1.Teil
Ein grauer schlammiger Oktobertag
Harter Kampf mit zahlenmäßigen überlegenem Gegner bei Aleksin
Mein Kalender zeigt den 19. Oktober 1941. Der russische Himmel ist dunkelgrau und mit Wolken bedeckt. Ein nasskalter Regen fällt seit Tagen unablässig auf die russische Erde nieder. Durch den anhaltenden und ausgiebigen Herbstregen sind die Felder und Wege in der unendlichen Weite des russischen Raumes in richtige Schlammbäder verwandelt worden.
Unser I. Bataillon hat an diesem verregneten Tag den Auftrag, eine vom Feind stark besetzte Ortschaft nord ostwärts Petrischtschewa anzugreifen und in Besitz zu nehmen, um den weiteren Vormarsch des Regiments 470 auf Aleksin an der Oka zu gewährleisten. Am gestrigen Tag hatte unser II. Btl. vergeblich versucht, die Ortschaft anzugreifen. Dieser Angriff wurde unter schweren Verlusten zurückgeschlagen, da wegen Munitionsmangel (in den Schlammwegen konnte die Munition nicht nach vorne gebracht werden) weder unsere Artillerie noch die schweren Infanteriewaffen eingesetzt werden konnten.
Bereitstellung zum Angriff
In dem Wald ostwärts Petrischtschewa, den wir in der Morgendämmerung eingenommen hatten, stellten wir uns zum Angriff bereit. Es war ein Waldstück mit kernigen Buchen und Eichen, der mit seinem Unterholz unsere Bereitstellung ermöglichte.
Vom Btl. wurden eingesetzt, vorne rechts 3.Kompanie (Oberleutnant Dr. Raff), vorne links 2.Kompanie(Oberleutnant Münkle). Links rückwärts die 1.Kompanie und teile der 14.Kompanie (Panzerabwehr). Als Trennungslinie für den Angriff war der Schlammweg befohlen, der schnurrgerade und mitten durch das Dorf führte. Befehlsgemäß trat dass Bataillon am 19. Oktober, 8°°Uhr, unter Führung von Hauptmann Krämer zum Angriff an. Auch diesmal mussten wir ohne einen Feuerüberfall der schweren Waffen wegen Munitionsmangel angreifen. In breiter Front stürmten wir Infanteristen, jeweils mit einem geschlossenen Sprung, so schnell uns unsere Beine tragen konnten, auf den aufgeweichten schmierigen Ackerboden hinaus. Im gleichen Augenblick pfiffen uns auch schon die ersten Gewehrschüsse der Russen um die Ohren. Ohne die Befehle der Zug und Gruppenführer abzuwarten, wurden die Maschinengewehre in Stellung gebracht. Wütend ratterten unsere leichten und schweren Maschinengewehre in Richtung auf die Ortschaft. Das feindliche Abwehrfeuer wurde immer stärker. Eine Unmenge Iwans schien das Dorf zu verteidigen. Ratsch - Bumm Granaten und die Granaten der Russischen Granatwerfer schlugen in unseren Rehen ein. Neben mir ertönten die ersten Rufe nach Sanitätern.
Es ist nahezu Wahnsinn auf dem Deckungslosen Ackerfeld liegen zu bleiben. Vorwärts, vorwärts ist die Parole, um in dem vom Feind besetzten Dorf Schutz zu finden. Aber dieses mal kämpfen wir gegen zwei Gegner gleichzeitig: vor uns der Iwan und unter uns der Dreck. Die Erdschollen kleben an unseren Knobelbechern fest und hintern uns beim Laufen. Jeder von uns ist nur noch ein lebendiger, beweglicher Schlammklumpen. Der Morast zieht uns immer wieder nach wenigen Schritten auf die Erde zurück.
Das Korn am MG. abgeschossen
Soeben geht der Iwan mit einem IMG. Am zweiten Haus des Dorfes in Stellung. Ich gehe mit meinem IMG. im Anschlag, aber ehe ich einen gezielten Schuss abgeben kann, trifft mich ein Schlag, der Stahlhelm sitzt mir im Genick. Instinktiv nehme ich den Helm ab, presse den Kopf in den Dreck und taste meinen Kopf ab. Kein Blut. Der Ruf des Unteroffiziers Maier nach dem Sanitäter ist umsonst. Als ich wieder mit dem MG. in Stellung gehen will, bemerke ich, dass der Iwan mir das Korn am MG. abgeschossen hat. Der Querschläger ging durch meinen Stahlhelm, ohne mir ein Haar zu krümmen. Trotzt Pech noch Soldatenglück.
Kameradenhilfswerk der
260. Infanterie- Division
Mit freundlichen Grüße
Karlheinz