Füsilier-Regiment 230 / 76. Infanterie-Division

  • 13.11.1943


    Der Gegner trat am heutigen Tag anscheinend mit Rücksicht auf die schlechten Wetter- und Wegeverhältnisse nicht zu dem erwarteten Großangriff an. Er verhielt sich vor der ganzen Front außer schwächeren Vorstößen im Abschnitt der rechten Division und örtlich begrenzten Angriffen der 384. Infanterie-Division ruhig.


    Im einzelnen:


    76. Infanterie-Division wehrte vereinzelte Vorstöße in Kompanie-Stärke westlich Korssunowka, ostwärts Kopany (dabei auch 3 Panzer) und südlich Graphit ab und zersprengte Bereitstellungen bis Bataillon-Stärke vor ihrem rechten Flügel und südlich Petrowo.


    Der Kommandierende General suchte in den Vormittagsstunden die SS-T. und die 76. Infanterie-Division auf. Es wird noch einmal die Kampfführung bei der Abwehr des zu erwartenden Großangriffes im einzelnen besprochen. Das Reserve-Bataillon der 76. Infanterie-Division wird auf Befehl des Kommandierenden Generals hinter den linken Flügel der Division gezogen, die leichte Abteilung des 3. SS-Artillerie-Regiments zur örtlichen Verstärkung im Raum westlich Petrowo in Gegend Bairak verschoben.


    Absicht des Korps und Aufträge für die Divisionen bleiben unverändert.


    Quelle: Bittere Pflicht von J. Löser


    weiteres folgt............


    Gruß
    Michael

  • Nachtrag:


    Großangriff sowjetischer Panzer- und mech. Korps
    14. bis 23.11.1943


    Das KTB des LII. AK verzeichnet auszugsweise:


    Wie erwartet trat der Gegner nach trommelfeuerartiger Artillerie-Vorbereitung gegen die Front der 76. Infanterie-Division und den rechten Abschnitt der 384. Infanterie-Division zum Großangriff an.


    Es gelang ihm, die Front des Korps an mehreren Stellen zu durchbrechen und im Laufe des Tages den Raum bis zur Rollbahn Losowatka-Spassowo im Abschnitt Luganka-Wodjana unter hohen Verlusten an Menschen und Panzern zu gewinnen. Unter Einsatz der SS-T. wurde die Einbruchsstelle im wesentlichen abgeriegelt, über die Linie nach Südwesten vorgestoßene Angriffsspitzen im Gegenangriff zurückgeworfen oder aufgerieben.


    Im einzelnen:


    76. Infanterie-Division: Nach 1,5 stündigem Trommelfeuer griff der Gegner mit starken Infanterie-Kräften, unterstützt von 21 Panzern, den mittleren Regiments-Abschnitt der Division am, durchbrach die HKL und nahm Höhe 160,0 und umfassend Kopany. Weiterer Vorstoß von dort nach Südwesten und Westen wurde vor Myschelowka und Krassno Konstantinowa aufgefangen.


    Zu gleicher Zeit bei Petrpol angreifender überlegener Feind nahm über Mariampol die Höhe 164,9. Am linken Flügel der Division durchbrach der Russe mit besonders starken Infanterie-Kräften die HKL und stieß nach Inbesitznahme von Alexandrodarowka über Höhe 183,3 unterstützt von Panzern, in westlicher Richtung gegen Nowo Moskownoje vor und nahm den Ort.


    Quelle: Bittere Pflicht von J. Löser


    weiteres folgt............


    Gruß
    Michael

  • Nachtrag:


    6.30 Uhr
    Der Armee (Ia) wird das seit 5.30 Uhr im Abschnitt der 76. Infanterie-Division liegende Trommelfeuer gemeldet. Das Korps (Ia) rechnet mit dem Beginn des erwarteten Großangriffes des Feindes. Die Armee genehmigt den Einsatz der SS-T. durch das Korps bei Gefahr im Verzuge und Ausfall der Nachrichtenverbindungen.


    6.45 Uhr
    76. Infanterie-Division (Kdr.) meldet den Angriff starker Infanterie-Kräfte seit 6 Uhr auf Mariampol und Grab Tschuwataja nach Südwesten. Bereits bis 8.35 Uhr ist dem Gegner bei Luganka ein tiefer Einbruch bis in den Raum ostwärts Myschelowka- ostwärts Krassno Konstantinowka mit Panzern gelungen. Dieser Einbruch ist nach Ansicht des Korps mit den verkämpften Teilen der 76. Infanterie-Division nicht mehr zu bereinigen. Reserven stehen der Division zum Gegenstoß in diesem Raum nicht zur Verfügung.


    12.20 Uhr
    In den Mittagsstunden trifft der Oberbefehlshaber Pz. AOK 1, General der Panzertruppe Hube auf dem Gefechtsstand des Korps ein und unterstellt die 11. Panzer-Division dem Korps um am 15.11. je nach Entwicklung der Lage aus dem Raum Warwarowka zum Gegenangriff gegen den beiderseits der Naht zwischen 76. Infanterie-Division und 384. Infanterie-Division eingebrochenen Feind nach Osten oder Nordosten anzutreten.


    Quelle: Bittere Pflicht von J. Löser


    weiteres folgt............


    Gruß
    Michael

  • Nachtrag:


    14.10 Uhr


    Auf Befehl der Armee wird die Panzer-gruppe der 11. Panzer-Division gegen einen nach Meldung der 76. Infanterie-Division im Raum westlich Luganka durchgebrochenen Panzer-feind zum Gegenstoß angesetzt. Infolge des Einsatzes der SS-T. gelingt es, einen Durchbruch des Feindes bei der 76. Infanterie-Division in der allgemeinen Linie entlang der Rollbahn Luganka – Warwarinskoje zu verhindern. An der Naht zwischen 76. Infanterie-Division und 384. Infanterie-Division hat jedoch Feind eine etwa 8 km breite Lücke in die eigene Front geschlagen, aus der er die Möglichkeit hat, am 15.11 im weiteren Vorstoß nach Westen einen entscheidenden Durchbruch zu erzwingen.


    Anstelle des erkrankten Generalleutnant von Scheele wird Generalleutnant Buschenhagen, bisher Kommandeur der 15. Infanterie-Division mit der Führung des Korps beauftragt.


    21.50 Uhr


    Hierzu erhalten die Divisionen folgenden Befehl:

    • Ich habe heute die Führung über das LII. AK. Übernommen
    • Der Feind hat heute morgen den erwarteten Großangriff gegen den rechten Flügel und Mitte Korps begonnen und mit überlegenen infanteristischen und Panzerkräften bis zum Abend die Linie ostwärts Luganka – ostwärts Krassno Konstantinowka – Werschino Wlassjewka – Nowo Moskownoje – Wodjana – Tschetscheliwka erreicht. Dem Gegner wurden hohe Verluste zugefügt. 75 Panzer wurden abgeschossen. Mit Fortsetzung des Feindangriffes mit Schwerpunkt an Naht zwischen 76. Infanterie-Division und 384. Infanterie-Division wird mit Bestimmtheit gerechnet.
    • Das Korps verhindert am 15.11 einen Durchbruch des Gegners nach Westen oder Südwesten.
    • Gefechtsaufträge:

    b) 76. Infanterie-Division hält unbedingt die am 14.11 abends erreichten Stellungen. Die Division greift unter Ausnutzung des Angriffes der 11. Panzer-Division am 15.11 morgens in ostwärtiger Richtung an und gewinnt im Gegenangriff mindestens die Straße Konstantinowka – Wodjana. Sturmgeschütz-Abteilung 203 und schwere Panzerjäger-Abteilung 663 bleiben der Division unterstellt.


    Quelle: Bittere Pflicht von J. Löser


    weiteres folgt............


    Gruß
    Michael

  • Hallo Klaus,


    Hier habe ich ein Soldbuch von einem Angehörigen der Stammkompanie des Füselier-Ersatz u. Ausbildungs-Batailion 230 gefunden. Es beginnt aber erst im Oktober 1944.
    Aber so als Ergänzung denke ich ganz gut.


    Gruß Ulf und noch schöne Feiertage.



    https://www.sammlermarkt-nord.…llon-branden-p-22795.html

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    Ich suche Bildmaterial, Dokumente und sonstige Informationen über ausländische Orden und Ehrenzeichen die an Deutsche verliehen wurden. Zum Zweck der Aufarbeitung und der Dokumentation.
    Vielen Dank

  • Nachtrag:


    Augenzeugen berichten über die Schlacht:


    Der Chef der 6./Füsilier-Regiment 230


    Die 6. Kompanie hatte im Abschnitt Rapallo- Santa Margeritta – Portefino in Italien die Verteidigung ausgebaut und besetzt. Gefechtsstand: Santa Margeritta, Villa Tardini. Der Melder des Bataillons erscheint mit dem Befehl zur Alarm-Verladung. Es ist aber keine Übung, es ist ernst. In 6 Tagen sind wir in Rußland, in der Ukraine. Nach der Ausladung nehmen wir Quartier und marschieren dann nach vorn, um Stellungen der SS-Einheiten zu übernehmen und richten uns sofort zur Verteidigung ein. Nur in der Erde und gut getarnt ist die Infanterie sicher. Wir kommen aber nicht zur Ruhe, denn der Russe ist sehr aktiv. Ab 11.11. sind vor unserem Abschnitt ständig Motoren- und Panzergeräusche zu hören. Links von uns liegt die 5. Kompanie und rechts die 7. Kompanie. Im Abschnitt der 6. zur 5. ist eine Höhe, hier ist ein schwerer MG-Zug unter Stabsfeldwebel Zitzke eingesetzt. In Hinterhangstellung ist die Pak eingesetzt.


    Vor dem Abschnitt der 6. Kompanie ist in ca. 500 – 600 m Entfernung eine Windschutzhecke, in der der Russe liegt. Am 13.11 sind in dieser Hecke im Laufe des Tages ca. ein bis zwei Kompanien Russen eingesickert. In der Nacht verstummen die Motorengeräusche vor unserem Abschnitt. Wir Chefs, Oberleutnant Rühle, Oberleutnant Richter (im Frontabschnitt Oberleutnant Hillnhütter bei der 7.) und ich sind der Meinung, dass sich bei uns etwas zusammenbraut. Der Russe hatte seine Bewegungen durch ständiges Ari-Feuer zu tarnen versucht. Unsere Beurteilung war, dass sich in unserem Abschnitt ein massiver Angriff vorbereitet hatte. Dementsprechend waren unsere Meldungen an das Bataillon. Jedoch bezweifeln wir, dass unsere Meldungen beim Bataillon und beim Regiment dieselbe Beurteilung fanden.


    Im Morgengrauen des 14.11. kommt ein Überläufer und sagt aus, dass der Angriff der Russen kurz bevor steht. Der VB der Ari trifft bei der 6. ein. Er soll in die Hecke vor der HKL der 6. Kompanie Sperrfeuer anfordern. Mit dem Fritzgerät bekommt er keine Verbindung zu seiner Feuerstellung. Ich komme über die Bataillons-Vermittlung sowie Regiments-Vermittlung bis zur Artillerie-Vermittlung durch und erbitte für die, ich glaube 11. Batterie dringende Sperrfeuerkommandos. Es wird aber nicht weitervermittelt, weil angeblich der Kommandeur auf der Leitung spricht. Trotz meiner nochmaligen dringenden Bitte trennt die Vermittlung mein Gespräch. Kurz darauf bricht der russische Artillerieschlag los.


    Sämtliche Telefonleitungen sind sofort gestört. Wie lange das Trommelfeuer dauert, weiß ich leider nicht mehr. Als es nach hinten verlegt wird, rollt der russische Angriff los. Auf die 7. Kompanie rollen ca. 10 Panzer zu. In der Höhe der HKL drehen sie nach rechts auf die 6. ab. Im Rücken der 5. beobachte ich Panzer und glaube an einen Gegenangriff. Es war aber ein großer Irrtum, denn es waren Russen, die auch zu uns herüberschossen.


    Quelle: Bittere Pflicht von J. Löser


    weiteres folgt............


    Gruß
    Michael

  • Nachtrag:


    Beim 1. Zug der 6. Kompanie geht vor Eintreffen der Russen ein Verwundeter zurück und löst dadurch das Absetzen, um nicht zu sagen die Flucht aus. Der Zugführer meldet mir, dass er seine Soldaten nicht halten kann. Er erhält von mir den Auftrag, in der Auffangstellung alles anzuhalten und die Verteidigung aufzubauen. Der Melder zum II. Zug auf der Höhe, der den Absetzbefehl für den II. Zug und sMG-Zug überbringen soll, wird verwundet. Die Höhe ist abgeschnitten. Hinter der 5. Kompanie liegt noch ein Werferzug. Der holt sich bei mir Ziele, um seine letzte Munition gut einsetzen zu können. Den Ari-VB schicken wir zurück. Er soll das Fritzgerät in Sicherheit bringen.


    Ich schätze diese Gefechtsphase auf ca. eine Stunde, dann war die Lage für meinen Gefechtsstand hoffnungslos. Wir gehen zurück. Unsere Ausfälle sind sehr groß. Ich schätze, dass wir ca 10 km zurückgegangen sind. Der Gegenangriff stoppt die Russen. Am Abend müssen wir eine traurige Bilanz aufstellen. Bei der 7. Kompanie sind es noch 15 Mann und die 8. Kompanie zählt noch 36 Mann. Für diese Angaben kann ich jedoch keine Garantie übernehmen. Der Bataillons-Stab ist zu Beginn der Kampfhandlungen durch die Schlucht zur 5. Kompanie vorgegangen. Der Stab ist vermißt. Noch trauriger sieht unsere Bewaffnung aus.


    Die jungen Soldaten haben den massiven Angriff nicht verkraftet. Sie sind teilweise ohne Waffen und Spaten zurückgegangen. Bei der 6. Kompanie hat ein junger Soldat sein MG mit 2 Gurten zurückgebracht. Ich habe ihn auf der Stelle zum Gefreiten befördert. Dieses MG war in der neuen HKL unsere Hauptstütze. Sonst hatten die Soldaten nur Handgranaten für den Fall, dass der Russe wieder angreifen sollte. Er tat es nicht. Nachschub an Mannschaften, Waffen und Gerät ließ sehr, sehr auf sich warten. Unseren ersten Nachschub holten wir uns aus den zerschossenen und liegengebliebenen Fahrzeugen der SS-Einheit.


    Heinz Gratz


    Quelle: Bittere Pflicht von J. Löser


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    Gruß
    Michael

  • Nachtrag:


    Der Adjutant des II./Füsilier-Regiment 230


    Meiner Erinnerung nach hat das II. Bataillon etwa am 10.11. die damalige Stellung in folgender Formierung bezogen:


    Links 7. Kompanie
    Mitte 5. Kompanie
    Rechts 6. Kompanie


    Die 8. Kompanie war auf dem Bataillonsgefechtsstand verteilt. Angriffsvorbereitungen des Gegners in großem Ausmaß wurden von Anfang an aus allen Bereichen gemeldet, vom Bataillon geteilt und an das Regiment weitergeleitet. Zu einer besonders kritischen Situation kam es schon am 13. abends im Bereich der 5. Kompanie, als der Russe bis unmittelbar an die HKL heranzukommen versuchte und zu seiner Zurückdrängung keine Artillerie-Unterstützung möglich war, denn der VB kam nicht heran. Durch Direktschaltung vom Bataillons-Gefechtsstand zur Feuerstellung der Batterie konnte das aber behoben werden.


    In den frühen Morgenstunden des 14.11. setzte sehr starkes feindliches Artilleriefeuer ein, dass auf einen Großangriff hindeutete, sobald es hell wurde. Es gab dann noch ein Telefongespräch mit dem Regiments-Adjutant Hauptmann Krüger über die Lage; danach waren sehr schnell alle Leitungen gestört, auch zu den Kompanien. Der Bataillons-Kommandeur Major v. Hohendorff, vermutete den Schwerpunkt des Angriffs im Bereich der 5. Kompanie und beschloss, da über Fernsprecher keine Verbindung zu bekommen war, selbst zur 5. Kompanie zu gehen, um dort vom Schwerpunkt der russ. Angriffs aus das Bataillon zu führen.


    Vom diesem Moment an habe ich ihn – auch später in Gefangenschaft – nicht mehr gesehen. Ich vermute, dass er gefallen ist, wahrscheinlich schon auf dem Wege zur 5. Kompanie. Zum Inhalt seiner Kartentasche bin ich später von einem russ. Offizier befragt worden.


    Vom Bataillons-Gefechtsstand versuchten wir dann, durch Melder die Verbindung zur 6. und 7. Kompanie herzustellen, doch zu einem Ergebnis kam es nicht mehr. Ich erinnere mich vielmehr, plötzlich im Bereich der 7. Kompanie schon hinter der HKL russ. Panzer gesehen zu haben, die von Infanterie gefolgt, schnell vorstießen. Als auch rechts vom Bataillon, wenn auch nur vereinzelt, Russen auftauchten, habe ich die Verlegung des Gefechtsstandes nach rückwärts angeordnet. Wir zogen uns geschlossen etwa anderthalb Kilometer in eine Schlucht zurück, an deren Ende später auch Leutnant Säuberlich mit Teilen der 1. Kompanie eintraf. Aber es fehlte noch jede Spur von der 6. Kompanie. Als dann in der Ferne rechts Gestalten auftauchten, vermutete ich in ihnen Teile der 6. Kompanie. Ich gab dem Gros unserer Soldaten den Befehl, sich weiter abzusetzen, um sie mit einbinden zu können.


    Leutnant Ronig, Ordonanzoffizier des Bataillons und Leutnant Säuberlich schlossen sich mir an. Wir erkannten die als Männer der 6. Kompanie vermuteten Gestalten erst so spät als Russen, als auch von anderen Seiten Russen auftauchten und wir praktisch in der Falle saßen. Wir versuchten uns mit Pistolen zu verteidigen, dabei fiel Leutnant Säuberlich durch Kopfschuss. Kurz danach mußten Leutnant Ronig und ich uns ergeben, denn wir hatten den zahlreichen Russen nichts entgegenzusetzen, die bis auf 10 – 15 Meter herangekommen waren.


    Hans-Ulrich Boit


    Quelle: Bittere Pflicht von J. Löser


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    Gruß
    Michael

  • Nachtrag:


    Aus einem Brief von Leutnant Ronig vom 29.09.1945
    Füsilier-Regiment 230


    Am 14.11. griff der Russe nach stärkster Feuervorbereitung bei unserer ganzen Division an und brach auf breiter Front durch. Die in der HKL liegenden Infanterie-Kompanien wurden überrannt oder fluteten zurück. Der Bataillons-Gefechtsstab, dem auch Ihr Sohn angehörte, ging aber unter Führung von Major v. Hohendorff in Stellung, da die 5. Kompanie unter Oberleutnant Rühle noch in der HKL verblieben war.


    Verbindung war, wie zu allen Gefechtsständen, restlos abgerissen. Als der Russe rechts und links vom Bataillon-Gefechtsstand bereits über unsere Höhe hinaus war, entschloss sich Major v. Hohendorff, die 5. Kompanie persönlich zurückzuholen und sich dann geschlossen mit dem Bataillons-Stabund der 5. Kompanie zurückzuziehen. Major v. Hohendorff ging, begleitet von einem Melder nach vorn und kam nicht mehr zurück – auch kein Angehöriger der5. Kompanie. Inzwischen war die Lage des Bataillons-Stabes unhaltbar geworden, denn auch im Rücken des Stabes tauchten jetzt russ. Infanterie und Panzer auf. Nach kurzer Besprechung mit Ihrem Sohn gab Leutnant Boit den Befehl zum sofortigen Absetzen. Daraufhin zogen wir uns geschlossen in eine Schlucht ca. 1,5 km zurück. Nach kurzer Zeit verließ uns Ihr Sohn, um einige hundert Meter außerhalb der Schlucht ein Dorf aufzusuchen, wo wir noch Teile des I. Bataillons vermuteten.


    Der Rest des Stabes zog sich nun weiter bis an das Ende der Schlucht zurück, wo auch inzwischen Ihr Sohn und Leutnant Säuberlich mit Teilen der 1. Kompanie eintraf. Dort ging alles in Stellung und wehrte nochmals die wieder näher gerückten Russen ab. Dieser Erfolg war aber nur von kurzer Dauer, denn wir hatten nur unsere Pistolen und Gewehre und einige Schuss Munition. Es blieb uns also nichts übrig, als noch weiter zurückzugehen. Da sah Leutnant Boit in größerer Entfernung eine große Anzahl von Soldaten und nahm an, dass es eigene Truppen wären.


    Derselben Meinung waren auch Ihr Sohn und Leutnant Säuberlich. Wir anderen schlossen aber aus den Warnungen einiger versprengter Soldaten, dass es das Gros der Russen wäre. Leutnant Boit wollte nun, in der Annahme, dass es Deutsche wären, Verbindung aufnehmen und zog nun mit Ihrem Sohn und Leutnant Säuberlich den näherkommenden Soldaten entgegen.


    Wir anderen entschlossen uns, ins nächste Dorf zurückzugehen, wo sich angeblich der Regiments-Gefechtsstand befinden sollte, der aber bereits verlegt hatte. Am Rande des Dorfes bauten wir dann mit den Resten des Bataillons eine neue HKL auf. Es war auch aussichtslos aber wir waren körperlich und seelisch nicht mehr imstande, etwas anderes zu tun. Wir waren also nur eine Insel, die, ehe es Abend wurde, auch von den Russen geschluckt worden wäre. Es kam anders! Ein Gegenstoß der SS-T. haute uns heraus und es wurde eine durchgehende Front gebildet, die dann wieder hielt.


    Das ist in großen Zügen der Verlauf dieses 14.11. Ihr Sohn und die beiden anderen Herren wurden nach dem Weggang am Ende der Schlacht nicht mehr gesehen. Zu der Todeserklärung Ihres Sohns kam es durch die Meldung des Unteroffiziers Pennig vom Stab, der einen durch einen plötzlichen Granateinschlag tödlich getroffenen Leutnant eines Werfer-Regiments für Ihren Sohn hielt und angab:


    Leutnant Ronig ist am 14. November beim Rückzug in der Schlacht durch Granateinschlag gefallen. Er war sofort tot. Papiere habe ich nicht abgenommen – es war keine Zeit dazu. Leutnant Boit und Leutnant Säuberlich wurden später ordnungsgemäß als vermisst gemeldet.


    Joachim Ströch


    Quelle: Bittere Pflicht von J. Löser


    weiteres folgt............


    Gruß
    Michael

  • Nachtrag:


    Aus der Sicht eines Kompanie-Chefs des Grenadier-Regiments 178


    Zu den Berichten über das Füsilier-Regiment 230 ist zu sagen, dass 230 fast zerschlagen wurde an diesem 14.11.1943. Da es unser rechter Nachbar war, haben wir diese Tragödie mitverfolgen können. Bei dieser Sache ging auch ein Zug meiner Kompanie völlig mit drauf, wobei besonders festzustellen ist, dass die Zusammenarbeit mit der Artillerie und der Pak - aus welchen Gründen auch immer - viel zu wünschen übrig ließ. Auch in unserem Frontabschnitt von 178 gab es Durchbrüche und Chaotische Kampfabläufe und Situationen aber der größte Einbruch erfolgte bei 230 – logischer Weise mußte SS-Totenkopf dort zuerst wieder eingreifen. Die waren natürlich böse, weil wir sie gerade abgelöst hatten.


    Das wir aber nur 10 % der schweren Waffen hatten, vergisst man bei dieser Beurteilung der Lage. Die Dramatik dieser Tage lag doch in der Tatsache, dass die Russen mit starker Panzer- und Artillerieunterstützung angreifen wollten, dass hätte SS-Totenkopf mit ihrer Feuerkraft verhindern können, eine Infanterie-Division aber nicht, zumindest nicht eine so unerfahrene wie unsere neu aufgestellte Division.


    Mich lassen diese schwarzen Tage vom November 1943 (am 19.11. wurde ich verwundet) nicht los, weil sie sinnlose Opfer gefordert haben. Wie kann man von der Armee bzw. Heeresgruppe eine Infanterie-Division in eine Stellung gehen lassen, die von einer mot. Division mit schweren Waffen verteidigt wurde – die Stellungen waren doch geländemäßig denkbar ungünstig für uns.


    Ernst von Schroeder


    Quelle: Bittere Pflicht von J. Löser


    weiteres folgt............


    Gruß
    Michael


    PS: Hier ist eine sehr interessante Sichtweise zu lesen, die man im KTB der Division wahrscheinlich nicht finden würde.

  • Lieber Michael,


    vielen Dank - eine wirklich besondere Sichtweise, wobei auch die bisher von dir zitierten Augenzeugenberichte sehr interessant sind.


    Ich werde versuchen, das Buch von J. Löser zu bekommen...
    Liebe Grüße,
    Klaus

  • Hallo Klaus,


    vielen Dank für die Rückmeldung. Die letzten Beiträge haben ja auch gezeigt, dass die Chronik dieser Division in diesem Fall die beste Lösung ist, um mehr über diese Gefechte zu erfahren. Ich begrüße daher deine Entscheidung und werde dieses Thema zumindest von dieser Seite her, erstmal als erledigt betrachten.


    Ich werde mich jetzt wieder auf die 23. Panzer-Division konzentrieren.


    Gruß
    Michael