Beiträge von CzarnaWoda

    Hallo an alle Interessierten,


    ich arbeite seit kurzem in der Stadt Niesky und war am Wochenende das Waldband in der Stadt besuchen. Da stieß ich an einem (Wasser?)Turm auf eine Gedenktafel der Stadt Niesky, die an dieser Stelle den Kämpfen und den Opfern des 2. Weltkrieges gedachte. Jetzt war meine Neugierde gepackt und ich stieß somit auf euren Austausch an dieser Stelle. Da ich gebürtiger Görlitzer bin, möchte ich etwas zum Austausch beitragen, die Stadt Görlitz betreffend. Vieles meines Wissen beruht auf Zeitzeugenberichten oder Recherchen aufgrund anderer Hintergründe, so dass ich keine Quellen angeben werde (da jetzt nicht parat) und ich nicht den Anspruch auf Vollständigkeit oder die absolute Wahrheit erhebe.


    Kurz zu Görlitz:


    Görlitz war definitv ein operatives Ziel der sowjetischen Kriegsführung und sollte auch eingenommen werden. Jedoch vereitelten das Pz.-grenadierregiement "HG" und ein Volkstrumregiment - dessen Name ich jetzt nicht auf dem Schirm habe - insbesondere im Raum Lauban, Bunzlau und der Görlitzer Heide, den geplanten Vormarsch. Hier erlitten in heftigen Abwehrkämpfen beide Seiten große Verluste. Die Folge daraus war, dass die Angriffsbemühungen der Sowjets sich links und rechts Görlitz umgehend verlagerten. Das ein Angriff auf Görlitz erwartet wurde, lässt sich auch darin widerspiegeln, dass in Görlitz etliche Abwehrstellungen gebaut wurden. Ich selber weiß von Zeitzeugen, dass insbesondere im Norden - also Richtung Rothenburg - Alle Straßenzufahrten mit Panzersperren versehen wurden. Das Finstertor wurde zum Beispiel bis unter den Torbogen mit Schutt, Sand etc. zugeschüttet. Auf dem Feld hinter dem östlichen Ausgang des Friedhofes wurden Panzerabwehrstellungen errichtet mit vermutlich 7,5 cm Pak und u.U. auch einer 8,8 cm Flak sowie MG Stellungen und Laufgräben mit Blickrichtung Norden (Klingewalde). Auf der Neugasse., eine Parallelstraße zur Rothenburger Straße, wurden ebenfalls Befestigungen, Laufgräben und MG Nester ausgehoben. Blickrichtung Norden und Osten (Neiße). Zusätzlich wurde hier ein Munitionslager angelegt und ein oder zwei kleinere Flakgeschütze - vermutlich zum Einsatz im Erdkampf - in Stellung gebracht. Des Weiteren soll sich auf der Rothenburger Straße im Bereich des Abzweiges Richtung Klingewalde ein großer Bombentrichter befunden haben, der auch als Panzersperre genutzt werden sollte. Im Bereich Königshufen gab es ebenfalls Zufahrstwege entlag des Friedhofes ins Stadtzentrum, die jedoch, durch eine damals noch vorhandene Teich- oder Flußanlage zum Teil geflutet und für motorisierte Verbände somit nicht nutzbar gemacht worden sein sollen. Als sich abzeichnete, dass die Kämpfe an Görlitz vorbeigehen, zogen die eingesetzten Truppen ab, da sie sowohl ihre Ausrüstung (Handfeuerwaffen, Panzerfäuste, Helme) zurückließen, als auch die schweren Waffen und die Munitionsvorräte, hält sich die Vermutung, dass die Einheit(en) dessertierten oder sich den Amerikanern in Tschechien ergeben wollten. Letzteres wurde so von einer Zeitzeugin geäußert, der gegenüber wohl dieses Vorhaben offenbart wurde.
    Dass es in Görlitz zu keinen Kampfhandlungen kam, soll aber nicht darüber hinweg täuschen, dass es auch in dieser Stadt zu Kriegsverbrechen (Vergewaltigungen, Plünderungen, Exekutionen) kam, was leider fast gar keine Aufmerksamkeit in der Stadt erfährt. Dies reiht sich aber auch ein in den generellen Kriegsverlauf in meiner Heimatregion, der, wie ich selber immer wieder feststelle, keine nennenswerte Erinnerungskultur besitzt. Klar, über Bautzen hat man schon etwas gehört und auch, dass im Raum Rothenburg heftige Kämpfe stattfanden. Aber wenn ich hier von Jänkendorf, Diesha, Kodersdorf-Bahnhof etc. lese, dann bin ich doch darüber schockiert, wie nah der Krieg in dieser Region war und wie wenig man (ich) davon weiß bzw. auch der Mehrzahl der Menschen bewusst sein wird. Deshalb wäre ich über einen Wissensaustausch über die Geschehnisse dieser Zeit sehr interessiert. So würde mich zum Beispiel interessieren, warum ausgerechnet an diesem Wasserturm in Niesky eine Gedenktafel angebracht wurde. Fanden dort die heftigsten Kämpfe satt? Auch, wie ich hier las, dass Niesky hart umgekämpft war, ist mir neu. Auch hierzu würde ich mich über detailliertere Berichte sehr freuen.


    Vielleicht hat da ja jemand Lust drauf und möchte mit mir ins Gespräch (ins Schreiben) kommen.


    Beste Grüße, CzarnaWoda.