanzlei, Martin Bormann, ausgearbeitete Verfahren sah vor, dass die Z-Karte nach Bestätigung durch die Behörden an die Kreiskommission des NSDAP-Kreises, in dem der Betroffene wohnte, weitergeleitet werden sollte. Dies war der Kreis III, 'Steglitz-Tempelhof', der seine Adresse in der Breite Straße 40.41. in Steglitz hatte.
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Das Reichsministerium beschloss aus unbekannten Gründen, dieses Verfahren nicht zu befolgen, sondern die Z-Karte an die Gau (Berlin)-Kommission zu übersenden, die ihre Adresse in der Hermann-Göring-Straße 14 in der Nähe der Reichskanzlei hatte.
Die Gau-Kommission bestätigte die Notwendigkeit, Müller in den Aufgebot II einzuordnen.
Für die endgültige Abwicklung des Verfahrens musste die Karte der zuständigen Ortsgruppe "Lichterfelde-West" übergeben werden. Logischerweise müsste dies über die Kreisleitung "Steglitz-Tempelhof" erfolgen.
Am Ende war es dann an der Ortsgruppe, Müller einer Aufgebot-II-Einheit zuzuordnen.
Diese Z-Karten wurden dann in der Ortsgruppe aufbewahrt. Diese "Archive" der vielen Berliner Ortsgruppen gingen im April und Mai 1945 (fast?) alle verloren, absichtlich oder nicht zerstört.
Diese Z-Karte ist also die erste, die ich je gesehen (und gekauft) habe. Daher betrachte ich diese einfache und nicht sehr wertvolle Karte, von der damals viele Tausende verwendet wurden, als das seltenste Stück meiner Sammlung.
Wie diese eine Karte auf dem Trödelmarkt auf der Straße des 17. Juni gelandet ist, ist ein Rätsel.
Grüße
Peter