zur 32. Infanteriedivision im Kessel von Demjansk

  • Zitat von Christian Scheven;7312

    Danke, Michael, für diese Angaben! Das Buch von Schröder, J. und Schultz-Naumann, J. gibt es tatsächlich antiquarisch zu kaufen. Habe drei Angebote gefunden mit Preisen zwischen 65 und 145 €. Aber im Sinne des schon gestern von mir gesagten werde ich lieber jene spezielle Fragestellung auf sich beruhen lassen. Auch warte ich noch auf das bestellte Buch von Kurowski. Vielleicht werde ich ja darin noch fündig.


    Beim Lesen der zahlreichen Feldpostbriefe fällt einem natürlich auf, dass es nahezu keine konkreten Ortsbezeichnungen gibt, auch keine Mitteilungen über die Lage usw.. Ich vermute, dass dergleichen zu schreiben verboten war. Frage: Gab es in der Wehrmacht diesbezügliche Richtlinien? Mussten womöglich alle Feldpostbriefe offen eingeliefert werden? Wurde jeder einzelne Brief kontolliert? Ich besitze einen Feldpostbrief meiner Mutter an meinen Bruder, der aufgrund seines inzwischen erfolgten Todes zurückkam, der auf der Rückseite eine Banderole trägt: "Geöffnet. (Rundstempel: ) Feldpostprüfstelle". Bei den viel zahlreicheren Briefen aus dem Felde aber findet sich kein einziger Vermerk einer Kontrolle. Ob darüber hier jemand Bescheid weiß?


    Christian


    Hallo Christian,


    es war tatsächlich so, das Soldaten ihren derzeitigen Aufenthaltsort
    (Konkrete Ortsbezeichnungen) nicht angeben durften sowie auch Informationen zur Lage. Diese Angaben finden sich aber ab und zu in dem einen oder auch anderen Brief, stellt aber eher eine Ausnahme da.
    Leider kann ich Dir jetzt auch keine genaue Richtlinie nennen. Mein Wissen basiert eben durch das Lesen vieler solcher Feldpostbriefe.
    Sinngemäß etwa so: Ihr wisst ja, dass wir keine Ortangaben machen dürfen...
    Würde doch einmal ein Ort genannt, stand dann im darauffolgenden Brief:
    Wir kommen dorthin wovon ich euch in dem vorherigen Brief geschrieben habe...(original Text Feldpostbrief)


    Feldpostbriefe wurden nicht offen eingeliefert und es wurde natürlich nicht jeder Brief kontrolliert. Das war bedingt durch die gewaltige Menge an Briefen nicht zu realisieren. Trotzdem gab es eine Kontrolle durch die Feldpostprüfstellen und das war den Soldaten auch bewusst. Daher wurde wie o.g. einige Informationen verschlüsselt geschrieben.


    Der von Dir geschilderte Fall des geöffneten Briefes ist genau so ein Fall, wo die Zensur durch die Feldpostprüfstelle erfolgte.
    Typisch die Banderole mit dem Rundstempel Feldpostprüfstelle- dann Geöffnet-dann wieder Rundstempel Feldpostprüfstelle - dann Geöffnet usw.
    Der Vermerk der Kontrolle war eben der, das der Brief geöffnet wurde und dann die o.g.Banderole auf den Brief erfolgte. Aber wie gesagt, die große Masse der Briefe wurden nicht geöffnet.


    Weiterhin wünsche ich Dir viel Erfolg bei deinen Nachforschungen und lass uns dran teilhaben.


    Gruß
    Martin

  • Danke, Martin,


    für Deine interessante Information! Ich bin die Briefe meines Bruders aus der Zeit Dezember 41 bis August 42 daraufhin noch einmal durchgegangen, und kann Deine Angaben nur vollauf anhand vieler Feldpost-Briefstellen bestätigen. Dies umso mehr, als parallel zu den Briefen ja Tagebuchaufzeichnungen meines Bruders existieren, in denen sehr wohl Ortsangaben und andere offenherzige Bemerkungen zu finden sind. Durch letztere Aufzeichnungen läßt sich einigermaßen rekonstruieren, wann und (ungefähr) wo seine Einheit (I.R. 4, vielleicht auch nur sein II. Batl.?) in jenen Monaten gelegen hat. Aus den Briefen geht das überhaupt nicht hervor.


    Nebenbei: Wie anständig war damals noch die Briefkontrolle! Ich habe spätere Zeiten erlebt, wo man es den Briefen nicht ansah, daß sie aufgemacht waren. Oder sie verschwanden auch einfach mal...


    Besten Gruß!
    Christian

  • ...wenn jemand mal das Buch über das 32. ID Rg4 irgendwo sehen sollte oder andere Infos, bitte mal Info an mich, ein Verwandter war von 37 - Ende 44 in der Einheit..."Kolberger Jäger" war ein Stichwort, wobei er dann auf jeden Fall die ganze Zeit in Demjansk war (mit leichter Bewaffnung SMG42)...wohl nicht weit von der Einheit vom Theodor, da die ein paar gemeinsame Unternehmungen gemacht haben, jedenfalls kannte er viele Namen normaler und unterer Dienstgrade....schriftliche Unterlagen hat er später; 49; nicht mitgebracht, sonst hätte ich gerne weitergeholfen

    Frohes Neues Jahr

  • Nach längerer Pause, in welcher ich den ganzen schriftlichen Nachlass meines 1942 im Raum Demjansk gefallenen Bruders gesichtet habe, möchte ich mich heute erneut zu Wort melden, möglicherweise letzmalig.


    Vor allem möchte ich mich, der ich selbst nie eine Waffe in die Hand zu nehmen brauchte, bedanken für manchen nützlichen und, wie ich es empfinde, kameradschaftlichen Hinweis, den ich in diesem Forum erhalten habe. Ich hätte hier sicher noch viel mehr erfahren können, doch dafür fehlt bei mir die Zeit.


    Die hinterlassenen Dokumente, Briefe aus den Kriegsjahren 1940 bis 1943 - in der Mehrzahl von meinem Bruder Hans Jürgen selbst, zum Teil aber auch an bzw. über ihn - sind für mich zu einem authentischen Zeitfenster in eine Epoche geworden, die ich zwar selber noch als Kind miterlebt habe, deren Erinnerung mir dann aber durch die weitere politische Entwicklung in der Nachkriegszeit verschüttet worden war. Durch die Beschäftigung mit diesen Zeitdokumenten glaube ich die damalige Situation unserer Soldaten ein wenig gerechter zu beurteilen gelernt zu haben. Zwei Lehren erscheinen mir in diesem Zusammenhang besonders wichtig:


    1. Es war Krieg. Jegliches Moralisieren über die rücksichtslose Härte der Kampfhandlungen verbietet sich. Der Soldat im Felde untersteht anderen Normen als sie in der bürgerlichen Gesellschaft gelten.


    2. Angesichts der furchtbaren Entbehrungen, die unsere Soldaten im Kessel von Demjansk infolge Hunger, Frost und mangelhafter Postverbindung mit der Heimat durchmachen mussten, verdienen ihr Ethos und ihr Idealismus höchsten Respekt – sie sind Menschen geblieben! Nachstehend ein schlichter Beleg, den mein Bruder selbst hierfür geliefert hat (Tagebuchaufzeichnung 01.04.42):


    Kalt blies der Wind über Waldai’s Höh’n,
    Trieb mir den Schnee ins Gesicht.
    So scharf die Augen auch mochten späh‘n,
    Sie drangen hinüber nicht.


    Es lauschte im Sturme das Ohr gebannt.
    Die Finsternis hüllte mich ein.
    Nur selten durchbrach die pechdunkle Wand
    Der Leuchtkugel milchiger Schein.


    In solchen Stunden erschien mir ein Bild,
    Heut‘ denk‘ ich daran zurück,
    In tobender Finsternis, lieblich und mild,
    Ein Bild voll Wärme und Glück.


    Im häuslichen Kreis die Familie vereint,
    die Gesichter zufrieden und froh,
    die Stube traut, die Lampe scheint.
    Dies Bild erschien mir so.


    Und es linderte mir der Stunden Qual,
    oft nur Sekunden gesehn,
    der Winternächte ohne Zahl,
    die ich durchwacht auf den Waldai-Höh’n.


    De mortuis nil nisi bene - Über die Toten (sprich) nur gut.



    Christian Scheven

  • Hallo Christian,


    vielen Dank für Deine Worte und dafür, das du uns an Deinen Erkenntnissen und Gedanken teilnehmen läßt. Die recherchen über Deinen Bruder Hans Jürgen haben Dir die Möglichkeit gegeben, etwas aus dieser Zeit, den Umständen dieser Zeit und über Deinen Bruder zu erfahren. Auch mir und ich denke einigen anderen aktiven hier hat es eine Sichweise, zumindesten im kleinen Rahmen aus dieser Zeit vermittelt.


    Mich hat es gefreut, dass Du Dich so intensiv, objektiv und nachhaltig mit dem Leben Deines Bruders auseinandergesetzt hast und wünsche Dir, dass Du für Dich einen guten Abschluss findest.


    Danke für Deine Beiträge.


    Gruß
    Martin:)