Scharfschützenwesen in der Roten Armee

  • Abschrift eines Auszuges der Sonderanlage zu Einzelnachrichten des Ic-Dienstes Ost Nr. 14


    vom 07.06.1943


    Der Einsatz der Scharfschützen in der Roten Armee
    Das finnische Hauptquartier hat durch Gefangenenaussagen aus Beutepapieren und durch Beobachtungen der eigenen Truppe die Frage des Einsatzes von Scharfschützen in der Roten Armee weitgehend geklärt. Wenn auch Gelände und Kampfart an der finnischen Front den Einsatz dieser Speziallisten besonders begünstigt,so sind doch Unterlagen dafür vorhanden, dass an der übrigen Front diesen Schützen ebenfalls große Bedeutung zugemessen wird.


    Auswertung einer finnischen Abhandlung
    Das Menschenmaterial. Nur ausgesuchte Soldaten mit großer seelischer Spannkraft und körperlicher Leistungsfähigkeit können als Scharfschützen verwandt werden.


    Der Kampf der Scharfschützen
    Aufklärung. Auch in der Aufklärung sollen die Scharfschützen lediglich für ihren Sonderzweck verwandt werden. Sie werden paarweise größeren Spähtrupps zugeteilt. Es ist ihre besondere Aufgabe, auf weiter entfernte Einzelziele zu lauern. Der eine kämpft lebende Ziele nieder, während der andere feindliche Feuernester zum Schweigen bringt. Die Stellungen sind öfters zu wechseln. Beim Einsatz zur Sicherung ist darauf zu achten, dass Scharfschützen nicht neben Maschinenwaffen in Stellung gehen, weil diese das feindliche Feuer auf sich ziehen.


    Angriff
    Am besten werden Scharfschützen in der Flanke eingesetzt. Sie nehmen vorwiegend Offiziere, Beobachter sowie Mannschaften von Maschinenwaffen und Pak unter Feuer. Gelingt es ihnen nicht das Ziel zu vernichten, so machen sie durch Leuchtspurgeschosse die Mannschaften von MG, Gr. W. oder Pak darauf aufmerksam und beziehen unverzüglich eine Wechselstellung. Die Tätigkeit der eigenen Stoßtrupps soll von 2 – 4 Scharfschützen unterstützt werden.


    Abwehr
    Die Scharfschützen sollen das Feuer auf weite Entfernungen eröffnen. Hierzu werden sie in der Sicherungslinie oder oft noch weiter vorgeschoben. Auch die Scharfschützen der Reserve werden vorn eingesetzt. Beim Zurückgehen fällt ihnen als letzten die Deckung ihrer Truppe zu.


    Organisation der Scharfschützen
    Die Scharfschützen werden in Gruppen zu 3- 6 Mann zusammengefasst; sie einzeln einzusetzen ist unzweckmäßig. Sie müssen wenigstens einen Gehilfen zur Beobachtung und Täuschung des Gegners haben. Ob die Scharfschützen aus den Regimentern ausgewählt oder in selbstständigen Einheiten ausgebildet den Truppenführen unterstellt werden, konnte nicht festgestellt werden.


    Lauerstellung der Scharfschützen
    Gewöhnlich lauert der Scharfschütze in einem gut getarnten Unterstand oder einer gedeckten Stellung, die mit dem Schützengraben in Verbindung stehen. Wenn möglich, wird er zum flankierenden Feuer eingesetzt, um sich nicht zu verraten. Oft wird er auch im Hintergrunde des Unterstandes oder gedeckten Feuernestes aufgestellt. Dadurch ist er nicht zu erkennen und der Knall oft nicht wahrnehmbar. Gute Lauerstellungen bieten den Scharfschützen Gebäude und Ruinen. Sie feuern dann durch Luken der Keller und nach Entfernung einiger Ziegel aus den Bodenräumen. Einsatz auf Bäumen wird nur im Sommer bevorzugt. Die russischen Scharfschützen zeichnen sich durch außergewöhnliche Geduld und Zähigkeit aus. Nur sichere Ziele werden beschossen.


    Tätigkeitszeiten
    Die Scharfschützen sind besonders tätig an sonnigen hellen Tragen und nach Schneeverwehungen. Auch leichter Schneefall und Dämmerung geben ihnen gute Wirkungsmöglichkeiten, da der Feind sich dann unvorsichtig bewegt. Als Hauptzeiten werden im allgemeinen Morgen und Mittag bevorzugt.


    Schussweiten
    Je nach dem Gelände betragen die Schussweiten 100 – 900 m; aber auch auf 1400 m Entfernung ist noch Wirkung erzielt worden. Angeblich werden manchmal Dumdumgeschosse gebraucht, um die Feststellung des Treffpunktes zu erleichtern.


    Täuschung
    Um Bewegung und Unvorsichtigkeit beim Gegner hervorzurufen, werden folgende Täuschungen angewandt:

    • die feindliche Stellung wird viele Tage nicht beschossen
    • durch Helme und sogar Puppen wird eine Stellung oder Grabenbesetzung an anderer Stelle vorgetäuscht.
    • durch Lärmen oder Schwenken von Werkzeugen, Plakaten usw. wird versucht, den Feind hervorzulocken oder zur Feuereröffnung zu veranlassen.
    • der Scharfschütze schießt seine Waffe zunächst auf eine bestimmt Entfernung ein und erst in ein paar Tagen wird die treffgenaue Befeuerung des eigentlichen Zieles vorgenommen.

    Finnische Gegenmaßnahmen
    Die meisten der durch feindliche Scharfschützen verursachten Verluste sind der Unvorsichtigkeit und mangelnden Geländeausnutzung zuzuschreiben. Daher ist auf Folgendes achten:

    • vorsichtiges Bewegen und sorgfältige Geländeausnutzung in von Scharfschützen gefährdeten Räumen
    • möglichst gute Tarnung
    • Warnschilder in Schützengräben und Querstangen über den Gräben, die das Bewegen in gebückter Körperhaltung nötig machen.
    • Verwendung von Helmen zur Täuschung.
    • Anwendung reiner und vollständiger Schneehemden in der vordersten Linie.
    • gründliche Verschanzung (Stahlplatten, Sandsäcke)
    • häufiger Wechsel der Beobachtungsstellen und Feuerstellungen
    • Verwendung eigener Scharfschützen und anderer Waffen zur Bekämpfung der feindlichen Scharfschützen.


    Quelle: Nara T-78 R-465


    Gruß
    Michael

  • Hallo,


    die gleichen Erfahrungen, wie die Finnen, hat ja auch die Wehrmacht mit russ. Scharfschützen machen müssen. Relativ lange hat ja die Wehrmacht gebraucht, um den Wert eigener Scharfschützen erkennen zu können. Sicherlich, bei einem Angriffskrieg sehen solche Dinge oft anders aus. als in der Verteidigung.


    MfG Wirbelwind

  • Hallo Michael,


    dabei gab es ja auch auf deutscher Seite bereits Erfahrungen aus dem 1. WK. Warum allerdings der Kampf der Scharfschützen nach dem 1. WK als weniger ehrenhaft empfunden wurde durch die maßgeblichen dt.Offiziere erschließt sich mir nicht so richtig.


    MfG Wirbelwind

  • Nachtrag:


    Die dt. Reichswehr unterhielt ja in den zwanziger Jahren ein Ausbildungs- und Beratungsprogramm, zusammen mit der Roten Armee, in dem auch die dt. Erfahrungen im Hinblick auf die taktische Verwendung von Scharfschützen weitergereicht wurde.


    Gemieden und isoliert von den übrigen Nationen, entwickelten sich so besondere Beziehungen, die auch der Verbesserung der russischen Waffentechnik halfen. Nachdem die Rote Armee der durch Inflation und mangelnder Auftragslage angeschlagenen dt. Optik-Industrie ganze Jahresproduktionen von Zielfernrohren, Feldgläsern und anderen Optiken abgenommen hatte, kam es auch zum Ankauf einer ganzen Fabrikeinrichtung zur Herstellung optischer Einrichtungen. Maschinen, Fertigungspläne und technisches Know-how wurden von der Firma Zeiss an die Sowjetunion geliefert. Dt. Optikermeister überwachten die Aufstellung und führten ihre russischen Kollegen in den Gebrauch und die Feinheiten der gelieferten Technologie ein.


    Ein Ergebnis dieser Kooperation war z.B. das vierfache PE-Zielfernrohr.


    siehe auch:
    Reichswehr & Rote Armee / Ein Abriss zur Geschichte der 10jährigen geheimen Zusammenarbeit


    Quelle: Jäger & Gejagte von J. Boger


    Gruß
    Michael

  • Hallo Michael,


    wiedermal von Dir etwas Interessantes,,ausgebuddelt". Das russische Scharfschützen durch die Reichswehr ausgebildet wurden und die RA Waffen sowie optisches Gerät aus Deutschland bezog, war mir bekannt. Das Zeiss-Jena allerdings eine eigene Fabrik in Rußland errichtete, allerdings nicht. Daher :thumbup:


    MfG Wirbelwind

  • Hallo zusammen,


    anbei noch ein ergänzender Ausbildungshinweis vom OKH aus dem Januar 1944. Behandelt wird hier die Zusammenarbeit zwischen den sowjetischen Scharfschützen und Panzern im Angriff und bei der Abwehr feindlicher Großangriffe.


    Quelle: Nara T-175 R-175


    Gruß
    Michael

  • Nachtrag:


    anbei eine zeitlich etwas vorgelagerte Abschrift eines Berichtes des finnischen HQ, über die sowjetische Scharfschützentätigkeit aus dem März 1943.


    Quelle: Nara T-315 R-1392


    Gruß

    Michael

  • Hallo,


    war es denn bei den dt. Scharfschützen üblich, in Gruppen auf Lauer zu liegen? Mir ist dazu bisher nichts unter gekommen. Gehilfen/Zielzuweiser ja, aber mehr nicht.


    MfG Wirbelwind

  • Hallo Wirbelwind,

    war es denn bei den dt. Scharfschützen üblich, in Gruppen auf Lauer zu liegen? Mir ist dazu bisher nichts unter gekommen. Gehilfen/Zielzuweiser ja, aber mehr nicht.

    ich verstehe deine Frage nicht so richtig, hier geht es doch um sowjetische Scharfschützen aber egal. In allen Berichten die ich bisher gelesen habe, operierten die dt. Scharfschützen nicht in Gruppen sondern alleine oder gemeinsam mit einem Beobachter.


    Gruß

    Michael


    PS: Ich habe aber auch schon Befehle gelesen wo geschrieben stand, dass in der Abwehr Scharfschützen zusammengefasst werden sollen aber dazu kenne ich keine Einsatzberichte.

  • Hallo Michael,


    in meiner Frage war ich schon einen Schritt weiter, weil ich oft die Taktik der RA mit der der Dt. Wehrmacht vergleiche. Sorry. Bei Allerberger ist auch die Rede davon, dass Scharfschützen den Rückzug decken sollten. Er teilt aber nicht mit, ob es mehrere waren, so zumindest hab ich das noch im Hinterkopf.


    MfG Wirbelwind

  • Hallo Wirbelwind,


    alles klar verstanden.

    Bei Allerberger ist auch die Rede davon, dass Scharfschützen den Rückzug decken sollten. Er teilt aber nicht mit, ob es mehrere waren, so zumindest hab ich das noch im Hinterkopf.

    Einsatzberichte von dt. Scharfschützen sind mir außerhalb der bekannten Veröffentlichungen auch nicht bekannt. Es wäre wirklich mal interessant auch darüber Berichte zu finden aber bisher leider Fehlanzeige.


    Gruß

    Michael

  • Hallo Michael und Rüdiger

    Mein Opa hatte schon 1918 mit den Finnen zu tun . Von diesem standhaften Volk kann man viel lernen, (bloß wir nicht). Die Weimarer Republik lieferte schon in den 20iger Jahren die optischen/technischen Grundlagen für das PE Scharfschützenzielfernrohr an die Sowjetunion .


    Leider wurden daraus keinerlei positive Tendenzen für das deutsche Scharfschützenwesen gezogen. Die Rote Armee verfügte über eine riesige Anzahl von ausgebildeten Schützen, von denen das Scharfschützenheer rekrutiert wurde. Mein Vater war in der ersten Verteidigungslinie an der Neißefront Februar/März/April 1945 eingesetzt. Durch falsch und unzureichend (Bunker/Unterstandseingänge, Grabentiefe,Verlegung, Verbindungsgräben) errichtete Verteidigungsstellungen (durch Volkssturm und Fremdeinheiten) war es für die auf der anderen Neißeseite tätigen russischen Scharfschützen ein leichtes, unter den schlecht ausgebildeten und über null Erfahrung verfügenden Rekruten großen Schaden anzurichten. Die gedienten Landser kannten die Bedrohung und empfanden es eher als lästig. (Aussage meines Vaters) Sie hägten vor die Unterstandseingänge, (mit falscher Ausrichtung) Kartoffelsäcke und veränderten die Grabensysteme bei Nacht.


    Wurde es Ihnen zu fett, und der oder die feindlichen Scharfschützen waren ausgemacht (meistens in Baumgruppen schlecht erkennbar) nahm man zwei 42iger positionierte sie verdeckt in einem größeren Abstand, und mähte die gegenüberliegenden Baumgruppen im Kreuzfeuer nieder, bis Ruhe war. Panzer/Sturmgeschützkomandanten setzten zur verdeckten Beobachtung deswegen Scherenfernrohre ein. (auf vielen späteren Bildern zu sehen).


    Die Moisin/Nagant und Tokarev waren, was Treffsicherheit/Reichweite angeht dem G98 gleichwertig . Die verspätete Entwicklung und Ausrüstung einer einsatzfähigen deutschen Scharfschützentruppe (ausgenommen die Gebirgsjäger, die sich größtenteils selber ausrüsteten) endete auf Grund von fehlenden Fertigungskapazitäten und Fehlentwicklungen (ZF41, K43) in der Bedeutungslosigkeit. Die Fallschirmpanzergrenadierdivision verfügte im April 45 auch über einen Scharfschützenzug. Ein Foto im Web zeigt Diese vor dem Gasthof in Kubschütz bei Bautzen. Die Mischbewaffnung von Baretta bis Nagant sagt alles.


    Literatur gibt es reichlich .

    Drei Linien Karl-Heinz Wrobel

    k98k als Scharfschützenwaffe Richard d. Law

    usw...

    MfG April45

  • Hallo Uwe,

    um mal bei Deinem Opa zu beginnen. Der müsste ja zum dt. Truppenkontigent gehört haben, dass Mannerheim half, die Aufständischen in Finnland zu besiegen. Bis zur Februarrevolution im russ. Zarenreich war Finnland ja ein autonomes Gebiet Russlands. Das dt. Rüstungsgüter während der Weimaer Zeit in die SU geliefert wurden, hängt sicherlich mit den Abkommen zusammen, die zwischen beiden Staaten abgeschlossen wurden. Wenn ich mich recht entsinne, gab es wohl auch dt. Ausbilder im sowjet, Scharfschützenwesen. Selbst sah die Reichswehr und später die Wehrmacht zumindest am Kriegsanfang keine Notwendigkeit, selbst im erheblichen Umfang, Scharfschützen auszubilden. Irgendwie haftete den Scharfschützen das Odium der ,,,Unehrenhaftigkeit" ihrer Kampfesweise an, so der Standpunkt maßgeblicher Leute in der Reichswehr-u. Wehrmachtsführung. Mit der Blitzkriegsstrategie in den westl. Ländern (Hollland, Dänemark. Frankreich aber auch Polen) bedurfte es wahrscheinlich auch erst einmal keiner Scharfschützen in erheblichem Umfang. Mir sind keine Zahlen bekannt, wie viele Scharfschützen die von mir genannten Länder selbst hatten. Die Rote Armee jedenfalls ging einen anderen Weg. Sie besaß zu Beginn des dt. Angriffs zumindest einen Stamm von ausgebildeten Scharfschützen, was die dt. Wehrmacht bald leidvoll zu spüren bekam. Als die Wehrmacht dann endlich in die Gänge kam, wurden bereits die Ressourcen an der ein oder anderen Stelle knapp. Mit zunehmender Kriegslänge natürlich immer mehr. Deshalb ertaunt mich das wenig, wenn es Bilder zu Kriegsende gibt, die dt. Scharfschützen mit einem Sammelsurium an Beutegewehren zeigen. Das andere Problem bestand wohl darin, geeignete Munition in ausreichender Menge zur Verfügung zu stellen. Jedenfalls war Allersberger froh, wenn er vom Waffenunteroffizier immer mal eine Handvoll Beute-Explosivgeschosse erhielt.

    MfG Wirbelwind

  • Hallo Wirbelwind

    Da müsste ich erst mal schauen, wo sein Dienstausweis geblieben ist. Vieleicht kriege ich es noch grob zusammen. Die Regimenter seiner Division kämpften bis zum Waffenstillstand mit Russland an der Ostfront. Danach bildete eine Teil von Ihnen Rekruten der neuen finnischen Armee aus .


    Nach der Beendigung des I. Weltkriegs (Versaier Vertrag), übernahmen sie (er als Schlesier) die schlesische Grenzsicherung zur neuen Tschechoslowakei. Um 1920 sollte die Division in den westlichen Heimatstandort verlegt werden, darauf hin bat Er um seine Entlassung. Doch zurück zu den sowj. Scharfschützen. Die sowj. Rüstungsindustrie hatte es verstanden aus hochwertigen fertigungstechnisch aufwendigen Zielfernrohren, für die Massenfertigung geeignete Zielfernrohre, die trotzdem dem Truppenanspruch gerecht wurden, zu entwickeln und in großen Stückzahlen zu produzieren.


    Da es sich im Verlauf des Krieges zeigte, das 3,5-4fache Vergrößerung auf Schußenfernungen von 400-800 m ausreichte, konnte man auf Präzisionsoptiken verzichten. Wer schon mal ein Ajack 6x oder ein Zielacht von Zeiss in der Hand hatte, weiss von was ich spreche. Das deutsche ZF4 kam in zu geringen Stückzahlen, und zu spät zur Truppe. Das K43 (Selbstlader +) hatte auf größer Entfernungen eine zu große Streuung . (noch schlimmer MP44 ) Ausgesuchte russische Stücke waren die 1. Wahl. Ohne der Produktion in Österreich und von Optotechna später Meopta in Prerov (Tschechien) währe es, mit Zieloptiken bei der deutschen Truppe, noch bescheidener gewesen.

    MfG April45

  • Hallo zusammen,


    hier habe ich noch was zu Auszeichnungen und Belohnungen für russische Scharfschützen gefunden.


    Gruß Ulf


    Quelle NARA T315 R-2330