Hallo Allerseits,
Abschrift und Bearbeitung!
Artillerie-Regiment 28
Kommandeur
Regiments-Gefechtsstand, den 20.11.1942
Stellungskrieg
1. Der Stellungskrieg, der natürliche Abschluss der Vormarschbewegung und des Angriffskrieges in Feindesland, ist der Truppe fremd. Die Erfahrungen des ersten Weltkrieges sind von der Truppe noch nicht verarbeitet.
2. Im Stellungskrieg kommt es darauf an, durch unermüdlichen Ausbau der Stellungen, sorgfältige Tarnung, richtiges Verhalten der Truppe und durchdachte Regelung der Zufuhr von Munition und Verpflegung die Abwehr so wirkungsvoll wie möglich zu gestalten, und die Verluste auf das geringste Maß herabzudrücken.
3. Auch an einer ruhigen Abwehrfront sind alle Vorbereitungen zu treffen, einen Großkampf erfolgreich durchführen zu können.
Schnellstes Auslösen des Sperrfeuers zu jeder Zeit.
4. Auch im Stellungskrieg wird volle Beweglichkeit der Batterien gefordert, soweit es sich um das Beziehen der Wechselstellungen und um den Einsatz einer Batterie jeder Abteilung zur Verstärkung an anderer Stelle handelt.
5. Im Stellungskrieg ist eine scharfe Trennung der Kampf-Batterie und der rückwärtigen Teile unvermeidlich.
In die Feuerstellung und auf die Gefechtsstände gehört nur die notwendige Besetzung und das notwendigste Gerät. Alles andere bleibt in der Protzenstellung.
Stäbe und Batterien haben sich dazu zu erziehen, nur mit dem „Sturmgepäck“ ausgerüstet den Stellungskrieg zu führen. Ein Loslösen aller zur Kampfführung nicht notwendigen Mannschaften, Pferde und Fahrzeuge ist durchzuführen.
6. Die Beweglichkeit auch im Stellungskrieg bleibt vordringlich. Die russische Artillerie, die die Auswertung der deutschen Beobachtungs-Abteilungen im scharfen Schuss erfährt, hält sich in fortgesetzter Bewegung und feuert aus immer neuen Stellungen.
Die deutsche Artillerie muss diese Beweglichkeit spätestens dann gelernt haben, wenn die russischen Beobachtungs-Abteilungen an der ganzen Front auftreten. Vor Petersburg hat der Feind mit Schallmess den Knall von zwei Blindgänger-Sprengungen angeschnitten und kurze Zeit darauf den Geländepunkt unter Feuer genommen.
Den Drang zum Festkleben an einer Stellung bekämpfen!
7. Das Schießen mit Arbeitsgeschützen und aus Wechselstellungen wird für die Erledigung der täglichen Aufgaben zur Regel werden müssen.
8. Bei stärkerer feindlicher Artillerie-Tätigkeit und bei Auftreten feindlicher Flieger ist jede Bewegung in Gelände auf das Äußerste zu beschränken. Zur Vermeidung unnötiger Verluste sind die Deckungen möglichst wenig zu verlassen.
Bei feindlichem Artillerie-Feuer auf den Anmarschstraßen und feindlicher Fliegertätigkeit im Hintergelände kann es notwendig sein, die Zuführung von Munition und Verpflegung auf die Nacht zu beschränken. Im ersten Weltkrieg war diese Maßnahme Regel.
Infolge der großen Entfernung der Protzen von den Feuerstellungen war es notwendig, des Abends zu kochen, die Verpflegung bei Nacht nach vorn zu schicken und die warme Verpflegung bis zum Mittag des nächsten Tages heiß und genießbar zu halten. (Gelegentlich zu üben).
9. Erziehung und Ausbildung der Truppe im Stellungskrieg:
Der deutsche Soldat muss es lernen, so zu graben wie es der Russe kann.
Alle Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften sind in der einfachsten Handhabung der Werkzeuge und im Stellungsbau auszubilden. Die Erklärung, in diesem Dienstzweig oder in einem Handwerk nicht ausgebildet zu sein, ist keine Entschuldigung sondern ein Vorwurf und das Bekenntnis eigener Fehler. Was der Soldat nicht kann, hat er zu lernen!
Wenn auch heute noch die handwerkliche Geschicklichkeit und die körperliche Arbeitsleistung der Russen bewundert wird, so ist dies ein Beweis dafür, dass der deutsche Soldat dem Russen in diesen Dingen nachsteht und dass es dem deutschen Soldaten dringend nottut, das zu lernen, was der Russe kann. Der Russe hilft sich in allen Lagen selbst.
Der Deutsche fordert auf dem Dienstwege an und ist hilflos - und beruhigt -, wenn das angeforderte Gerät nicht geliefert wird. Der deutsche Soldat muss es lernen, diese Dinge so ernst zu nehmen, wie sie sind. Der Krieg wird so lange dauern, dass ein jeder Gelegenheit hat, alle für das Feldleben notwendigen Kenntnisse sich anzueignen.
Nicht allein zur Beschäftigung hat der Oberbefehlshaber Anweisungen erlassen, Nägel, Schaufeln, Stroh-Stiefel anzufertigen. Jedes Stück Draht kann zum Nagel umgearbeitet werden, jedes Stück Blech nutzbringend verwendet. Öfen werden nicht nur angefordert, sondern einmal selbst gesetzt.
10. Der Bewegungskrieg im Winter und die behelfsmäßige Einrichtung einer Feuerstellung mit Unterkunft für die Nacht ist zu üben, am zweckmäßigsten gelegentlich des Feuerns mit einem Geschütz aus einer Arbeitsstellung.
Unterbringung in Finnenzelten oder in Schneehütten ist durchzuführen:
- Ausheben flacher Deckungslöcher auch bei hart gefrorenem Boden.
- Zeltbau durch Zusammenfügen der Zweige von zwei Büschen,
- Abdichten durch Zeltbahnen und
- Kälteschutz durch Anlegen von Schnee,
- Bodenbedeckung mit Stroh.
- Unterbringung der Pferde im Windschutz hinter Schneewänden.
11. Vorbedingung der Beweglichkeit im Stellungskrieg ist die Kenntnis des Geländes. Jeder Batterie-Offizier und Zugführer muss die Umgebung seiner Feuerstellung im Umkreis von wenigstens einem km genau kennen, über die Geländeverhältnisse unterrichtet sein:
- Anmarschwege,
- Möglichkeit der Wechselstellungen,
- Arbeitsgeschütze,
- Nahverteidigung,
- Nah-Beobachtungs-Stelle usw.
Jeder Abteilungs-Stab hat sich über die Verhältnisse im eigenen Abschnitt genau zu unterrichten und muss die Nachbarabschnitte kennen.
Der Regiments-Stab erstreckt diese Erkundungen auf das Gebiet der Nachbar-Divisionen.
12. Der Dringlichkeit entsprechend sind diese Tatsachen und Anordnungen zu beachten und ihre Durchführung fortgesetzt zu überwachen.
v. Nordheim
Quelle: germandocsinrussia
Gruß
Antje