Erfahrungen über die Abwicklung von Marschbewegungen beim winterlichen Rückzug

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    Abschrift und Bearbeitung

    Quelle: germandocsinrussia


    Geheim !


    Div. Gef. Stand, den 17.01.1944

    23. Infanterie-Division

    Abt. Ia Nr. 92/44 geheim


    Bezug: Fs. Gen.Kdo. XXXXIII.A.K. Ia

    Nr. 187/44 geh. v. 12.01.44


    Betr.: Erfahrungen über die Abwicklung von Marschbewegungen beim winterlichen Rückzug


    An

    Generalkommando XXXXIII.A.K.



    Die Division gibt nachstehend Erfahrungspunkte aus der Bewegung „Grün“ im Dezember 43 / Januar 1944


    1.) Die Rückmärsche wurden bei mäßiger Kälte und meist geringer Schneelage durchgeführt. Die Rückmarschwege waren meist unbefestigte Winterwege mit starken Steigungen und weichen Stellen. Wegeerkundung erwies sich noch immer als unzureichend. Sie muss von jeder Einheit durchgeführt werden und ins einzelne gehen. Zweckmäßig ein Erkundungskommando nochmals in festgelegtem Abstand vor der Truppe, um inzwischen eingetretene Veränderungen (eingebrochene Brücken, aufgefahrene weiche Stellen, glattgefahrene Abhänge usw.) festzustellen und bei Stauungen vor der Marschgruppe rechtzeitig zu warnen.


    2.) Schärfste Trennung der Straßen für motorisierten Verkehr und Pferdeverkehr ist dringend erforderlich. Pferdefahrzeuge hemmen den flüssigen Marsch der mot. Fahrzeuge, mot. Fahrzeuge bleiben auf den schlechteren Wegen für pferdebespannte Wagen liegen und versperren alles.


    3.) Verkehrsregelungsorgane durch zahlreiche Offiziere verstärken und mit rücksichtsloser Schärfe durchgreifen lassen. Gegenverkehr völlig unterbinden. Abschleppfahrzeuge müssen sowohl in mot. Kolonnen mitfahren als auch an besonders schwierigen Stellen für Kolonnen aller Art hilfsbereit stehen.


    4.) Koppelung von Artillerie mit Infanterie-Einheiten, die als Begleitkommandos bei den Geschützen marschieren und als Schiebekommandos eingreifen können, hat sich sehr bewährt.


    5.) Überladene Fahrzeuge sind zum Ausfall verurteilt. Vor Antritt der Bewegung muss soviel Gerät abgeschoben sein, dass die Fahrzeuge höchstens 2/3 ausgelastet sind und außerdem Reservegespanne und Reserve-LKW. verfügbar bleiben.


    6.) Abstände der Marschgruppen, die klein zu halten sind, müssen Stunden betragen, dicht Aufmarschieren kostet bei den immer eintretenden Stauungen viel Kräfte und Zeit.


    7.) Pi.- oder Baukräfte müssen bei den Marschgruppen marschieren. Es ergab sich, dass stets an unerwarteten Stellen Sumpfstellen aufbrechen, Durchlässe zusammengefahren wurden usw. .


    8.) Wildes Rasten unterer Führer auf der Straße gefährdet jede Bewegung. Rasten müssen rücksichtslos befohlen und eingehalten werden. Sie müssen reichlich sein (je nach Witterung) z.B. letzte Viertelstunde jeder Marschrunde.


    9.) Niemals Einzelfahrzeuge laufen lassen. Durchkommen ist oft nur bei gegenseitiger Hilfe möglich.


    10.) Jeder Fahrer muss in Fahrstrecke und Zielort eingewiesen sein. Es kommen immer Fahrzeuge von der Wegestrecke ab.


    11.) Bewegliche Kraftstoffreserven sind bei jeder mot. Marschgruppe unerlässlich. Es gab immer wieder Überraschungen, dass Fahrzeuge, noch zu unerwarteter Fahrt eingesetzt, plötzlich ohne Brennstoff standen.


    12.) Filzstiefel sind bei Kälte bis 10 Grad zum Marsch ungeeignet. Die Füße ermüden zu schnell. Der Verschleiß ist sehr hoch. Lederschuhe sind voll ausreichend, solange die Straße nicht verlassen wird.


    13.) Schiebekommandos an jedem Fahrzeug sind unerlässlich. Sie müssen aber wirklich schieben und nicht nur fluchend auf die Pferde dreschen. Bewährt sind bei schweren Fahrzeugen (Geschützen) dauernd eingehängte Zug- und Haltestaue, um rutschende Fahrzeuge mit den am Haltetau marschierenden Mannschaften sofort bremsen oder ziehen zu können.


    14.) Das Umwickeln der Räder von Gespannfahrzeugen mit Gliederketten oder Stacheldraht, um der Rutschgefahr zu begegnen, hat sich als Behelf bewährt.


    15.) Bremsen an den Fahrzeugen reichen meist nicht aus. Anbringen von Bremsschuhen erscheint praktisch.


    16.) Räder und Deichseln brechen bei jedem schwierigen Marsch in Massen. Reserven müssen verfügbar sein. Im Notfall sind kleine kräftige Schlitten zum Aufbocken der Achse geeignet. Als letzter Notbehelf hat ein schleifender Balken statt eines Rades selbst bei der 1e.F.H.18 gute Dienste getan.


    17.) Bei Dunkelheit gehört vor jedes Fahrzeug ein Mann, um Verbindung zu halten, zu erkunden und zu warnen.


    18.) Egoismus ist der schlimmste Feind der Marschbewegung. Selbst Offiziere dachten nur an ihre eigenen paar Fahrzeuge. Selbstsüchtiges Überholen, eigensüchtige Hilfeleistung an schwierigen Stellen mit folgenden Stauungen und Stockungen. An einer schwierigen Steigung, die nur mit Vorspann zu schaffen war, standen 200 Fahrzeuge ohne dass 1 Offizier auf den Gedanken kam bei den letzten 50 Fahrzeugen die Gespanne auszuspannen, um mit durchgreifender Organisation schnell für alle die Schwierigkeit zu meistern. — Führer aller Grade müssen vorher über ihre Verantwortlichkeit an dem Gesamtablauf belehrt werden. Sie gehören auch nicht zur Erkundung in die nächste Unterkunft, wenn ihre Marschtruppe auf der Straße festliegt.




    Gruß Marga