Die Problematik der Luftwaffen-Felddivisionen, dargestellt am Beispiel der 20. Luftwaffen-Felddivision
Autor: Dr. Walter Dann, Gymnasialprofessor a. D. (†)
Abschrift und Bearbeitung: UHF51 ♦ Berlin (18.09.2009, New Times Roman, 39 DIN-A4 Seiten, Size 11.0)
Quelle: Deutsche Soldatenjahrbücher (DSJB) 1990-1997, Hrsg. H. Damerau, Schild-Verlag München
K O P I E R E N
V E R B O T E N !
AUSZUG:
Um folgende Ausführungen verständlicher zu machen, soll zu Anfang das Rekrutierungssystem der Luftwaffe beschrieben werden. Zur Flak, zur Luftnachrichtentruppe (Ausnahme: Meldung zum Bordfunker), zum Sanitätspersonal, zu den Bau-Bataillonen sowie zum technischen und allgemeinen Personal der Fliegertruppe wurden Wehrpflichtige normal eingezogen, auch wenn nachträgliche Meldungen zum fliegenden Personal möglich waren. Wer jedoch zum fliegenden Personal und zu den Fallschirmjägern wollte, musste sich freiwillig melden und eine über die allgemeine Friedensdienstzeit von 2 Jahren hinausgehende Verpflichtung unterschreiben - 5 Jahre bei Flugzeugführern. Umgekehrt brauchten Offiziere des allgemeinen und technischen Personals der Fliegertruppe keine fliegerische Ausbildung haben und hatten höchstens Fronterfahrung aus dem Ersten Weltkrieg. Auch die Fallschirmjäger gehörten zur Fliegertruppe (1941: 7. Flieger-Division im XI. Flieger-Korps).
Die infanteristische Flugplatzsicherung und die Verteidigung von Frontflugplätzen gegen einen durchgebrochenen Feind war schon immer die Aufgabe des allgemeinen Personals - den Fliegerhorstkompanien - gewesen. In der vorliegenden Arbeit geht es jedoch darum, den Zeitpunkt festzuhalten, zu dem erstmalig Luftwaffensoldaten in geschlossenem Verband an der Front bzw. in der HKL (Hauptkampflinie) eingesetzt wurden.
Beim Scheitern der deutschen Offensive auf Moskau und dem Gegenangriff ausgeruhter und bestens ausgerüsteter sibirischer Elitetruppen im Dezember 1941 hatte das deutsche Ostheer schwere Verluste an Mensch und Material erlitten. Vor allem im Nord- und Mittelabschnitt waren Frontlücken entstanden, zu deren Schließung die Reserven des Heeres nicht ausreichten.
Da kamen schon im Herbst 1941 Luftwaffensoldaten zum Erdeinsatz. Hier muss aber klar getrennt werden zwischen Fallschirmjägern, die sich nach dem verlustreichen Kreta-Unternehmen im Frühsommer 1941 in Auffrischung befanden und ab September 1941 in Regiments- und Bataillonsstärke zunächst der HGr. (Heeresgruppe) Nord zur Verfügung gestellt wurden, und den eigentlichen Luftwaffen-Feldeinheiten, auch wenn diese zunächst durch Fallschirmjäger (Fsch.Jg.) verstärkt wurden.
Als Hitler am 19.12.1941 selbst den Oberbefehl über das Heer übernommen hatte, war er nur zu leicht geneigt, den Wünschen der Heeresführung nachzukommen, die eine Verstärkung der Ostfront durch neu aufzustellende Erdkampfverbände der Luftwaffe forderte.
Der erste Luftwaffen-Erdkampfverband, der zum Einsatz kam, war der Luftwaffen-Kampfverband Schlemm (mot. Brigade) in den Kriegsgliederungen des Oberkommandos der Wehrmacht (OKW) kurz als "Gr. Schlemm" (Gruppe Schlemm) bezeichnet. Kommandeur war Generalmajor (sp. General der Flieger/Gen.d.Fl.) Alfred Schlemm, auf Kreta Chef des Stabes des XI. Flieger-Korps. Sein Verband wurde schon 1941 auf dem Truppenübungsplatz (Tr.Üb.Pl.) Hammerstein zusammengestellt und kam denn bei der HGr. Mitte zum Einsatz. Personell war die Gr. Schlemm dem VIII. Flieger-Korps unterstellt, taktisch jedoch dem Heer: 4. Armee, LVI. A.K. (mot.), dazwischen aber auch dem XXXX. A.K. (mot.). Im Juni 1942 wurde der Verband aus der Front herausgezogen und aufgelöst, weil - so General Schlemm in einem Schreiben an den Verfasser [W. Dann] - die Luftwaffe ihr hoch qualifiziertes Spezialpersonal nicht länger entbehren konnte.
Bei der HGr. Mitte erscheint nach der Schematischen Kriegsgliederung des OKW für den 22.04.1942 und für den 11.05.1942 bei der HGr. Mitte beim LVI. A.K. neben der Gr. Schlemm (Lw.Verband) beim XXXX. A.K. (mot.) beim Stab der 331. Infanterie-Division (Inf.Div.) der Lw.Gefechts-Verband "Gr. Ramm u. Reichelt". Ein weiterer "Lw.Verband" der nicht näher bezeichnet ist taucht in dieser Kriegsgliederung beim XII. A.K. auf. Da die beiden letztgenannten Luftwaffenverbände in der Schematischen Kriegsgliederung vom 24.06.1942 nicht mehr erscheinen, in welcher die Gr. Schlemm noch aufgeführt ist, sind diese mit Sicherheit schon vorher herausgezogen und aufgelöst worden.
Durch die vielen Arbeiten von Egon Denzel liegen genauere Auskünfte über die bei der HGr. Nord eingesetzten Luftwaffen-Feldeinheiten vor. Ab Januar 1942 wurden auf verschiedenen Tr.Üb.Pl. im Reich und in den besetzten Gebieten die Luftwaffen-Feldbataillone 1 - 5 [I - V] aufgestellt und in den Nordabschnitt der Ostfront verlegt, wo sie zu Luftwaffen-Feldregimenter (Lw.Feld-Rgter.) aufgefüllt wurden. Generalmajor Meindl, auf Kreta Kommandeur des Fsch.Jg.Sturm-Rgt. hatte mit dem Stab seines Regiments im Januar 1942 einen aus Einheiten der Luftwaffe, des Heeres und der Waffen-SS gemischten Verband bei der HGr. Mitte geführt. Im Februar 1942 wurde er mit der "Fallschirmjäger-Brigade Meindl" in den Bereich der HGr. Nord, 16. Armee, X. A.K. verlegt und übernahm auch den Befehl über die Lw.Feld-Rgter. 1 - 5. Dieser Verband wurde bei den schweren Kämpfen bei Staraja Russa, bei Demjansk sowie in und um Cholm eingesetzt. Im April 1942 wurden - wie übrigens auch bei der Gr. Schlemm - die Fallschirmjäger herausgezogen. Gen.Maj. Meindl blieb jedoch auf seinem Posten als Kommandeur (Kdr.) der Luftwaffen-Feldregimenter 1 - 5. In den Schematischen Kriegsgliederungen des OKW wird der Verband ab 22.04.1942 als "Gr. Meindl (Lw.Feld-Rgter.)" bezeichnet. Der Verband selbst nannte sich "Division Meindl", wurde von Göring am 30.10.1943 als "Luftwaffen-Felddivision Meindl" bezeichnet. Die "Gr. Meindl" wird 1942 öfters im KTB des OKW erwähnt und bestand weiter, auch als Generalmajor Meindl im Oktober 1942 zum Kommandierenden General des XIII. Flieger-Korps ernannt wurde, das die eigentlichen Luftwaffen-Felddivisionen aufstellte. Seine alte Division wurde zur 21. Luftwaffen-Felddivision, obwohl sie die erste Division dieser Art überhaupt war, und verblieb bis zum bitteren Ende 1945 bei der HGr. Nord.
Es wurden hier nur solche Lw.Feldeinheiten genannt, die sich aus den Kriegsgliederungen des OKW nachweisen lassen. Sie bestanden zum großen Teil aus Freiwilligen. Jedoch ist bekannt, dass im Bereich der HGr. Mitte auch Angehörige des fliegenden Personals nach Verlust ihrer Flugzeuge infanteristisch an der Front eingesetzt wurden.
Für den infanteristischen Einsatz von Luftwaffensoldaten an der Front wurde laut Luftwaffen-Verordnungsblatt (LVBl.) vom 13.04.1942 das "Erdkampfabzeichen der Luftwaffe" gestiftet "für ausgezeichnete Kampfleistungen im Erdkampf". Im Bericht des OKW vom 23.06.1942 wurde zum ersten Mal offiziell die Existenz von Luftwaffen-Feldeinheiten erwähnt. Hervorgehoben wird der Einsatz der "Division Meindl" - wohl deshalb, weil sie als einzige weiter bestehen sollte. Dem LVBl. vom 29.06.1942 ist zu entnehmen, dass zu Luftwaffen-Feldeinheiten (genannt werden Luftwaffen-Feldregimenter und Luftwaffen-Schützenregimenter z. b. V. auch Angehörige des fliegenden Personals "versetzt-kommandiert" worden waren. Sie sollten aber weiter zum fliegenden Personal gezählt werden und weiter ihre Fliegerzulage erhalten, weil "mit ihrer Wiederverwendung im fliegenden Einsatz zu rechnen sei." Aus zuletzt Gesagtem kann gefolgert werden, dass das OKL (Oberkommando der Luftwaffe) im Juni 1942 beabsichtigte, diese Lw.Feldeinheiten weiter bestehen zu lassen, wobei jedoch eine Rückkehr zum fliegenden Personal jederzeit möglich sein sollte. Innerhalb der Luftwaffe wurde davon gesprochen, dass jetzt Kriegsfreiwillige zum fliegenden Personal nach ihrer infanteristischen Grundausbildung vor ihrer fliegerischen Ausbildung bei einer Luftwaffen-Feldeinheit eine infanteristische Frontbewährung mitmachen sollten.
In diesem Zusammenhang ist auch Hitlers Weisung Nr. 46 vom 18.08.1942 zu sehen, mit der die Verlegung von Ersatzeinheiten der Luftwaffe in die "Bandengebiete" hinter der Ostfront befohlen wurde. Am 05.09.1942 meldete daraufhin der Generalstabschef der Luftwaffe, Generaloberst Jeschonnek, die bevorstehende Verlegung von 10.000 Mann in das rückwärtige Gebiet der Ostfront.
Im Zusammenhang mit der Aufstellung der 20. Luftwaffen-Felddivision sind 3 Einheiten bekannt, die im Winter 1942/43 im rückwärtigen Gebiet der HGr. Mitte gegen Partisanen eingesetzt wurden: das Flieger-Regiment 23 (welches von Kaufbeuren zuerst nach Belfort, von dort im Nov. 1942 nach Gorodok bei Witebsk und schließlich nach dem Raum um den Flugplatz Sheshtshinskaja zwischen Roslawl und Brjansk), das Flieger-Regiment 24 (vom Olmütz nach Ossipowitschi nw. Bobruisk) und ein Bordschützen-Anwärterbataillon (bei Lepel nö. Minsk), von dem zumindest Teile in Russland zum Flieger-Regiment 23 kamen. Laut LVBl. vom 14.09.1942 und vom 26.10.1942 waren solche Fluganwärter-Bataillone Teile des Feldheeres. Dennoch sind diese in keiner Schematischen Kriegsgliederung des OKW verzeichnet, so dass die Anzahl solcher Flieger-Regimenter oder Anwärter-Bataillone im Osten nicht leicht zu ermitteln ist. Jedenfalls hatte die Luftwaffe im Winter 1942/43 einen wesentlich höheren Anteil an der Ablösung von Heeresverbänden im Partisaneneinsatz, die nunmehr für die Front zur Verfügung standen, als bislang allgemein angenommen wurde.
Bereits im Sommer 1942 war die Personallage des Ostheeres äußerst angespannt. Obwohl der erst im April 1942 eingezogene Jahrgang 1923 bereits eingesetzt war, konnten die Menschenverluste höchstens bis zur Hälfte ausgeglichen werden; an Bildung von Reserven war nicht mehr zu denken. In dieser Lage wandte sich der Generalstab des Heeres (GenSt.d.H.) an das OKW, um zu erreichen, dass Luftwaffe und Marine Personal an das Heer abgeben sollten. Die Diskussion darüber war schon einige Zeit im Gange. Als erstes Ergebnis bestimmte das OKW am 09.09.1942, dass die an der Ostfront stehenden Luftwaffen-Feldeinheiten zu Brigaden ausgebaut werden sollten. Danach sollten sie für den Ost-West-Austausch zur Verfügung stehen, um abgekämpfte Heeres-Divisionen an der Front abzulösen und somit deren Auffrischung in den besetzten Westgebieten zu ermöglichen. Daher legte Chef OKW (GFM Keitel) Hitler einen Befehl zur Unterschrift vor, in dem vorgesehen war, dass Luftwaffe und Marine eine bereits ermäßigte Zahl von 50.000 bzw. 10.000 bis 20.000 Mann an das Heer abgeben sollten. Wie von mehreren Autoren von Memoiren berichtet wird (z.B. von General Warlimont, GFM v. Manstein), sei nunmehr RM Göring wutschnaubend im Führerhauptquartier erschienen und habe sinngemäß gesagt, er sei nicht gewillt, seine "nationalsozialistischen Jungens" in die graue Uniform des Heeres stecken zu lassen, das noch von wilhelminischen Offizieren befehligt werde und bei dem auch noch Pastoren das Sagen hätten. Sollte dieser Ausspruch tatsächlich gefallen sein, so war er Ausdruck von hinsichtlich des Geistes in der Luftwaffe 1942 völlig irrealer Wunschvorstellungen Görings und einer als grotesk zu bezeichnenden Verkennung der Stimmung im Heer zu jener Zeit. Dieser Satz scheint sich aber im Heer und bei seinen Offizieren in Windeseile verbreitet zu haben und war nun umgekehrt dort Anlass zu Vorurteilen gegenüber den Luftwaffen-Felddivisionen, die für deren Fronteinsatz nicht gerade förderlich waren. Jedenfalls wollte Göring kein Personal abgeben und gab sich nicht mit dem Führerbefehl vom 13.09.1942 zufrieden, der vorsah, dass die bestehenden Lw.Feldeinheiten auf eine Stärke von 10 bis 12 Luftwaffen-Feldbrigaden gebracht werden sollten. Weit darüber hinausgehend erklärte sich der Oberbefehlshaber der Luftwaffe (OBdL) bereit, Luftwaffen-Felddivisionen in Stärke von ca. 200.000 Mann aufzustellen. Es bleibt die Frage, ob bei diesem Entschluss Görings nur Abneigung gegen die Heeresgeneralität, Geltungssucht oder der Wunsch, sich wie Himmler mit der Waffen-SS nun selbst eine "Hausmacht" zu schaffen, eine Rolle spielten. Sicher spielte dabei auch der Gedanke mit, dass man aus psychologischen Gründen Kriegsfreiwillige zum fliegenden Personal, die man mit großem Aufwand dafür geworben hatte, nicht einfach zum Heer versetzen konnte. Zwar war die Bedeutung der Luftwaffe 1942 stark herabgesunken, es ist aber nicht unverständlich, dass man bei der Luftwaffenführung beabsichtigte, die Luftwaffe wieder neu aufzubauen und die Luftherrschaft neu zu erringen. Für eine dann erforderliche Vergrößerung des fliegenden Personals hätte man einen großen Teil der Kriegsfreiwilligen wieder zur Verfügung gehabt, solange sie der Luftwaffe angehörten, wenn auch im infanteristischen Einsatz.
In einem Aufruf vom 17.09.1942 forderte Göring Offiziere aller Dienstränge und Waffengattungen auf, sich für den Kampf an der Ostfront zur Verfügung zu stellen. Das Problem lag natürlich darin, dass nur Offiziere der Flak, der Fallschirmjäger und der ersten Feldeinheiten des Winters 1941/42 über Erdkampferfahrung aus dem 2. Weltkrieg verfügten. Ältere Bodendienste waren aufgrund ihrer Dienstzeit zu Offizieren befördert worden. Dazu gehörten auch abgelöste Offiziere des fliegenden Personals. Wer von älteren Offizieren des allgemeinen oder technischen Personals der Fliegertruppe Fronterfahrung vorweisen konnte, hatte diese im 1. Weltkrieg erworben. Auch die Unteroffiziere des Bodenpersonals waren in der Regel im 2. Weltkrieg noch nie an der Front gewesen.¹) Bei den Mannschaften wurde die Freiwilligmeldung zum Erdkampfeinsatz zweifellos dadurch gefördert, dass man ihnen sagte, dass sie nach Frontbewährung als Infanteristen ein größeres Anrecht hätten, auf eine Fliegerschule zu kommen. Ab Jahrgang 1906 standen Angehörige der Bodendienste der Fliegertruppe sowie aller anderer Waffengattungen der Luftwaffe für die Versetzung zu Lw.Feld-Divisionen zur Verfügung. In erster Linie wurden natürlich Leute verwendet, die 1942 in ihrer Funktion nicht mehr gebraucht wurden (z.B. Musiker).
¹) Anmerkung: Ausgenommen des geringen Prozentsatzes, der im Spanischen Bürgerkrieg Erfahrung gesammelt hatte.
März/April '42
Gefechtsverband Schlemm
Schtz.Btl. z.b.V. (Lw.Schtz.)
Luftw.Kp. Steuer
Gefechts-Kp. Lw.Bau-Btl. 1/III
Ln.Schtz.Verband
Fliegerhorst-Kp. Feustl
Lw.Bau-Btl. 1/VII
Lw.Bau-Btl. 2/VII
Lw.Bau-Btl. 17/XVII
Lw.Bau-Btl. 19/XVII
Luftw.Sturm-Btl. Koch (ab 1.4. zur Verfügung Fliegerkorps VIII)
Luftw.San.Bereitsch.Kp. 9/IV (ab 1.4. z.V. Fliegerkorps VIII)
5. u. 6./Fallschirm-Art.Abt. (ab 1.4. z.V. Fliegerkorps VIII)
1½ Flak-Bttr. (8,8 cm)
Halb-Bttr. 5/704 (Flak 2 cm)
Halb-Bttr. 5/363 (Flak 2 cm)
lei. Flak II./411
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Fortsetzung folgt.
MfG Uwe