Erkennungsmarken

  • In den Dienstanweisungen für Einheiten des Kriegsheeres vom 29.07.1939 wird bestimmt, dass jeder Angehörige einer Kriegseinheit (Feld- oder Ersatzeinheit) die ihm zugeteilte Erkennungsmarke ständig an einer Schnur um den Hals zu tragen hat. Jedem Soldaten war einzuschärfen, dass Nichtbefolgung dieses Befehls zu einem schweren Unrecht gegenüber seinen Angehörigen führen kann. Die Erkennungsmarken wurden kostenlos an alle Soldaten ausgegeben und rechneten daher zur Ausrüstung. Selbst die Feldgeistlichen trugen die EM ihres Truppenteils. Die Truppenteile hatten über alle ausgegebenen Erkennungsmarken ein EM-Verzeichnis zu führen. Die laufende Nummer in der Liste der ausgebenden Einheit war zugleich auch die persönliche Nummer auf der EM.


    Wurde einem gefallenen Soldaten die Erkennungsmarke z.B. mit der Beschriftung -123- 3./Inf.Ers.Btl. 9 [-123- 3/IEB 9] abgenommen, dann fand man in der EM-Liste unter der laufenden Nummer den folgenden Eintrag:
    Nr. 123
    3./I.E.B. 9 - Vorname, Name - Geburtsdatum und Ort - nächster Angehöriger mit vollständiger Anschrift - und die jeweiligen Versetzungen zu anderen Einheiten.


    Man wusste also, wer der EM-Träger war. Um ein solches Vorgehen zu beschleunigen, wurde allen Einheiten der Wehrmacht befohlen, solche EM-Listen zu führen. Außerdem sollten die Einheiten auch jede Veränderung in der so genannten Veränderungslisten melden. Diese Listen waren stets mit dem jeweiligen Ausstellungsdatum zu versehen und an jedem 10. eines Monats an die Wehrmachtsauskunftstelle [kurz: WASt] für Kriegsverluste und Kriegsgefangene nach Berlin zu senden. Eine Zweitschrift dieser Liste verblieb beim Truppenteil. Wurde ein Soldat nach erfolgter Ausbildung versetzt, dann bekam die WASt einmal eine Abgangsmeldung von der Ausbildungseinheit und etwas später eine Zugangsmeldung von der neuen Einheit - und so ging das Meldeverfahren weiter. Wurde der Soldat krank oder verwundet und kam in ein Lazarett, dann bekam die WASt eine Abgangsmeldung vom Feld-Truppenteil und die Zugangsmeldung von dem jeweiligen Lazarett. Wurde er geheilt und zur weiteren Genesung einem Ersatztruppenteil zugewiesen, kam wieder eine Abgangsmeldung und die Zugangsmeldung von der Genesenen-Kompanie des Ersatz-Bataillons. Man konnte dadurch den Weg eines jeden Soldaten ziemlich genau feststellen, bzw. seinen augenblicklichen Aufenthaltsort oder Truppenteil ermitteln. Auf diese Weise konnten selbst von einem gerade dem Feld-Truppenteil neu zugeteilter und dort noch unbekannter gefallener Soldat anhand der Erkennungsmarke die Personalien festgestellt werden. Durch die vielen Veränderungen in den Truppenteilen änderte sich zwangsläufig auch das Gesicht der EM-Listen. Es ging bei den Feld-Truppenteilen nicht mehr nach laufender Nummer, sondern die Einträge erfolgten in der Reihenfolge der Zu- und Abgänge. Aber stets war die Beschriftung der EM angegeben. Die EM mit der ursprünglichen Beschriftung behielt der Soldat in der Regel immer, es sei denn, die Marke war ihm abhanden gekommen. Dann wurde eine Ersatz-Marke ausgegeben, die als Beschriftung den ausgebenden Truppenteil mit einer neuen Nummer trug.


    Jeder Truppenteil musste einen Vorrat an Erkennungsmarken von 20% seiner Sollstärke mit sich führen. So konnten jederzeit in Verlust gegangene Erkennungsmarken durch neue Marken ersetzt werden. Die EM wurde durch die Waffenmeisterei der Truppe mittels Schlagbuchstaben und -zahlen beschriftet und ausgegeben. Hatte ein Soldat seine Erkennungsmarke verloren und gute Beziehungen zum Waffenmeister, dann schlug dieser ihm "unter der Hand" eine neue Marke mit gleicher Beschriftung. Das war zwar verboten, wurde aber oftmals praktiziert. Pech hatten Soldat und Waffenmeister, wenn die alte EM wieder aufgefunden und abgegeben wurde.


    Im Gegensatz zur Marine, die Erkennungsmarken auch in Friedenszeiten an die Besatzung in See gehender Schiffe ausgab, wurdem Marken bei Heer und Luftwaffe nur vor kriegsmäßigen Einsätzen ausgegeben. Auch die bei der Wehrmacht beschäftigten Arbeiter und Angestellten erhielten im Mobilmachungsfall Erkennungsmarken. Nach den AHM v. 21.10.1940 Nr. 1076 erhielten die bei den Dienststellen des Heeres beschäftigten Gefolgschaftsmitglieder (Arbeiter u. Angestellte) Erkennungsmarken mit Nummern ab 1000. Reichten für Soldaten dieser Dienststelle die Nr. 1 bis 999 nicht mehr aus, so wurden an die Gefolgschaftsmitglieder auch Nummern ab 5000 ausgegeben.


    Nach der Luftwaffen-Dienstvorschrift (L.Dv. 1000) vom 16.11.1939 waren die Erkennungsmarken von Angestellten und Lohnempfängern vor der Nummer mit einem "A" zu versehen. Hier wurden für die Gefolgschaftsmitglieder auch Nummern von 1 ab zählend ausgegeben.


    Während bei der Luftwaffe die Erkennungsmarken des Bodenpersonals (Flak, Nachrichten usw.) denen des Heeres glichen, erhielten das fliegende Personal und die Fallschirmtruppe aus Gründen der Geheimhaltung eine EM mit anderer Beschriftung. Statt der persönlichen Nummer und dem Truppenteil waren diese Erkennungsmarken nur mit einer fünf- oder sechsstelligen Mob.Nummer versehen. Darunter befand sich die Nummer im EM-Verzeichnis der Truppe, unter der die persönlichen Daten des Trägers der Marke eingetragen waren. So lautete z.B. die Mob.Hauptlisten-Nr. der 12. Staffel KG 40 = 62565. Die unter dieser Nummer eingeschlagene Zahl, z.B. "25", macht die Feststellung der eingetragenen Personalien möglich. Die EM für das fliegende Personal bestand aus schwer schmelzbaren Metall und war mit einer feuerfesten Schnur versehen. Grundsätzlich sollte jeder Soldat seine Erkennungsmarke während der gesamten Kriegsdienstzeit behalten. Ausnahmen bildeten die Fälle des Verlustes der Marke, die Versetzung von einem fliegenden Verband der Lw. oder von einem Wehrmachtsteil zu einem anderen. Ab 1943 kam es zu Versetzungen von Luftwaffe und Marine zum Heer, überwiegend aber zur Waffen-SS. Hier verzichtete man auf eine Neuausgabe der EM und es kam vor, dass viele Angehörige von Heer und Waffen-SS ihre alten Erkennungsmarken von Marine und Luftwaffe weitertrugen.


    Mit der Mob.Machung wurden Erkennungsmarken auch an Soldaten der SS-Verfügungstruppe (SS-VT) ausgegeben. Im Beschriftungsschema waren sie den EM des Heeres ähnlich und trugen lediglich auf der Vorderseite neben der Truppenteilangabe die Buchstaben "VT". Auf einigen war auf der Rückseite das Wort "Verfügungstruppe" ausgeschrieben. Entsprechende Änderungen traten ein, als die SS-VT ihre spätere Bezeichnung "Waffen-SS" erhielt. Bereits ausgegebene EM wurden nicht geändert. Später wurde der Hinweis "Waffen-SS" weggelassen. Die Angaben von Einzelbuchstaben wie z.B. "A" = Arbeiter oder Angestellter oder "B", wie sie später auf Marken der Luftwaffen-Helfer standen führten zu Verwirrungen, als man damit begann, auf den Erkennungsmarken auch die Blutgruppen des jeweiligen Trägers einzuschlagen.


    Im Verlauf des Krieges wurden immer mehr Organisationen zur Unterstützung der Wehrmacht zum Kriegseinsatz herangezogen. Diese gaben an ihre Angehörigen ebenfalls Erkennungsmarken aus.
    So gab es für RAD, Polizei, OT, NSKK und dem Baustab Speer eigene Erkennungsmarken.
    Schlussendlich wurden auch bei einigen Volkssturm-Einheiten eine EM ausgegeben.


    Reichsbahn, Reichspost (Feldpost), und die Angehörigen des DRK erhielten Erkennungsmarken, sobald sie im Kriegseinsatz waren.
    Jede dieser Organisationen hatte natürlich eigene EM-Verzeichnisse und Systeme. Die Führung von EM-Verzeichnissen und den Veränderungslisten machten es möglich, dass die Deutsche Dienststelle, die frühere Wehrmachtauskunftstelle (WASt), nach dem Kriege in der Lage war anhand dieser Verzeichnissse (ca. 100.000.000 Meldungen) den Wehrmachtsangehörigen ihre Dienstzeiten im Krieg zu bescheinigen, sofern die erforderlichen Truppenverzeichnisse nicht durch Kriegs- und Nachkriegsereignisse verloren waren.


    Für die Kriegsmarine verwaltete die WASt auch die Stammrollen = (Erkennungsmarken)Kartei.
    Bei der Luftwaffe war die fortlaufende Veränderungsmeldungen wie beim Heer nicht üblich. Eine derartige Meldung erfolgte nur bei Namensänderung, Verheiratung und Umzügen von Lw.Angehörigen.


    Für die Waffen-SS wurden diese Listen und Meldungen an eine eigene "Auskunftstelle für Kriegsverluste der Waffen-SS" geschickt, die es in Berlin gab und welche 1943 nach Bamberg verlagert wurde, wo ein Großteil der dort befindlichen EM-Verzeichnisse durch Kriegseinwirkungen vernichtet wurden. Bei der WASt besteht aber die Möglichkeit, durch eine so genannte "Begegnungskartei" einen Teil der Erkennungsmarken der Waffen-SS zu entschlüsseln.


    Man könnte nun annehmen, dass bei diesem EM-System Irrtümer bei der Identifizierung unbekannter Toter ausgeschlossen sind. Die Praxis beweist aber, dass auch dieses System unvollkommen war.
    Es gab Fälle, wo Soldaten beim Waschen ihre EM abgenommen und mit der Marke ihres Kameraden versehentlich vertauscht haben. Wenn dieser Irrtum unbemerkt blieb und einer, oder gar beide gefallen waren, dann konnte es schon zu einer Verwechselung kommen. Eine weitere Möglichkeit einer Falschidentifizierung war, wenn ein Soldat einem soeben gefallenen Kameraden die untere Hälfte der Marke abnahm und kurz darauf selbst gefallen ist. Bei Umbettungen in den Nachkriegsjahren wurde bei ihnen nur die halbe Erkennungsmarke des Kameraden gefunden, während seine eigene EM aus unerklärbaren Gründen nicht mehr im Erdreich auffindbar war. So ein Fall konnte auch vorkommen, wenn mehrere Soldaten in einem Sammelgrab bestattet wurden.


    Viele Soldaten haben sich ihrer unversehrten Erkennungsmarke nach dem Krieg oder kurz vor der Gefangennahme entledigt. Oftmals wurden diese von Einheimischen gefunden. In dem Glauben, sie gehöre einem der noch unbestatteten Toten hat man diese bei der Bestattung mit in das Grab gelegt. Nach Jahren wurde die EM dann im Erdreich bei Umbettungsarbeiten aufgefunden und an die DD-WASt geschickt. Zunächst in der Annahme, dass die Marke einem der dort bestatteten Toten gehöre, wurde sie von der WASt entschlüsselt und man stellte fest, dass der Träger in Gefangenschaft geraten war, das Kriegsende überlebt hatte oder aber zu einem späteren Zeitpunkt in der Gefangenschaft verstorben ist.


    Wenn solche Fehlidentifizierungen auch heute noch immer wieder möglich sind, dann werden sie durch Zusammenarbeit zwischen den Umbettungsdiensten des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge und der DD-WASt auf ein Minimum reduziert.
    In der Mehrzahl werden und wurden die Gefallenen anhand ihrer Erkennungsmarke, die man im Brustbereich fand, identifiziert. Auch in diesen Fällen waren die Veränderungslisten und die Truppenverlustlisten wieder ein wichtiges Hilfsmittel. Dadurch konnte man oft die letzte Einheit und deren Einsatzraum feststellen. Stimmte diese mit der Grablage überein, und hatte der Tote vielleicht noch seine letzte Nachricht an die Angehörigen aus diesem Raum mit der Feldpostnummer seines letzten Truppenteils angegeben, dann konnte man der Identität sicher sein.


    Heute werden immer noch Erkennungsmarken gefunden und der WASt zugeschickt. Dabei wird es leider meist versäumt, den genauen Fundort mitzuteilen und anzugeben, ob im Bereich des Fundortes auch menschliche Skelettreste aufgefunden wurden.
    In Anbetracht der Tatsachen, dass noch viele Tausende Kriegsschicksale ungeklärt sind, wäre aber beides von Wichtigkeit. Durch intensive Nachforschungen des VdK und der DD-WASt werden auch heute noch Soldatenschicksale durch Auswertung der Erkennungsmarken und der bei der WASt vorhandenen Verzeichnisse aufgeklärt.
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    Die oft (in den einschlägigen Foren) für die Erkennungsmarke verwendete Abkürzung EKM ist niemals eine "offizielle" der Wehrmacht bzw. der WASt gewesen, d.h. es wurde nur die Abkürzung EM oder Erk.Marke benutzt!!
    Zusammengestellt und bearbeitet von UHF51 - 2010
    Quelle: Klaus Woche (Leiter des Gräbernachweises in der DD-WASt), DSJB 1987 und 1988, Schild-Verlag München

    Beste Grüße
    Uwe