260. Infanterie-Division

  • 1.Teil


    Ein grauer schlammiger Oktobertag




    Harter Kampf mit zahlenmäßigen überlegenem Gegner bei Aleksin




    Mein Kalender zeigt den 19. Oktober 1941. Der russische Himmel ist dunkelgrau und mit Wolken bedeckt. Ein nasskalter Regen fällt seit Tagen unablässig auf die russische Erde nieder. Durch den anhaltenden und ausgiebigen Herbstregen sind die Felder und Wege in der unendlichen Weite des russischen Raumes in richtige Schlammbäder verwandelt worden.
    Unser I. Bataillon hat an diesem verregneten Tag den Auftrag, eine vom Feind stark besetzte Ortschaft nord ostwärts Petrischtschewa anzugreifen und in Besitz zu nehmen, um den weiteren Vormarsch des Regiments 470 auf Aleksin an der Oka zu gewährleisten. Am gestrigen Tag hatte unser II. Btl. vergeblich versucht, die Ortschaft anzugreifen. Dieser Angriff wurde unter schweren Verlusten zurückgeschlagen, da wegen Munitionsmangel (in den Schlammwegen konnte die Munition nicht nach vorne gebracht werden) weder unsere Artillerie noch die schweren Infanteriewaffen eingesetzt werden konnten.

    Bereitstellung zum Angriff

    In dem Wald ostwärts Petrischtschewa, den wir in der Morgendämmerung eingenommen hatten, stellten wir uns zum Angriff bereit. Es war ein Waldstück mit kernigen Buchen und Eichen, der mit seinem Unterholz unsere Bereitstellung ermöglichte.
    Vom Btl. wurden eingesetzt, vorne rechts 3.Kompanie (Oberleutnant Dr. Raff), vorne links 2.Kompanie(Oberleutnant Münkle). Links rückwärts die 1.Kompanie und teile der 14.Kompanie (Panzerabwehr). Als Trennungslinie für den Angriff war der Schlammweg befohlen, der schnurrgerade und mitten durch das Dorf führte. Befehlsgemäß trat dass Bataillon am 19. Oktober, 8°°Uhr, unter Führung von Hauptmann Krämer zum Angriff an. Auch diesmal mussten wir ohne einen Feuerüberfall der schweren Waffen wegen Munitionsmangel angreifen. In breiter Front stürmten wir Infanteristen, jeweils mit einem geschlossenen Sprung, so schnell uns unsere Beine tragen konnten, auf den aufgeweichten schmierigen Ackerboden hinaus. Im gleichen Augenblick pfiffen uns auch schon die ersten Gewehrschüsse der Russen um die Ohren. Ohne die Befehle der Zug und Gruppenführer abzuwarten, wurden die Maschinengewehre in Stellung gebracht. Wütend ratterten unsere leichten und schweren Maschinengewehre in Richtung auf die Ortschaft. Das feindliche Abwehrfeuer wurde immer stärker. Eine Unmenge Iwans schien das Dorf zu verteidigen. Ratsch - Bumm Granaten und die Granaten der Russischen Granatwerfer schlugen in unseren Rehen ein. Neben mir ertönten die ersten Rufe nach Sanitätern.

    Es ist nahezu Wahnsinn auf dem Deckungslosen Ackerfeld liegen zu bleiben. Vorwärts, vorwärts ist die Parole, um in dem vom Feind besetzten Dorf Schutz zu finden. Aber dieses mal kämpfen wir gegen zwei Gegner gleichzeitig: vor uns der Iwan und unter uns der Dreck. Die Erdschollen kleben an unseren Knobelbechern fest und hintern uns beim Laufen. Jeder von uns ist nur noch ein lebendiger, beweglicher Schlammklumpen. Der Morast zieht uns immer wieder nach wenigen Schritten auf die Erde zurück.

    Das Korn am MG. abgeschossen

    Soeben geht der Iwan mit einem IMG. Am zweiten Haus des Dorfes in Stellung. Ich gehe mit meinem IMG. im Anschlag, aber ehe ich einen gezielten Schuss abgeben kann, trifft mich ein Schlag, der Stahlhelm sitzt mir im Genick. Instinktiv nehme ich den Helm ab, presse den Kopf in den Dreck und taste meinen Kopf ab. Kein Blut. Der Ruf des Unteroffiziers Maier nach dem Sanitäter ist umsonst. Als ich wieder mit dem MG. in Stellung gehen will, bemerke ich, dass der Iwan mir das Korn am MG. abgeschossen hat. Der Querschläger ging durch meinen Stahlhelm, ohne mir ein Haar zu krümmen. Trotzt Pech noch Soldatenglück.



    Kameradenhilfswerk der
    260. Infanterie- Division

    Mit freundlichen Grüße

    Karlheinz

  • 2. Teil


    Russische Panzer und Stalinorgel

    Durch Sprung weises Vorarbeiten sind wir bis auf 200m an das Dorf herangekommen. Jetzt erst setzt der Iwan seine Panzer ein. Wir sehen die aufblitzende Mündungsfeuer seiner Panzer. Zum Glück sind die Panzergranaten schlecht gezielt. Unsere Pak indessen schläft auch nicht. Zwischen den 2. und 3.Zug geht ein Panzerabwehrgeschütz in offene Feuerstellung und jagt seine Granaten auf den stählernen Leib des Panzers. Der 3.Schuss sitzt, der T34 geht in Flammen auf. Weiter stoßen wir vor. Einzelne Gruppen haben sich bereits dicht an das Dorf herangearbeitet, nahezu auf Einbruchsentfernung. Plötzlich. ein gurgelndes Rauschen--- es kommt auf uns zu ---Stalinorgel. Die hat uns gerade noch gefehlt. Glücklicherweise gehen die Einschläge zwischen uns und der nachfolgenden ersten Kompanie nieder. Noch einmal geht das dumpfe, monotone Rollen über unsere Köpfe hinweg, dann schweigt die Geisterwaffe.

    Der 3.Zug eingeschlossen

    Der Zugführer des 3. Zuges, Feldwebel Riese, will rechts ausholen, um von der Flanke aus in das Dorf einzudringen. Der Russe hat aber seinen linken Flügel stark gesichert und lässt den Zug ungehindert in den Wald eindringen und schneidet ihm den Rückzug ab. Doch gelingt es dem 3. Zug sich den Weg in das Dorf freizukämpfen.

    Eigener Feuerüberfall auf unsere vorderste Linie

    Nach hartem Ringen haben wir endlich nahezu erschöpft, die ersten grauen Panjehütten erreicht. Auch die 2.Kompanie links von uns ist auf gleicher Höhe. Handgranaten werden fertig gemacht, Seitengewehre aufgepflanzt und eine weiße Leuchtkugel hochgeschossen.
    Schlagartig setzt jetzt unsere eigene Artillerie ein, ein erschütterndes Grauen, mitten in unsere Reihen, Heulend, krachend und zerberstend detonieren diese schweren Brocken unter uns. In diesem wie eine Ewigkeit dauernden 2 Minuten, geht der Tot um und hält reiche Ernte Schwerverwundete schreien auf. Dazwischen liegen die Toten mit den Händen die die Erde verkrallt. Endlich setzt das Unheil bringende Feuer aus. Dieser Feuerüberfall hat uns schwere Verluste gekostet. Ein Missverständnis der Leuchtkugelfarbe war die Ursache. Trotz allem beherrscht uns nur ein Gedanke, schnell ins Dorf hinein und rasch durchstoßen.
    Die Ortschaft ist ungewöhnlich stark besetzt, fast jedes Haus ist voll mit Russen. 10, 20, teilweise noch mehr Iwans haben eine Hütte besetzt. Aus allen Löchern und Fugen knallt und pfeift es. Querschläger surren durch die Luft, klatschen mit lautem Peng gegen die Holzbalken, Handgranaten fliegen durch die Luft. Verschmutzte Fensterscheiben werden mit Gewehrkolben eingeschlagen, 1 oder 2 Handgranaten hineingeworfen---und weiter vorwärts zur nächsten Hütte. Wir hören die Detonationen, Aufschreien, das stöhnen und wimmern der Getroffenen. Im Kampf Mann gegen Mann geht es vorwärts.
    Manchmal kommen einige Russen zögert mit erhobenen Armen heraus, während die nächste Hütte sich wie eine kleine Festung verteidigt. Neben einen Lattenzaun dampft die russische Feldküche, dahinter ein Verpflegungslager, Panjepferde wiehern in den Schlachtenlärm. Nur noch 2 oder 3 Hütten bis zum jenseitigen Dorfrand, endlich ist er erreicht. Eine große Schar olivgrüner Gestalten flüchten in den nahe liegenden Wald. Unsere MGs jagen den wild durcheinander laufenden Iwans ihre Feuergarben nach. Während die 1.Kompanie am Dorfrand eine Sicherungslinie bildet, pfeifen noch einige Geschosse in der Luft. Der Gefechtslärm läst nach. Ein harter Tag geht seinem Ende entgegen.
    Dreck überzogen, abgekämpft mit starrem Gesichtsausdruck beeindruckt von dem Erlebnis, stapfen noch 47 tapfere Infanteristen der 3. Kompanie hinter ihrem Kompaniechef Oberleutnant Dr. Raff einher, um in der grauen, nasskalten Dämmerung ein Ruhequartier für die Nacht zu suchen und sich örtlich zu sichern.
    32 treue Kameraden wurden aus unserer Mitte gerissen, die später von unserem Tross hier begraben wurden. Ihre Birkenkreuze mahnen und bitten uns, sie nicht zu vergessen.

    Kurt Breuning, ehemals 3./470.

    Kameradenhilfswerk der
    260. Infanterie- Division

    Mit freundlichen Grüßen

    Karlheinz

  • 1. Teil


    Der zweimalige Oka – Übergang des IR.470




    In kühnem Zugriff wurde Kaluga genommen




    Am 2.Oktober 1941 durchbrach das IR. 470 im Rahmen der 260 ID. die Stalin Linie bei Star. Chotmirow an der oberen Dessna und bildete hier in der Nacht vom 2./3. Oktober einen Brückenkopf. Während der erst Dessna – Übergang ostwärts Tschernikoff vom 5./6. September verhältnismäßig einfach war, das halten des Brückenkopfes jedoch später starke Verluste brachte, war es beim zweiten Dessna – Übergang gerade umgekehrt. Nachdem der aus 4 Km vorgetragene Angriff nach mehrstündigen schweren Kämpfen am anderen Ufer Fuß gefasst hatte, war der Widerstand gebrochen, und es ging weiter in Richtung Moskau.

    Herzlich Willkommen

    Da es auf diesen Marsch Tagelang kein Gefecht gab, fuhren RGTS. Kdr. Und Adj. Eines Tages im PKW voraus ins Niemandsland um festzustellen ob der für die Nacht zugewiesene Raum für die Unterkunft des Rgts. ausreicht oder die Ortschaften abgebrannt waren. Auf dieser Erkundungsfahrt kamen sie in ein weißrussisches Dorf, indem die Einwohner sich neugierig um den PKW versammelten. Als der Rgts.--Adj. Ein in der Nähe stehendes Mädchen nach ein paar Eiern fragte, war ein stummes Kopfschütteln die Antwort. Immer mehr neugierige kamen aus den Häusern, unter ihnen ein altes Mütterchen mit einem großen 8 Pfund schweren Laib Brot, auf dem Salz und ein Kreuz lag. Ohne lange über den symbolischen Sinn dieser biblischen Handlung nachzudenken, hob der Rgts. — Adj. Das Kreuz empor und gab es der freundlich Lächelnden Frau zurück. Ihr Gesicht strahlte und sie zeigte uns voll Stolz, dass sie auch ein kleines Kreuz, an einer Kette unter einem Halstuch versteckt, trug. Daraufhin zeigen uns fast alle Frauen und Mädchen ihr Kreuz, das sie heimlich unter ihrer Kleidung versteckt trugen. Sogar die kleinen Kinder und Babies hatten solch ein Kreuzchen. Dieser selten biblisch Willkommensgruß zeigte uns, dass die Religion trotzt 24-jähriger bolschewistischer Herrschaft noch immer tief verwurzelt in diesen Menschen lebte.
    Wenige Minuten später hatten wir zwei Stahlhelme voller frischer Eier und als am Abend der Divisionsstab, der Regimentsstab und 1.Btl. des Rgts. hier Ortsunterkunft bezogen, bekam fast jeder Soldat drei Spiegeleier mit Speck serviert.

    Feindlicher Widerstand an der Ugra

    Wenige Tage später stießen die vor uns marschierenden 17. ID. beim Versuch die Ugra zu Überqueren auf starken Widerstand. Da der Widerstand sich versteifte und die 17.ID.trotz mehrfacher Angriffe beiderseits Anninskaja liegen blieb, gab General Schmidt dem Regts. —Adj. den er gerade bei einer Erkundung auf dem Flugplatz nördlich Worotynsk traf, folgenden Sattelbefehl:
    1. Feind bei Schanzarbeiten ostwärts der Oka im Raume Stolpowo – Gorodok. Westlich Kaluga verhindert Feind durch starkes beobachtetes Feuer weiteres vordringen der 17.ID.
    2. IR 470 überschreitet die Oka mit Behelfsmäßigen Mitteln und setzt sich in Besitz der Oka – Brücke südlich Kaluga, um die 17.ID. bei der Einnahme von Kaluga zu entlasten.
    3. Die Schlauchboote und der Regt. – Pionierzug werden dem Regt. Wider zugeführt.

    Lage beim Regiment 470

    Dieser Befehl war nicht leicht auszuführen, aber seine Ausführung bracht tatsächlich die gewünschte Entlastung. Der Div. – Kdr. hatte sich persönlich von der Feindlage ostwärts der Oka überzeugt und glaubte, dass hier das Überraschungsmoment zum Erfolg führen würde. Es war der 12.Oktober 1941 etwa 11°°Uhr vormittags, als dieser Sattelbefehl erteilt wurde. Die größte Schwierigkeit bestand darin, dass zunächst keine Schlauchboote zur Verfügung standen. Der Regts. – Pionierzug war dem Pionierbataillon der Division unterstellt worden, um den Ugra Übergang der 17. ID. zu beschleunigen. Im laufe des Tages sollte die Schlauchboote dem Regts. Wieder zugeführt werden: aber wann? Die Oka war doch mindestens 60m breit.
    Handstreich von Teilen des II. Btl.

    Das II. Btl. das im Raume um Worotynsk Ortsunterkunft beziehen sollte, wurde aus dem Marsch heraus in Richtung Stolpovo abgedreht und erhielt den Auftrag, Übergangsmöglichkeiten über die Oka zu erkunden. Bereits 2 Stunden später meldete das Btl. dass es ihm durch kühnes Zubacken gelungen ist, die Floßfähre südlich Stolpovo trotz des feindlichen MG. - Feuers instand zu setzten und an das Westufer zu fahren.



    Kameradenhilfswerk der
    260. Infanterie- Division

    Mit freundlichen Grüßen

    Karlheinz

  • 2.Teil


    1.Oka – Übergang

    Mit Hilfe dieser Fähre setzten nun das II. Btl, das I. Btl. und am späten Nachmittag auch das III.Btl. ohne 10. Kp. Über die Oka, um auftragsgemäß die Brücke südlich Kaluga in Besitz zu nehmen. Die 10. Kp. unter Führung von Hptm. Schmidt hatte Auftrag den Feind am Ost wärtigen Ufer der Oka niederzuhalten und den Übergang über die Oka zu sichern. Im Schutze der Abenddämmerung sollte die Kp. Mit Schlauchbooten übersetzten, das Ostufer der Oka vom Feind säubern und zur Brück südlich Kaluga nachfolgen.

    Erkundungsritt der Regimentsführung

    Ohne Schlauchboote und ohne Verluste war also der erste Oka Übergang geglückt. Wird der zweite Oka Übergang auch gelingen? Mit der Kompanie des II. Btl. setzten auch die Rgt. – Führer und seine Adjutanten mit Meldereitern über, um Annährungsmöglichkeiten an die Brücke südlich Kaluga zu erkunden. Unter Ausnutzung der zahlreichen steilen Schluchten gelang es ihnen, sich bis auf 50 m der Oka Brücke zu nähern. Nun aber bot sich folgendes Bild: Das…… der Ponton – Brücke war ausgefahren…….. am Nordufer der Oka. Teile der Brücke waren verbrannt, schwarz verkohlt Posten schauten aus dem Wasser heraus. Etwa 8 Km. (?) ostwärts der zerstörten Brücke fuhren… die Zivilisten in Kähnen auf das Südufer….. Da während dieser Erkundung zu Fuß der Feind mit MGs. Und Grantwerfer schoss und ein frontales Übersetzten beiderseits der Brücke auch mit den in Aussicht gestellten Schlauchbooten keine Aussicht auf Erfolg hatte, entschloss sich der Rgt. Kommandeur etwa 2 Km. weiter ostwärts in der Gegend um Pogrof über zusetzten, um die Kähne
    ….listen als Übersetzmittel auszunutzen. Major Bauer und sein Adjutant liefen zu Ihren Pferden in der Schlucht, galoppierten zu ihrer Truppe zurück, um die Bataillone hinter der Höhe nach Pogrof zu führen. Befehlsübergabe an II. Btl. durch Major Bauer persönlich I. und III. Btl. durch Adj. Major Schütz I. Btl. erhielt Auftrag den Feind am Südrand von Kaluga durch schwere Waffen niederzuhalten. Rgts. – Gefechtsstand Nähe Kirche Pogrof.

    2. Oka Übergang

    So gelang es gerade noch rechtzeitig, die beiden vorderen Bataillone, die in kleinen Kampfgruppen --- entsprechend der Tragfähigkeit der Floßfähre Roshestweno vormarschierten in Richtung Pogrof abzudrehen. Von hier aus viel das Gelände steil zur Oka ab. Als der Adj. auf dem neuen Rgts. Gefechtstandes eintraf, der zunächst nur aus dem Pferdehalter und zwei Pferden bestand hatte Major Bauer bereits den ersten Kahn in einem Bauerhaus am Oka Ufer ausfindig gemacht. Mit Hilfe dieses Kahnes setzten die inzwischen eingetroffenen Teile des II. Btl. und Hptm. Gebhardt über die Oka.

    (Bei dem Artikel 1. Oka –Übergang und bei dem Artikel Erkundungsritt der Regimentsführung, sind zum Teil die Berichte so schlecht dass man zum Teil nur noch auf Vermutung und Reimung die Artikel vervollständigen kann. Ich bitte Sie deshalb diese beiden Artikel unter Vorbehalt zu Lesen. Es könnten einige Angaben nicht stimmen.)

    Einnahme von Kaluga

    Die beiden ersten Kahnbesatzungen unter Führung des Rgts. – Adj. rollten das Nordufer der Oka auf, vertrieben die letzten feindlichen MG. Schützen, die noch auf Teile des Regts. schossen, aus ihren flüchtig ausgebauten Stellungen und näherten sich im Schutze der Dunkelheit der Oka Brücke. Hier wurde der inzwischen auf 30 Mann angewachsene Stoßtrupp von Handgranaten empfangen. In Gegend der Brücke aber waren deutsche Kommandostimmen zu hören. Durch Zurufe konnte eine Verständigung erreicht werden und die Kameraden der 7./IR.21 (17.ID.) und Teile des II. IR. 470 (260. ID) reichten sich bei der Oka – Brücke südlich Kaluga die Hand.

    Die Oka Brücke --- Auftrag erfüllt
    Inzwischen war es 20°°Uhr geworden. Der Rgts. – Adj. besann sich wieder auf den Divisionsbefehl, sich in Besitz der Oka Brücke zu setzten. Bei der Untersuchung der Brücke fand er einen 10m langen Nachen mit einem Ruder. Mit Hilfe eines Soldaten setzte er auf das Südufer über. Das treibende Mittelstück der Brücke, das die Russen anscheinend in letzter Minute losgebunden hatten, konnte sie am Südufer verankern und den Nachen an Hptm. Schmidt übergeben, der gerade mit seiner Kompanie Auftragsgemäß an der Brücke ankam. Durch die Sicherstellung des Mittelstückes gelang, es den Pionieren die zerstörte Pontonbrücke so wieder herzustellen, das sie bereits am 13.Oktober nachmittags für die schweren Waffen des Rgts. freigegeben werden konnte. Um 21°°Uhr meldete der Rgts. – Adj. auf Norden von Kaluga wurde in der Gegend des Bahnhofs am Morgen des 13.Oktober noch hart gekämpft, während bereits beide Div.- Stäbe in Kaluga einrückten.

    In den ersten Nachmittagsstunden erhielt das Rgt. den Befehl, weiter in Richtung Moskau vorzustoßen. Das schöne Herbstwetter jedoch war vorüber, die Regenperiode begann und der weitere Vormarsch blieb eine Zeitlang buchstäblich in 50 cm hohen Schlamm stecken.

    Dr. Gebhardt

    Kameradenhilfswerk der
    260. Infanterie- Division

    Mit freundlichen Grüßen

    Karlheinz

  • 1. Teil


    Ich werde heute Fallen!




    Der Tod des Leutnants Hablitzl----1941 bei unserer Aufklärungs----Abteilung




    Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die wir mit unseren fünf Sinnen kaum erfassen oder begreifen können. Das das so ist, weiß ich seit den Oktobertagen 1941 und zwar genau seit dem Tag, an dem unser Kamerad Jupp Hablitzl in den Weiten des Ostens sein Leben lassen musste. Wir waren vier unzertrennliche Kampfgenossen geworden, seit wir uns zu Beginn des Krieges bei der Aufstellung der Aufklärungs-Abteilung 260 im Raum Aulendorf zusammengefunden hatten: Josef Hablitzl aus Ravensburg, wo er an der Heimatzeitung tätig war, mein alter Seminarkamerad Konrad Böhming, Gebhard Reck, mein bester Freund und Kriegskamerad aus Herbertingen, bis Kriegsbeginn Lehrer bei Leutkirch, schließlich ich selbst, ein junger Schulmeister aus Friedrichshafen.
    Bald lagen wir zwischen Grenzach und Schliengen am Oberrhein, übten zusammen mit unseren Schwadronen, genossen gemeinsam die Schönheit des Markgräfler Landes und die Güte des Weines am Kaiserstuhl und im Breisgau. Der Westfeldzug und der gemeinsame Schmerz um die Kameraden Schall und Siegel schweißten uns noch mehr zusammen. Fast ein Jahr erfreuten wir uns in Burgund, am Fuß der Cote d Ohr, nach dem täglichen Truppendienst an den Kunstschätzen dieses herrlichen Landstrichs und der Vielfalt seiner köstlichen Weine. Wir ritten Seite an Seite durch das Herbstliche Land und saßen abends lange im Gespräch beisammen.
    Im Juli 1941 waren wir dann in Russland und sahen uns meist nur bei den täglichen Lagebesprechungen, bis die Wochenlange Pause vor dem Verhängnisvollen Oktoberangriffen kam. Unsere Division war von der nördlichen Ukraine zwischen Tschernigow und Kiew weit nach Nordosten an die obere Dessna in einen neuen Einsatzraum verlegt worden. In den wenigen Ruhetagen kam die Post nach. Man schrieb Briefe reinigte sich gründlich in der Sauna und schlief wieder einmal aus. Jene letzten Septembertage waren noch recht warm und sonnig. Doch der Oktober kam heran und mit ihm der Befehl zu neuen Einsätzen.
    Nun brach jener Morgen an, dessen Ereignisse mich immer wieder beschäftigen. Der Marschbefehl war am Abend zuvor gegeben worden, die Erste und die schwere Schwadron hatten sich in der Früh in einem Birkenwäldchen bereitgestellt. Die Männer lagen weit auseinander gezogen und gut getarnt am Waldrand, Gebhard, Jupp und ich am Süd ende des Wäldchens.
    Jeder hing seinen Gedanken nach und ahnte wohl, dass mit dem bevorstehenden Angriff und den herannahenden Winter harte Prüfungen bevorstanden. In diese Stille hinein platzte das knattern eines Motorrads: Ein Melder hielt in einiger Entfernung, stellte den Motor ab und rief nach dem Leutnant Hablitzl.
    Wir hoben die Köpfe und sahen den Mann herankommen. Er übergab unseren Kameraden ein Schreiben, das dieser vornüber geneigt las. Nach langer Pause reichte er Gebhard und mir herüber: Macht ihr das, ich kann es nicht. Wir lasen gemeinsam jenen bekannten Tagesbefehl, der die Oktoberoffensive einleitete mit der Irrsinnigen Behauptung, der Feind im Osten sei geschlagen, es geht jetzt nur noch um ein Aufräumen, dann sei der Weg nach Moskau frei.
    Dieser Befehl sollte vor der Truppe sofort verlesen werden. Gebhard wandte sich zuerst an Jupp: Warum willst du den Befehl nicht verlesen, was ist los mit Dir? Klar und bestimmt kam die Antwort: Ich kann es nicht, ich falle heute!
    Erschreck und zunächst Sprachlos starrten wir ihn an, bis Gebhard sich aufraffte: Fehlt Dir was, hast du schlechte Nachricht von zu Hause? -- Nein, las nur, es ist nichts. Ich weiß es eben. Auch ich versuche, ihn aufzumuntern und ihm einzureden, das sei gewiss nur eine momentane Stimmung, doch empfand ich dabei auch meine Hilflosigkeit in einer solchen Lage, selbst dem Freund gegenüber. Sein Blick lies uns dann verstummen.
    Bald kam der Befehl zum Vormarsch. Das befürchtete Artilleriefeuer blieb aus, es fiel kein Schuss und schon gegen 8°°Uhr hatten wir das befohlene Tagesziel erreicht. Am Rande eines lang gezogenen Dorfes gingen wir in Stellung und stellten Sicherungen aus. Der Tag war trocken und sonnig, wir alle waren guter Dinge.
    Gegen Mittag die Feldküche hatte in der sehr breiten Dorfstraße Stellung bezogen ging ich auf diese zu und sah dabei von der anderen Seite Jupp Hablitzl kommen. Erfreut ging ich auf ihn zu und strecket ihm die Hand entgegen: Siehst du, es ist alles gut gegangen, nichts ist passiert und schon sind wir hier.
    Mit einem Blick der mich hart traf, entgegnete er: Las nur! Ist Dir immer noch wie heute früh, bist Du noch derselben Meinung? Ja. Hilflos wie am Morgen konnte ich das Gespräch nicht fortsetzen. Die Männer kommen, um ihr Essen zu holen, und wir verloren uns unter ihnen.
    Überraschend lief kurz nach Mittag ein neuer Marschbefehl ein, der besagte, das es an der ganzen Front kaum Feindberührung gegeben und der Gegner sich weit zurück gezogen habe, man rücke deshalb noch heute weiter vor. Zeit, Weg und Ziel waren wie üblich genau angegeben. Da die Radfahrschwadron von Jupp Hablitzl auf den sandigen Wegen langsam voran kamen, war ich mit dem voll motorisierten Zug als erster an einem Bach angelangt, konnten jedoch nicht weiter, da der Gegner den Übergang gesprengt hatte.
    Ein Pionier Hauptmann war mit seiner Kompanie schon dabei, die Holzbrücke wieder befahrbar zu machen, sie war sogar beinahe fertig. Die letzten Bohlen der Fahrbahn wurden gerade eingelegt und die Pioniere waren damit beschäftigt, diese zu befestigen und ein Geländer anzubringen. Ich meldete bei dem Hauptmann mit der Bitte, mich mit meinen dreizehn Fahrzeugen doch gleich passieren zu lassen, denn nach etwa zehn Kilometer würden wir unser Ziel erreichen und hätten dann noch bei Tageslicht Gelegenheit, in Stellung zu gehen und uns einzurichten.
    Ziemlich barsch wurde ich abgewiesen mit der berechtigten Begründung, dass die Pioniere an diesem Tag schon mehr geleistet hätten. Er gab mir den Rat, meine Fahrzeuge bei einer nahe gelegenen Kolchose in Deckung abzustellen und die Soldaten ruhen zu lassen.
    Diesen Rat gab ich als Befehl an den immer zuverlässigen Wachtmeister Birnbaum weiter und lies Hans Willmann mit meinem Wagen unter einen in der Nähe stehenden Baum fahren. Selbst setzte ich mich, kaum 50 m von der Brücke entfernt, an die Böschung des Baches, um gleich zur Stelle zu sein, wenn der Übergang freigegeben werden würde.
    [FONT=&quot]Es mochte eine halbe Stunde vergangen sein, da wurde ich durch die Stimme meines Freundes Hablitzl aus meiner Träumerei gerissen. Er war mir seinem Wagen dicht an die Brücke herangefahren und schritt forsch wie immer, auf den Hauptmann zu.[/FONT]


    Kameradenhilfswerk der
    260. Infanterie- Division

    Mit freundlichen Grüßen

    Karlheinz

  • 2. Teil


    Heute noch, nach über dreißig Jahren, sehe ich die Sache deutlich vor mir: Der Hauptmann wollte ihn wie mich abweisen. Doch während des Gesprächs waren die Männer der Spitzengruppe, sich mir ihren Rädern durch den tiefen Sand quälend, herangekommen und standen in respektvoller Entfernung um die beiden Offiziere, das eine Bein über der Lenkstange, mit dem linken Stiefel im Sand stehend, bebackt mit ihren Waffen, durchschwitz und abgehetzt.
    Lasen sie wenigsten mich mit meinem Wage über die Brücke, meine Männer tragen ihre Räder durch den Bach, höre ich Jupp sagen. Dann geschieht das Unerklärliche. Der Hauptmann tritt, sei es durch den Anblick der Soldaten dazu bewogen, sei es auf eine innere Stimme hörend, zur Seite und gibt mit einer Handbewegung den Weg frei. Hablitzl grüßt zu mir herüber eigenartig lächelnd, wie ich seither meine und springt in seinen wagen. Schon rollt er über die Brücke.
    Ich beobachte die Soldaten, wie sie die steile Böschung zum Bach hinunter ihre Räder tragen und durch das flache Wasser stapfen, voran der kleine, drahtige, tapfere Wachtmeister Fischer aus Meckenbeuren, der selbst verständlich das Kommando übernommen hat, nicht ahnend, das er seinen Leutnant nicht mehr lebend wieder sehen wird.
    Kurze Zeit noch sehe ich den Männern zu, wie sie drüben sich Hang hinaufquälen. Dann gehe ich zu Karl Birnbaum, um ihm zu sagen, das wir uns zum Weitermarsch fertig machen können. Schließlich begebe ich mich noch etwa eine halbe Stunde zu den einzelnen Gruppen des Zuges.
    Als ich zu meinem Wagen zurückkomme, fährt gerade Gebhard Reck heran, springt aus dem Wagen, kommt aufgeregt auf mich zu und fast mich am Arm; Komm mit! Hablitzl ist gefallen, fünfhundert Meter von hier auf eine Mine gefahren. Das rechte Vorderrad hat sie erwischt, der Fahrer ist nur leicht verwundet.
    Langsam uns schweigend gehen wir zu Gebhards Wagen, rollen über die Brücke und durch einen tiefen Sandweg nach rechts, den leichte Hang hinauf. Einige Pionier stochern mit ihren Stäben im Sand herum und suchen Minen, von dem schon eine Anzahl am Wegrand liegt.
    Da vorne, links vom Weg, steht ein einsamer Baum. Vor ihm machen sich noch zwei Männer an einem frischen Holzkreuz zu schaffen. Wir lassen den Wagen stehen und gehen mit müden Schritten auf das Grab zu. Davor stehen wir dann hilflos einsam, mit hängenden Köpfen. Niemand sagt ein Wort. Es schüttelt mich und meine Kehle ist wie zugeschnürt. Stumm blicke ich zu Gebhard hinüber, auch ihn quellen Tränen aus den Augen. Wir grüßen unseren toten Freund noch einmal: Ich hatte einen Kameraden…
    Die Beine wollen mich kaum tragen, da wir zurückgehen. Am Wagen findet Gebhard die ersten Worte: Denkst Du noch an das Gespräch von heute Morgen? Langsam rollt unser Wagen zurück. Erst nach Tagen können wir uns über unseren Freund Jupp freier unterhalten und jeder erinnert sich genau an dessen Worte am Morgen des 2. Oktober im Birkenwäldchen. Doch was bleibt sind Fragen und Rätsel: Ich durfte nicht über die Brücke, vielleicht hätte auch Hans Willmann die Mine nicht erwischt. Wer kann eine Antwort geben.

    Karl Markert

    Kameradenhilfswerk der
    260. Infanterie- Division

    Mit freundlichen Grüßen

    Karlheinz

  • 1. Teil


    Der Stich ins Wespennest




    Nach Tagebuchaufzeichnungen von Major a. D. Hellmut Gaudig

    Am 29. Oktober 1941 verließ ich das Reserve Kriegslazarett Biala Podlaska, 25 Km westlich Brest – Litowsk, um mich unter Umgehung des Ersatzbataillon, zu meiner Felddivision, der badischen- württembergischen-fränkischen 260. ID. an die Ostfront zu begeben. In Biala - Podlaska hatte ich eine leichte Granatsplitter Verletzung ausgeheilt, die ich Anfang September während der Kämpfe um Tschernigow erlitten hatte.
    Wo meine Division zum damaligen Zeitpunkt eingesetzt war, wusste ich nicht. Als ich sie am 10.Septeber verließ, befand sie sich, einen Tag nach der Einnahme von Tschernigow, im Vormarsch nach Süden Richtung Kiew. Sie konnte also sowohl im Bereich der Heeresgruppe Süd wie auch in dem Bereich der Heeresgruppe Mitte eingesetzt sein. Ich hielt es daher mit dem goldenen Mittelweg und hatte mir den Marschbefehl zur Frontleitstelle Gomel ausstellen lassen.
    Die Fahrt als Alleinreisender an die Ostfront war seinerzeit mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Die Front Urlauberzüge fuhren damals nur bist Brest – Litowsk. Von dort war man dann auf Material und Nachschub Züge angewiesen. Am 29. Oktober ereichte ich dann planmäßig gegen Mittag Brest – Litowsk. Abends erwischte ich dann einen Materialzug nach Minsk, wo ich mit 24 stündigem Aufenthalt in Baranowitschi, am 31.Oktober eintraf. Infolge der vorgeschrittenen Jahreszeit war die Fahrt in den ungeheizten Waggons nicht gerate angenehm. Aber man fror ja nicht alleine. Offiziere, Unteroffizier, Mannschaften aller Wehrmachsteile und Waffengattungen, befanden sich auf dem Weg zur Front und bemühten sich – damals noch eine Selbstverständlichkeit – möglichst rasch zu ihrem Haufen zu gelangen. Der später so oft gehörte Ausspruch es geht alles vom Krieg ab existierte seinerzeit noch nicht.
    Am 1.November morgens erreichte ich einen Nachschubzug nach Gomel, wo ich am 2. November früh ankam. Bei der Frontleitstelle konnte ich nichts über den Einsatzort meiner Division erfahren. Man wollte mich nach Smolensk schicken, und das hätte Rückfahrt nach Minsk bedeutet. Als ich gerade Glücklich die Frontleitstelle verließ, erspähte ich ein Geschenk des Himmels, einen LKW mit taktischen Zeichen meiner Division. Der LKW befand sich gerade mit zwei anderen in Gomel zur Reparatur und sollte nach einigen Probefahrten am 5. November den Rückmarsch zur Division antreten. Diese war im Raume Kaluga zu suchen. Nun war ich im Hinblick auf mein Weiterkommen aller Sorgen enthoben. Von der Frontleitstelle ließ ich mir für die Tage bis zur Abfahrt Quartier anweisen, ansonsten war ich Gast dieser Dienststelle.
    Am 5.November morgens verließ ich mit dem 3 LKW denen sich noch je ein PKW der 17.ID und eins Pionierbaubataillons angeschlossen hatten, Gomel. Eine Gruppe Nachersatz für das AR. Meiner Division unter Führung von Wachtmeister Roman hatten sich für den Transport auch noch eingefunden. In 4 Tagesfahrten – Nachtfahrten waren wegen der Partisanengefahr nicht ratsam erreichten wir über Dowsk (Rollbahn – Brest – Litowsk – Moskau) – Kritschew (Übernachtung) – Rosslawel (Übernachtung) – Juchnow (Übernachtung) – Malojaroslawez, hier nach Südosten auf Sserpuchow abbiegen, am 8. November abends in Wilkowitsche den Stab der 17.ID. meiner Nürnberger Friedensdivision.
    Hier erfuhr ich, dass die 260.ID. rechts neben der 17. ID. eingesetzt sei. Ich lies mich mit ihr Telefonisch verbinden und meldete mich beim IA, Major i. G. Köstlin, zurück. Darob beim Div. – Stab dem ich im Sommer 4 Wochen angehört hatte, allgemeine Freude und Überraschung. Ich erhielt den Befehl mich am nächsten Tag auf dem Gef. - Stand des IR.480 in Woronzowka zu melden und mein altes Bataillon, das II. wieder zu Übernehmen.
    Am 9.November mittags traf ich auf dem Reg. – Gef. – St. 480 in Woronzowka ein. Regimentskommandeur war Oberst v. Parseval, Regimentsadjutant nach wie vor Oberleutnant Erbe . Ich lies mich eingehend über die Ereignisse bei der Division während meiner Abwesenheit und über die Augenblickliche Lage Unterrichten.
    Am Abend hörte ich zum ersten Mal die neuesten Errungenschaft russischer Waffentechnik, das Raketten Geschütz oder die von unseren Landsern so getaufte Stalinorgel. Dieses Raketten Geschütz waren auf LKW montierte Abschussvorrichtungen mit zahlreichen Gleitbahnen (m. W. bis zu 32), deren Geschoß mit Raketenantrieb versehen waren und in rascher Folge abgefeuert wurden. Da die Geschütze leicht beweglich waren und nach jedem Segen sofort Stellungswechsel machten, waren sie schwer zu fassen.
    Die Russen verwandten Spreng und Brandraketen. Die Splitterwirkung der ersten war nicht übermäßig groß, da sie sich häufig nicht zerlegten, dagegen konnten sie auf nächster Entfernung durch den bei der Detonation erzeugten Luftdruck tödlich wirken. Die Brandraketen waren mit Flammöl gefüllt und sollten in dem bevorstehenden Winterkrieg zur Niederbrennung der von uns besetzten Ortschaften noch eine hervorragende Rolle spielen.
    Am 10. November begab ich mich zu Pferd in die Unterkunft des Bataillons Trosses nach Arifjewo, wo sich mein Gebäck befand, um mich der Frontverwendung entsprechend auszurüsten. Auf dem Rückweg besuchte ich in Radenki den Chef des Rgt.- Komp. 480, Hauptmann Merkel, mir bekannt aus meiner Friedensgarnison Erlangen.
    Am nächsten Tag übernehme ich wieder die Führung des II. Bataillons, das an diesem Tag gerade aus der Waldstellung südlich Macejewo in ein Waldlager nördlich von Woronzowka in Reserve verlegt wurde. Die Offizierstellenbesetzung war folgende. Adjutant Leutnant Pauscher, Ord. – Offz. Leutnant Freiherr v. Spieß, Truppenarzt Oberarzt Dr. Keller, Hilfsarzt Dr. Schweinstetter, 5.Kompanie Leutnant Wagner, 6.Kompanie Oberleutnant (Name entfallen), 7.Kompanie Leutnant Appold, 8.Kompanie Leutnant Wick. Die 6. und 8. Kompanie hatten noch je einen Leutnant als Kompanie Offizier. Der bisherige Bataillonsführer, Hauptmann Roth, trat zu seinem Regiment (460) zurück.
    Am Nachmittag besuchte ich den Kommandeur des III. Bataillons, Hauptmann Labrenz, der mit seinem Bataillon in Macejewo in Stellung lag.
    Ergänzen möchte ich noch dass das I. Bataillon von Rittmeister v. Geldern angeführt wurde.

    Angriff und Abwehr: 13. ….. 19. 11.1941

    Bei meiner Rückkehr aus Macejewo lagen bereits Befehle vor für einen Angriff, den die Division am 13. November in die Bereitstellung frisch herangeführter sibirischer Verbände hinein führen sollte. Dieser Angriff war gleichzeitig als Fesselung und Ablenkungsaktion gedacht, da in einigen Tagen auf den äußeren Flügeln der 4. und 9. Armee der Zangenangriff der Panzergruppen gegen Moskau beginnen sollte. In Vorbereitung dieses Unternehmens erkundete ich am Vormittag des 12. November unter Sicherung durch eine Gruppe für mein Bataillon den Bereitstellungsraum, der im Wald nördlich von Macejewo angesichts feindlicher Gefechtsvorposten lag.

    Der 13. November 1941: Ein schwarzer Tag!

    Nachdem an den letzten Tagen bedeckter Himmel bei leichtem Frost geherrscht hatte, zeigte dieser Tag Wolkenlosen Himmel mit 15 Grad Kälte, der erste richtige Wintertag. Dies war von besonderer Bedeutung, da ein großer Teil der Leute weder Kopfschützer noch Handschuhe besaßen, also nicht einmal den einfachsten Kälteschutz. Statt Handschuhe hatten sich die Männer Strümpfe über die Hände gezogen.
    Um 7°°Uhr morgens verlies das Bataillon in einer noch beachtlichen Gefechtstärke von 380 Mann das Waldlager und rückte in seinen Bereitstellungsraum ein, ohne vom Gegner gestört zu werden. Gleichzeitig stellte sich das III. Bataillon (Hptm. Labrenz) im Wald nord ostwärts von Macejewo, als rechts vorwärts gestaffelt, zum Angriff bereit. Der Angriffsplan sah vor, dass mein Bataillon zunächst den Waldrand westlich Jekaterinowka, also die Höhe des III. Bataillons erreichen sollte. Dort sollte dann der Angriff beider Bataillone nach einem Feuerschlag der Artillerie und der schweren Infanterie Waffen von 1 Minute Dauer auf Jekaterinowka beginnen. Angriffsziel war der Brownagrund.
    Der Anschluss zu meinem linken Nachbarn, zur 137.Inf.-Div. die den gleichen Kampfauftrag hatte wie wir, war nicht vorhanden.
    Um 8°° Uhr trat das Bataillon mit 5. Kompanie rechts, 6. Kompanie links, 7.Kompanie hinter der 6.Kompanie zur Sicherung der zum linken Nachbarn bestehenden Lücke zum Angriff an. Die 8.Kompanie folget hinter der Mitte. In nicht besonders schwerem, aber zeitraubendem Waldgefecht, dass vor allem der 6. Kompanie links zu schaffen machte, und deren Führer dabei fiel, wurde die Waldblöße, auf der Jekaterinowka lag erreicht. Im Verlauf des Gefechts war das Bataillon etwas nach links abgekommen und hatte sich noch schließlich mit dem rechten Flügelbataillon der 137. Inf.-Div. vermischt.



    Kameradenhilfswerk der
    260. Infanterie- Division

    Mit freundlichen Grüßen

    Karlheinz

  • 2. Teil


    Während noch die durcheinander geratenen Verbände entwirrt wurden, und sich mein Bataillon zur Fortsetzung des Angriffs auf Jekaterinowka bereitstellte, trat das III. Bataillon (Hptm. Labrenz) nach dem planmäßigen Feuerschlag der Artillerie und der schweren Infanterie –Waffen an, nahm den Südteil des Ortes und ging gegen sein endgültiges Angriffziel, die Browna weiter vor. Ich folget mit meinem Bataillon wenige Minuten später und stieß, ohne wesendlichen Widerstand zu finden, über Jekaterinowka Nord hinaus gegen mein Angriffsziel Nebotowo an der Browna vor, dagegen wurde die Reserve Kompanie meines Bataillons, (Ltn. Appold) und die ihr folgende vorderste Kompanie des Res.- Btls., die 1.(Oblt.Klinger), vom Russen der sich von meinen Kompanien vorderster Linie hatte Überrollen lassen, in heftige Nahkämpfe verwickelt.
    Inzwischen hatte die 5.Kompanie rechts planmäßig die Browna südl. Nebotowo erreicht und die Verbindung zum III. Bataillon hergestellt.
    Als die 6. Kompanie den Waldrand westlich von Nebotowo, das auf einem rechteckigen Waldeinschnitt am Westufer der Browna lag, erreichte, ging Seitens des Russen ein wilder Feuerzauber los. Mit Artillerie, Granatwerfern und Pak belegte er vor allem den Abschnitt der 6. Kompanie, wo sich auch der Bataillons Stab befand. Es traten schwere Verluste ein. Unter diesen Umständen war eine Fortsetzung des Angriffs nicht möglich.
    Auf Anforderung stellte mir das Regiment die gesamte Artillerie, darunter schwere Heeres Artillerie, und eine Infanteriegeschütz Kompanie zu Verfügung. Nach einem gemeinsamen Feuerschlag dieser Waffen, dem sich auch die Granatwerfer und schweren Maschinengewehre des Bataillons anschlossen, auf Nebotowo und die jenseits der Browna erkannten Feuerstellungen feindlicher Granatwerfer und Pak sollte die 6. Kompanie den Ort nehmen. Trotz dieser Zusammenfassung kam die Kompanie aber nur einen Sprung weit aus dem Wald heraus und wurde durch das feindliche Feuer zu Boden gezwungen. Die Verluste stiegen weiter. Der Führer der Ifn.-Gesch. - Kompanie fiel, desgleichen der Kompanieoffizier der 8. Deren Führer, Leutnant Wick wurde schwer verwundet, ebenso der Führer der 5. Kompanie Leutnant Wagner. Diese Kompanie war, um dem starken Feuer im Brownagrund auszuweichen etwas zurückgegangen und hatte dadurch die Verbindung zum Bataillon Labrenz (III) verloren.
    Zu einem letzten Versuch Nebotowo doch noch zu nehmen, erteilte ich der bisher nicht eingesetzten 7. Kompanie (Lt. Appold)den Befehl, nördliche des Waldeinschnittes bis zur Browna vorzustoßen, rechtsum zu machen und den Ort von Norden her zu nehmen. Aber auch dieser Versuch missglückte, da die 7. Kompanie bereits westlich des Baches auf starken Widerstand traf.
    Durch das zurückgehen der 5. Kompanie war die Verbindung zum rechten Nachbarn (III.Btl.) abgerissen, zum linke der 137. Inf. Div. war die Tuchfühlung mit Fortsetzung des Angriffs über Jekaterinowka hinaus wieder verloren gegangen. Das Bataillon hing vollständig in der Luft. In dieser Situation konnte ich das Bataillon in Anbetracht der bevorstehenden Nacht nicht lassen, wenn es nicht restlos vor die Hunde gehen sollte. Ich entschloss mich daher mit Einbruch der Dunkelheit, zumal der Russe seinerzeit zum Angriff überging, auf Jekaterinowka auszuweichen, wo ich I. Bataillon (Rittmeister v. Geldern) als Regiments Reserve wusste.
    Die Ausweichbewegung gelang ohne besondere Schwierigkeiten. In Übereinstimmung mit dem I. Bataillon das in Jekaterinowka bereits Feindangriff von Norden her hatte abwehren müssen, setzte ich mein Bataillon, recht 5., links 7., Kompanie linker Flügel am Ortsrand von Jekaterinowka mit Hauptkampflinie entlang des nach Ost- Südost auf die Browna zuführenden Weges ein, wodurch notdürftig die Verbindung zum III. Bataillon wieder hergestellt wurde, das allerdings seinen linken Flügel entsprechend zurück biegen musste. Zur Verbindungsaufnahme erschien noch am Abend vom III. Bataillon Feldwebel Bohlander der leider an einem der nächsten Tage fiel. Die Hauptkampflinie des Bataillons war gekennzeichnet durch alte russische Stellungen, die zwar verkehrte Front hatten, aber meinen Männern doch einigen Schutz boten. Denn wen auch erst einige Tage Frost herrschte, war es mit dem kümmerlichen Schanzzeug das der Infanterist bei sich trug nicht mehr möglich in die Erde zu kommen.
    In Reserve hatte ich jetzt die 6.Kompanie genommen, da sie die meisten Verluste erlitten hatte. Sie bestand nur noch aus einem Zug. Die 8. Kompanie kam im Abschnitt der 7. Kompanie zum Einsatz, da sie nur hier Schussfeld hatte. Als ich am Abend nochmals die HKL abging geriet ich das erste Mal in den Brandraketensegen einer Stalinorgel ohne dass mir etwas passierte.
    Nach Eingang der abendlichen Gefechtsstärkenmeldung der Einheit musste ich zu meinem Schrecken feststellen, dass 150 Mann fehlten. Gott sei dank tauchten im Laufe der Nacht und des nächsten Tages wider eine Anzahl Leute auf, die verwundete Kameraden geborgen und zurück geschafft hatten oder sonst wie von der Truppe abgekommen waren. Trotzdem blieb die Bilanz dieses schwarzen Tages erschreckend genug; 25 Tote, davon 4 Offiziere, 76 Verwundete, davon 3 Offiziere, 14 Vermisste, insgesamt 115 Köpfe Ausfall. Da einschließlich des Bataillons-Arztes nur noch 5 Offiziere vorhanden waren, mussten zwei Kompanien vom Feldwebel geführt werden (5. und 8.). An die Stelle des ausgefallenen Adjutanten war der Ord.-Offz. Leutnant v. Spieß getreten.
    Der 14. und 15. November standen im Zeichen zahlreicher zum Teil mit Unterstützung von Panzern geführter Angriffe der Russen gegen Jekaterinowka, die alle abgewehrt werden konnten, obwohl es auf unserer Seite einmal zu einer Panik kam. Bei der Abwehr der Feindpanzer bewährte sich besonders der in Jekaterinowka eingesetzter Zug der Pz.- Jäg. Kompanie 480 unter Führung von Feldwebel. Die Ausfälle stiegen weiter an hielten sich aber in normalen Grenzen. Leutnant Appold der Führer der 7. Kompanie, wurde verwundetet, der neue Führer der 8. Kompanie Leutnant Troll fiel gleich am Tage seiner Ankunft. Der Führer der Inf. Geschützkompanie die immer noch meinem Bataillon unterstanden, schied in Folge von Erfrierungen aus. Von den 4 Kompanien des Bataillons wurden nun drei von Feldwebel geführt: 5., 7., und 8. (Feldw. Walter)
    Zu unserer großen Überraschung saß der Russe am 14.November morgens in Stärke von etwa 300 Mann in Macejewo, also zwei Kilometer hinter unserer Hauptkampf- Linie. Er hatte damit unseren Versorgungsweg gesperrt und die Verbindung zum Regiment unterbunden, das mit seinem Gefechtsstand in Woronzowka geblieben war. Der Gegner wurde am 15.November früh durch die Divisions- Reserve, die Panzerjäger Abteilung, mit Unterstützung von Sturmgeschützen wieder aus Macejewo heraus geworfen. Als Ersatz dafür hatte er sich am gleichen Morgen dicht südostwärts von Jekaterinowka einige 100 Meter hinter der HKL. Meines Bataillons in einer alten Russischen Stellung eingenistet. Da er sich ruhig verhielt setzte ich zunächst zur Sicherung gegen etwaige Überraschung meine Reserve am Südostrand von Jekaterinowka ein. Da die Sturmgeschütze die die Wiedergewinnung von Macejewo unterstützt hatten, bis zu uns nach Jekaterinowka vorfuhren ließ ich eines davon gegen diese feindliche Grabenbesatzung auffahren. Die Wirkung war verblüffend: Ohne das ein Schuss fiel, verließ der Russe mit sämtlichen Waffen darunter 3 sMG seine Stellung und gab sich gefangen. Es waren immerhin 90 Mann.
    Am 15.November abends wurde das Regiment auf seine Ausgangsstellung zurückgenommen, und zwar mit dem III. Bataillon in der Waldstellung südlich Macejewo und mit dem I. Bataillon nach Macejewo selbst. Mein Bataillon wurde im Hinblick auf seine hohen Verluste Regiments Reserve im Wald südwestlich Macejewo hinter der Stellung des III. Bataillons. Da dort keinerlei Unterstände oder sonstige Unterzugsmöglichkeiten vorhanden waren, und der steinhart gefrorene Boden ein Ausheben von Deckungslöchern nicht zu lies, beantrage ich wegen des strengen Frostes (etwa 20—25 Grad) durch Funk beim Regiment die Verlegung ins Alarm – Quartier nach Woronzowka. Meiner Bitte wurde entsprochen.
    Einen kleinen Vorgang möchte ich hier noch erwähnen. Bei Erkundung des mir zunächst zugewiesenen Raumes im Walde scheuche ich einige versprengte Russen auf, die im Schutze der Dunkelheit entschwanden. Später erfuhr ich dass die Reserve des Inf.-Rgts. 488 (268. Inf.-Div.)das uns am 19 November abends ablöste, an der gleichen Stelle durch feindliches Artilleriefeuer schwere Verluste erlitt.


    Kameradenhilfswerk der
    260. Infanterie- Division

    Mit freundlichen Grüßen

    Karlheinz

  • 1. Teil


    Die Wende vor Moskau




    …. Im Blick der 260 Infanterie – Division




    Die große Oktoberoffensive der Mittelfront im Jahre 1941 fand unsere Division unversehens am rechten (Süd) Flügel des Stoßkeiles, der zwischen den beiden Kesseln Brjansk und Wjasma unentwegt und ohne Rücksicht auf die Flanke in Richtung Moskau vorzustoßen hatte. Diesen Keil führte die 4. Armee, unter dieser die 260.ID.am rechten Flügel als Teil des XIII. AK. links begleitet von der 17.ID. Mit diesen Kampfgenossen aus Nürnberg, die wir im Verlauf des späteren Rückzuges noch als zuverlässigen Nachbarn schätzen lernten, nahmen wir am 12. Oktober Kaluga, ostwärts des Zusammenflusses der Ugra und Oka, und stießen danach in eine spürbar schwach besetzten Abschnitt der russischen Verteidigung südlich von Moskau.
    Die Karten von Moskau, auch bereits im Maßstab der Messtischblätter, wurden eifrig studiert. Die Vormarschstreifen lagen ungefähr fest. Ganz große Optimisten fanden bereits für die Überwinterung geeignete Datschen in den Außenbezirken der Metropole. Die Stadt selbst sollte nicht betreten werden! Napoleons Schicksal warnte!
    Von oben also aus dem Mauerwald bei Rastenburg, kamen unbrauchbare Vorschriften, für die Umstellung auf den Winterkrieg. Tatsächlich hatte das Oberkommando die Vorstellung
    , der Russe werde keinen beweglichen Winterkrieg führen können. Für die Deutsche Ostfront hatte man daher eine durchgehende Tiefenzone von Stützpunkten größeren Umfanges vorgesehen. In deren Schutz sollten die Masse der Truppen in Waldlagern und Orten ruhen und sich erholen, auffrischen können. Das Zwischengelände sollte mit Jagdkommando motorisiert, mit Schneeschuhen oder Pferden beweglich gemacht, überwacht und in das ganze System durch ausgefeilte Feuerpläne der Artillerie und schweren Waffen abwehrfähig gemacht werden. Es war für uns eine erschütterndes Erkenntnis, den Meilenweiten Abstand der Vorstellung der höchsten Führung von der uns erlebten und im Weiteren für möglich gehaltenen Wirklichkeit zu sehen.
    Zunächst sollte aber Moskau genommen werden. Zwischen uns und der 150 Kilometer entfernten Metropole sollten nur noch schwache Kräfte, wohl Teile der Podolsker und Serpuchower Garnisonen und Militärschulen stehen. Das nächste wichtige Ziel musste die Nord – Süd Achse der russischen Verteidigung, die Straße Tula Moskau sein. Sie wird in Tula, ostwärts Alexin, ostwärts Tarrussa und in Serpuchow von West Ost Verbindung getroffen bzw. gekreuzt. Es kam also darauf an, die Oka Übergänge von Alexin, Tarussa und Serpuchow in die Hand zu bekommen.
    Auf Alexin und Tarussa waren die 260. und die 17.ID. angesetzt. Aus den beweglichen Teilen beider Divisionen wurde eine starke Vorausabteilung gebildet, deren Auftrag die Wegnahme der Oka Brücken von Serpuchow war, während die Infanterie Regimenter auf Alexin und Tarussa angesetzt wurden.
    Das Tagebuch unseres Generals Hans Schmidt, nennt diese Vorausabteilung angesichts der bereits sich abzeichneten Straßenverhältnisse ein tot geborenes Kind. Bereits am 16. Oktober war die Vorausabteilung mit allen Teilen in ihren endlosen Längenausdehnung in die so genannte Straße eingesungen und wurde von der in Reihe marschierenden Infanterie überrundetet. Regen und Schnee des beginnenden Winters hielten nun für etwa zwei Wochen alle Kraftfahrzeuge und große Teile schwerer Pferdebespannter Fahrzeuge, wie die der Artillerie fest. An zügige Bewegung auch die der Infanterie, war nicht mehr zu denken. Auch die Versorgung floss immer spärlicher. Am 10. Oktober notierte der Divisionskommandeur: IR. 480 stößt auf starken Feind in ausgebauter Stellung und greift noch nicht an, da die Artillerie noch fehlt. Sie und später ihre Munition sollten noch oft fehlen!

    Sibirische Truppen

    Es gelang zwar dank der trotz jungen Ersatzes und starker Ausfälle zähen Infanterie mit Unterstützung der im zehnspännigen Zug in Stellung gegangener Artillerie den Feind aus der Brückenkopf Stellung westlich von Alexin zu werfen, aber einem schwungvollen Vorwärts setzte sich außer der sich wehrenden russischen Erde mit ihrem Schlamm immer stärkerer Widerstand des Feindes an der Oka entgegen. Der erste Verband der Sibirier aus dem fernen Osten tauchte auf. Die Zeit arbeitete für den Feind, der seinen widerstand verstärkte und damit versteifen konnte.
    Jetzt traten auch wider russische Flieger auf, die sich mit besonderer Freude und ohne deutsche Jagdabwehr auf die hilflos im Schlamm kriechenden, feststeckenden und auf die wenigen Pisten im Schlammgefilde angewiesenen Bewegungen stürzten und ihnen mit Bordwaffen und Bomben hässlich zusetzten.
    Im letzten Drittel des Oktobers holten unsere rechten Nachbarn, die die Brjansker Schlacht abgeschlossen hatten, mühsam auf und arbeiteten sich südlich der Oka in allgemeiner Richtung auf Tula vor. Wir mussten bis Tarussa ausdehnen und standen damit dem Feind in fast 40 Kilometer breite gegenüber. An Angriff war nun nicht mehr zu denken. Nördlich von uns hatte die 17.ID im Protwatal bis etwa 20 Kilometer westlich Serpuchow Boden gewonnen und lag jetzt auch fest.
    Am 3.November gab die 260.ID. den Befehl südlich Serpuchow nach dreitägiger Ablösung durch die 52.ID ab. Sie sollten zur Bildung eines Schwerpunktes westlich Serpuchow eingesetzt werden, von dem aus nunmehr die Lebensader des zäh verteidigten Raumes von Tula – nördlich davon – abgeschnitten werden sollte. Die abgelösten Teile unserer Division wurden also nach Norden in Marsch gesetzt. Im Tagebuch des Divisionskommandeur steht: Die Truppe wälz sich mühsam durch den tiefen, zähen Schlamm. Die Pferde dampfen und müssen das letzte hergeben.
    Vom 17.November ab übernahm die 17.ID. deren Stellungen im Brückenkopf Kremenki, einem Bogen der wahrscheinlich zum Gelenk eines nordwestlichen an Serpuchow vorbeiführenden Angriffs werden sollte. Das wussten die Russen auch, deshalb war Kremenki ein Brennpunkt und blieb es auch für die nächsten sechs Wochen.
    Aus dieser Stellung heraus sollte nun die Offensive in unserem Abschnitt, links von der 17.ID. begleitet, rechts von der 52.ID. geschützt gegen die Moskauer Verteidigung fortgesetzt werden. Wir hatten aber gar nicht den Eindruck zu einer massiven Offensive bereitgestellt zu werden. Im Gegenteil wir hatten Mühe unsere Stellung überhaupt zu halten! Es setzte ein zermürbender Kampf in Wald und Dreck, später in schneidender Kälte ein, der nun mit hohen Verlusten unzähliger braver Einzeltaten, starker Artillerie mit hohem Munitions- und starken feindlichen Panzereinsatz die nächsten beiden Wochen kennzeichnete. Jeder spürte nunmehr wie mühsam es sein müsse, den Übergang vom Ambos zum Hammer wieder zu finden.

    Erfrierungen am laufenden Band

    Die Temperaturen begannen sich bis Mitte November bei Schwankungen bei wenigen Wärmegraden und bei z.T. nassen Wetter auf minus 18 Grad einzupendeln. Der Wechsel zwischen Frost, Schnee, und Regen führte zu zahlreichen Erfrierungen. Die Truppe hatte nur ihre dünnen Mäntel und Kopfschützer, aber noch keine Handschuhe u.s.w. und es bestand keine Aussicht eine den zu erwartenden Temperaturen angepasste Winterkleidung zu bekommen.
    Die Artilleriemunition begann zwar mit zu nehmenden Frost reichlich zu fliesen. Der Abschnitt war allmählich sogar mit Artillerie unter einen besonderen Artillerie Kommandeur gut ausgestaltet. Sie hatten einen ausgefeilten Feuerplan und reagierten mit besonderer Schnelligkeit, auch bei Nacht und trotz des Mangels an vielen Erfordernissen für ein präzises Feuer. Es fehlte nämlich an Öl, oder Kerzen, oder Karbid, um nachts die Richtmittel und Richtlatten zu beleuchten!
    Mitte November sollte nun auch bei uns zum letzten Sprung auf Moskau angesetzt werden. Der Feind lag im Wald dicht vor unserer Infanterie. Am 13.November trat unsere Division zusammen mit ihrem linken Nachbarn bei 18 Grad Kälte an. (Links von uns war inzwischen die 137. ID. eingeschoben worden.) Der Angriff, an frostklirrenden Morgen mit starker Artillerie und Luftwaffen Unterstützung begonnen, stieß sofort auf zähen Widerstand, starke Abwehr mit viel Artillerie und Unterstützungs- Panzern.

    Kameradenhilfswerk der
    260. Infanterie- Division

    Mit freundlichen Grüßen

    Karlheinz

  • 2. Teil


    Kritischer Tag

    Das Tagebuch des Divisionskommandeur zeichnet die Unbeschreibliche Härte des Kampfes mit nur wenigen, aber in ihrem Gewicht unüberhörbaren Worten: Später gibt es heftige Nahkämpfe bei IR. 470 in der Bunkerstellung von Browna, und bei IR. 480 zwischen Jekaterinowka und Nebotowo, wo die 137. ID. 1,5 Kilometer abhängt und das Bataillon nun umfasst wird. Ziemlich hohe Verluste, 12Offiziere, 300 Mann—auch bei 470. Mehrfach Krisen, da keine Reserven! Abends noch schöne Waffentaten vom 5./470 Helmling, der Bunker nimmt, und von zwei Stoßtrupps 460, die 34 Bunker ausräumen und russischen angriff aus nächste Nähe abwehren, wobei der Russe über 100 Mann Verlust hat. 480 leider wieder etwas zurückgenommen worden, hat abends noch Verluste durch Raketengeschütz. Kritischer Tag.
    Am 13. November abends und erst recht am 14. und 15. geht die Initiative zum Feind über. Die offene linke Flanke und die durch deren Sicherung stark geschwächte Naht zwischen unseren Regimentern 470 und 480 gaben ihm die Möglichkeit, mit tiefen und starken Einbrüchen die Lage dort sehr kritisch zu gestalten. Deshalb blieb der Teilerfolg der Division vor ihrem rechten und mittleren Regiment auch der einzige im gesamten Korpsstreifen. Der Angriff musst abgebrochen werden, bei uns ebenso wie bei den linken Nachbarn des XIII. dem XII. Armeekorps. Die Infanterie musste auf ihre Ausgangsstellung zurückgenommen werden.
    Der Russe wich nicht mehr vor einem deutschen Angriff. Er kämpfte gleichsam mit dem Rücken an der äußersten Mauer seiner Hauptstadt. Und unsere Infanterie? Die Kompanie in der Gefechtsstärke von Zügen, Bataillone in Kompaniestärke, wochenlang Kampf bei Tag und Nacht ohne Ablösung, ohne Unterkunft und Kälteschutz, Pioniere infanteristisch eingesetzt! Ein Zustandsbericht unseres IR.460 gibt über die Folgen des Einsatzes im Brückenkopf Kremenki ein erschütterndes Bild: Bei 10 bis 18 Grad Kälte, Tauwetter und Regen lag die Truppe in primitiven Erdlöchern, konnten sich nicht Waschen und Kleider wechseln und war sehr verlaust und verkräzt. Die Wäsche vor allem die Socken, zerlumpt am Körper. Das Lederschuhwerk riss und zerfiel und die dauernd nassen und wieder kalten Füße erfroren.

    Empfindliche Verluste

    Und diese Infanteristen hielten ihre Stellung und blieben im Gegenangriff hart am Feind, selbst wenn der Erfolg ihnen zwischen den Händen zerbröckelte! Eines unserer Infanterie Regimenter hatte in diesem Brückenkopf Kremenki 8 gefallene, 19 Verwundete, und 8 Kranke Offiziere, und 316 gefallene, 765 verwundete, 4 vermisste und 407 kranke Unteroffiziere und Mannschaften, also insgesamt 1527 Soldaten verloren.
    Auf der Gegenseite beim Russen spürten wir die Erfolge seines Zeitgewinnes. Seine Artillerie verstärkt sich nach Rohrzahl und Munitionseinsatz. Seine Panzer vermehrten sich und formierten sich zu Rudeln und schließlich selbständige kämpfende Gruppen. Seine Infanterie oft Teile der aus Sibirien herangeführten, ausgeruhte Fernost Armeen, hatten harte Einzelkämpfer, blendende Scharfschützen und gewande Skiläufer, die in der Ausnutzung von Natur und Tarnung aufgewachsen waren. Ihre Bekleidung zum Teil doppelte Wäsche am Körper, wattierte Oberkleidung, Filzstiefel, Pelz oder Krimmermützen mit Ohrenschutz, ja sogar gefütterte Gesichts Masken, ersparte ihr die zehrenden, wie eine Suche wirkenden Ausfälle.
    Von der großen Lage hörten wir zwar immer noch, dass die Zangenbewegung südliche und nördlich von Moskau Fortschritte machte, aber auch diese Bewegung wurde langsamer und härter umkämpft. Auf der inneren Linie des Russischen Verteidigers tauchten die Zahlen neuer Verbände der Fernostarmeen immer wieder am Brennpunkt der ganzen Mittelfront um Moskau auf. Hier war der Beweis für das intakte Verkehrsnetz von Bahnen und Straßen im Großraum der Hauptstadt und für den damit unschätzbaren Vorteil des Feindes für schnelle Reaktionen bei Schwer und Brennpunktbildung gegeben. Wenn wir also um den 19. November herum eine leichte Entlastung vor unserer Front spürten, durften wir annehmen, das der Iwan den vor uns gehaltenen Brennpunkt abbaute, um seine bedrohten Flügel an den Backen der deutschen Zange zu stärken. Mit unserer Genugtuung, unter harten Opfern starke Feindkräfte gebunden zu haben, mischte sich mit der Erleichterung auch die Besorgnis für das Gesamtanliegen der Mittelfront zugleich.
    Die Zeit zwischen den 20. November und den 16. Dezember wirkte in der Rückschau wie das Schwanken einer Waage, in deren Schalen für die Division Leben oder Tod lagen. In Kenntnis der großen Lagen auf beiden Seiten zeichnete sich bereits ab, das der Feind uns keine Winterruhe gönnen wollte; aber ob ihm das Gelänge konnten wir zu diesem Zeitpunkt in unserem kleinen Rahmen noch nicht übersehen. Wir gliederten uns tief, bildeten mit einem herausgezogenen Regiment eine starke Reserve. Erkundeten im Hauptkampffeld Riegelstellungen und bauten die Unterkünfte Winterfest aus.



    Ein hartes erwachen

    Am 16. und 17. Dezember gab es ein hartes Erwachen aus unserer Vorstellung einer einigermaßen ruhigen Überwinterung. Der Russe griff an und brach bei der uns rechts benachbarten, sehr breit und locker stehenden 52. ID. tief und unaufhaltsam ein. Die 260. ID. musste ihre Reserve dorthin abgeben, sich selbst seitlich verschieben und dazu den Brückenkopf räumen. Seit dem 13. Dezember war die Temperatur bei etwa 20 Grad Kälte eingefroren. Und nun begann mit dem Rückzug der Mittelfront der Leidensweg unserer Division. Es war ihr bestimmt, von nun an nur noch den Feind abzuwehren, bis sie in ihrem letzten Kampf zwischen den 25. Juni und 9. Juli 1944 unterging.
    Sie blieb, solange sie existierte eine harte und zäh kämpfende Infanterie Division. Auch in den dieser Schilderung folgenden Zeiträumen war es für Armee und Armeekorps eine Beruhigung, unserer 260. ID. in ihrem Verband zu wissen. Sie hielt und schlug zurück. Aber es war ihr nicht mehr geschenkt, den ihrem eigenen Ruf zu bestätigen, dass sie als Mindestleistung in Vormarsch und Angriff die ihr gesetzten Ziele mit Sicherheit erreichte.
    Das war die Wende!
    Köstlin



    Kameradenhilfswerk der
    260. Infanterie- Division

    Mit freundlichen Grüßen

    Karlheinz

  • 1. Teil


    Das grüne Ros der Sanitäter




    Beim II./470 im Ostfeldzug 1941/42




    Wenige wissen wie der Verwundete während des Kampfes geborgen wirt. Der Betroffene selbst erlebt nur einen teil möglicher Schwierigkeiten. Begriffe wie Verwundeten Nest oder Truppenverpandplatz können nur entfernt andeuten, wie der Sanitätsdienst der Infanterie bei Bergung, Hilfe und Transport abläuft. Nimmt man die Gefechtsbereite eines Bataillons etwa mit einem Kilometer an, so können dabei sehr schnell schon Quadratkilometer große Flächen unter Beschuss liegen und mit Verwundeten geradezu Übersäht sein.
    Wie verhalten sich Arzt, Sanitätsdiensgrad und Krankenträger gefechtsmäßig? Dabei ist zu beachten, dass der besondere Schutz des Roten Kreuzes an der Ostfront vom Gegner nur selten eingehalten wurde. Es gab keine Patentlösung, wie die Männer während eines Gefechts in unübersichtlichem Gelände ohne Wege, mit Sümpfen, Wäldern, und Sonnenblumenfeldern zu bergen waren. Das Sanitätspersonal muss mit mehr als sieben Sinnen Behelfe sonder Zahl erfinden.
    Einem Infanteriebatillon stand zunächst bei Kriegsbeginn ein Sanitätsgerätewagen (H.F.7-Fahrzeug)mit zwei Pferden zu Verfügung. Heute muss ich sagen, dass es Truppennah keine bessere Ausrüstung gab als diese. Allerdings konnte das Fahrzeug nur im Tross folgen und dabei im Westen wie im Osten kaum von einer festen Straße abgehen.
    Eine schwierige Aufgabe war es immer wieder, den Bedarf an Verbandsmaterial, Schienen, Spritzen und anderen wichtigen Dinge während des Gefechts aus diesem Gerätewagen kilometerweit in die vordere Linie zu bringen. Wir mühten uns um Lösungen dieses Problems. Mein später gefallener Kamerad Dr. Flickinger aus Münsingen, hatte eine klassische einfache Idee: Ein sehr leichtes Pferdebespanntes Fahrzeug folgte mit allem Notwendigen immer seinem Bataillon. Es konnte auch in unübersichtliches Gelände mit geringem Abstand diese Aufgabe erfüllen, wenn der Fahrer auf Draht war.
    Dienstlich bestand angesichts des Kriegsstärkenachweis natürlich keine Aussicht, eine solche Kleinsteinheit aufzustellen, da weder Mann noch Pferd noch Wagen vorgesehen waren. Wochenlang hatten Dr. Flickinger und einige Männer nur noch Augen und Sinn für Pferde. Fasziniert waren sie von einem Gaul direkt neben unserem Biwak. Er weitete von Artilleristen gut bewacht, in seiner Koppel.
    Im Biwakraum einer zur Verlegung bestimmter Truppe herrschte geschäftiges Treiben, verbunden mit Appellen für Mensch Tier und Gerät auf Wiesen, Wäldern und Straßen. Solch scheinbares Durcheinander wurde unserem Wunschpferd zum Schicksal: Es wurde vom Artilleristen zum Infanteristen!
    So präsentierte man mir in der Nacht vor unserem Abmarsch in den Osten freudestrahlend einen kleinen stämmigen Braunen mit heller Mähne und struppigen haaren um die Hufe. Sein Satteldruck störte nicht, bei uns sollte er ja nur ziehen.
    Schon bei seinem erscheinen stand für ihn ein Wohnturm aus Strohballen bereit, der ihn gegen Sicht deckte. Damit er nicht alleine in diesem Verlies bleiben musste, betreute ihn ein Mann, denn das Tier könnte ja wiehern, falls es vertraute Stimmen hörte! Schon im Morgengrauen spazierten tatsächlich ein Artillerieleutnant und zwei Wachtmeister ganz beiläufig durch unser Lager und das wiederholte sich auch später, jedesmal ohne Erfolg.
    Inzwischen musste der kleine Braune einen Persönlichkeitswandel über sich ergehen lassen: Das Tier durfte keinesfalls braun bleiben und sollte nun falb werden, da es ja eine blonde Mähne hatte. Wir wussten nur, dass dieser Vorgang sich etwa bei Frauenhaar mit Wasserstoffsuperoxid leicht erzielen ließ. Dieses aber hatten wir in Menge.
    Offenbar zur Strafe auf unsere Untat misslang jedoch eine erste ko0smetische Behandlung: Wir schufen einen grasgrünen Gaul mit Schatten! Wenige Stunden vor dem Abmarsch! Gelungen war mir ein Brand nämlich ein einrasierter senkrechter Pfeil in der Hinterhand.
    Glücklicherweise konnten wir einem Drogisten mit unseren letzten französischen Franken sein Lager an schwarzes Haarfärbemittel abkaufen. Das Pferd kannte sich bald selbst nicht mehr, es war ein Rappe geworden und seine blonde Mähne hatte sich in einen schwarzen Bürstenschnitt gewandelt.
    Schließlich kann es aber einem Gaul gleichgültig sein, ob er Natura oder gefärbt durch den Sand des Ostens stapft.

    Kameradenhilfswerk der
    260. Infanterie- Division

    Mit freundlichen Grüßen

    Karlheinz

  • 2. Teil


    Nach dieser Untat mussten jetzt mehrere Klippen umschifft werden: Einmal war unser Tier ja völlig unetatmäßig und sollte Infanteriehafer fressen. Zum anderen musst überplanmäßig ein Fahrer abgestellt werden.
    Der schwerste Gang aber stand mir noch bevor. Glücklicherweise hatte unser Kommandeur, Major Eugen Bauer, für Sanitätsbelange immer größtes Verständnis. Nach meinem Vortrag stand uns dann auch ein Grantwerferbeutewagen zur Verfügung. Die Herkunft des Pferdes wurde dabei nicht erörtert. Die einzige Gefahr bestand nun noch in der Erkennung früherer Besitzer, durch Umfärbung und Vermummung war dies allerdings nicht mehr wahrscheinlich.
    Unser grünes Ross hieß jetzt Harras und zog als Rappe seine Karette, gelenkt von dem blonden Gefreiten Ruoff aus St. Märgen; vom ersten Augenblick an waren beide eines Sinnes. Harras wurde unser Stolz, das ganze Bataillon kannte ihn. Gerne hätten wir ihm irgendwohin ein Rotes Kreuz gemalt wie auf die Karette.

    Monatelang half er sich alleine

    Der taktische Befehl für Ross und Mann lautete, der Truppe im Gefechtsverband immer so zu folgen, dass beide für uns stets bereit waren. Täglich mehrmals erhielt Ruoff seine Gefechtslage und gab uns seinen Standort durch. Monate lange folgte er durch Wälder, Sümpfe, Klüfte und half sich alleine. Vom Gerätewagen beim Tross lies er sich Verbandsmaterial zustellen.
    Wenn ich heute darüber nachdenke, was Fahrer und Pferd leisteten, dann gehört beiden die allergrößte Achtung. Immer ereichte sie ihren Haufen. Sie erlebten die Erfolge und Rückzüge des Bataillons. Sie zogen über Desna und Oka, standen in Kaluga und Kremenki, in der Hitze der Ukraine, in Herbst und Winter, Schnee und Schlamm.
    Als nach der Jahreswende 1942 von ursprünglich sechs Ärzten des Regiments nur noch einer übrig und auch so mancher Kamerad unserer Sanitätsfamilie und des Bataillons nicht mehr waren, veränderte Harras sich ein wenig. Sein Fell hatte eine ganze Anzahl Granatsplitter Narben. Zeitweise blies er mit der Atemluft frisches Blut aus. Das störte ihn sicher aber er Überstand es.
    Im Wald von Browna und Radenki erlebte er seine schwersten Einsätze. Doch auch in allernächster Nähe der feindlichen Linie blieb er mit seinen Freund gelassen. So konnten unsere Verwundeten immer versorgt werden. Ich bin sicher, dass mancher 470er auch ihm einen Teil seines Lebens verdankt.
    Schließlich hatte er schon über tausend Kilometer seine täglich Last gezogen und dabei selten einen Stall gesehen. Immer war er ein unverzagtes Soldatenpferd gewesen. Der Gaul Überstand die mörderische Kälte, oft im Schnee bis zum Bug. Er fischte nach Schneeflocken und fraß Stroh vom Dach. Er war kein Rappe mehr, brauchte es auch nicht mehr zu sein. Als der Frühling 1942 ins Land zog und der Schnee zum Sumpf und See wurde, war Harras so entkräftet, das er eines Morgens nicht mehr aufstand. Sein Fahrer stand ihm bis zu letzt bei.
    Jene Männer, die später zum Regiment kamen, kannte auch den Gefreiten Ruoff nicht mehr. Harras hatte längst einen Nachfolger bekommen und in den Wäldern von Juchnow gingen beide verloren.

    Dr. Eugen Schwarzkop

    Kameradenhilfswerk der
    260. Infanterie- Division

    Mit freundlichen Grüßen

    Karlheinz

  • 1.Teil


    Für zwei Tage Trossführer der 260. ID.




    Aus dem Tagebuch des Major a. D. Hellmut Gandig




    Etwa Mitte Dezember 1941 begann die Russische Gegenoffensive beiderseits Moskaus mit Schwerpunkten auf den äußeren Flügel der 4. und 9. Armee. Im Abschnitt unserer 260. Infanterie – Division nahmen die Krisen ihren Anfang bei unserem rechten Nachbarn, der 52. ID. Diese Division stand in sehr breiter Aufstellung am Westufer der Oka, die in folge der strengen Kälte zugefroren war und somit kein Hindernis mehr darstellte. Es war daher kein Wunder das der Feind hier an verschiedenen Stellen zum Erfolg kam. Am 13. Dezember wurde I. Bataillon (v. Geldern) der 52.ID. unterstellt und rückte am Abend von Kolzow ab.
    Am 16. Dezember erhielt ich den Befehl, am nächsten Tag mit den großen Trossen der Infanterie der Division in südwestlicher Richtung abzurücken. Nachdem in den frühen Morgenstunden des 17. Dezember die Fahrzeuge des Infanterie Regiment 480 unter großen Schwierigkeiten aus dem tiefen Talkessel von Kolzowo herausgeführt worden waren, konnte der eigentliche Marsch angetreten werden. Westlich Lopatino schlossen sich die Trosse des Inf. – Rgts. 460 an. Tagesziel war Gorjewo, Marschleistung etwa 20 Kilometer.
    Es herrschte bedeckter Himmel bei mäßigem Frost. Der Straßenzustand war bei festgefahrener Schneedecke gut. Am 18. Dezember wurde der Marsch bei gleicher Witterung unter Anschluss der Trosse des Inf.- Rgts. 470 fortgesetzt. Tagesziel war Shelowosh. Marschleistung etwa 15 Km. Es trat hierbei das Kuriosum ein, das dass Ende der Kolonne sein Quartier verlies, als die Spitze bereits das Tagesziel erreicht hatte.
    Diese Tatsache erhellte eindeutig, mit welch ungeheueren Fahrzeugballast unsere Infanterie Divisionen beschwert waren. Umso mehr Anerkennung verdient deshalb die gewaltige Marsch und Kampfleistung unserer Infanterie im Bewegungskrieg im Osten. Mit grausen denke ich noch an unsere Märsche im Sommer 1941 zurück. Die 260. Infanterie Division verließ erst in den ersten Julitagen Frankreich und marschierte nach etwa drei Tägigen Bahntransport als Heeresgruppenarmee, und schließlich als Korpsreserve hinter der kämpfenden Front her, bis sie etwa ab 20. Juli als Sicherung der tiefen rechten Flanke der Heeresgruppe Mitte im Gebiet der Rokitnosümpfe in die Kämpfe eingriff. Durchschnittliche Tagesmarsch Leistungen etwa 40 Km.
    Die Division die bisher nur das hervorragende Straßennetz Westeuropas kannte, tat sich natürlich in den unwegsamen Russland mit seinen wenigen und miserablen Straßen besonders schwer. Die Männer fanden sich verhältnismäßig rasch mit diesen Straßenzuständen ab. Dagegen litten die Pferde furchtbar unter den Anstrengungen die ihnen zugemutet werden mussten. Ich war zurzeit Chef der 8. (MG) Kompanie, die planmäßig über 22 Fahrzeuge verfügte. Während die gummibereiften MG-Wagen nicht besonders tief in den Sandboden einsanken, dagegen aber die Adhäsion am Boden um so größer war, schnitten die schmalen Räder der Munitionsfahrzeuge und vor allem die der zweiräderigen Granatwerferkarren, die zu dem noch eine wesentliche engere Spurweite hatten, tief in den Boden ein.
    Mit allen Mitteln wurde versucht das Gewicht der Fahrzeuge zu vermindern, um die Pferde zu entlasten. Die Reitpferde des Kompanie und des Zugtrupps wurden zu Tragtieren degradiert und ihnen Munitionskästen, MG und Granatwerfer – Gerät als Traglast aufgebürdet. Von den zahlreichen herumlaufenden Russenpferden wurden die geeignetsten eingefangen und ebenfalls als Tragtiere verwand. Trotzdem verlor die Kompanie täglich ein Pferd. Eigenartigerweise versagten als erstes die schwersten Pferde, die des Futterwagens, der deshalb schon nach einigen Tagen stehen gelassen werden musste. Nach Erreichen der Marschziele waren die Pferde häufig so erschöpft, das man nicht wusste, wie man am nächsten Tag die Fahrzeuge weiter bringen sollte. Einmal kamen die letzten Fahrzeug nachts um 1°° Uhr im Quartier an und um 4°°Uhr wurde bereits wieder angetreten. Dies war an dem Tag gewesen an dem das Bataillon einen Traktor aufgegabelt hatte, mit dem meine 6 Munitionswagen geschleppt werden sollten. Das ging zuerst ganz gut, aber nach einigen Kilometern streikte das Ding und war nicht mehr in Gang zu bringen. Ich war gezwungen, nach Erreichen des Marschzieles die Gespanne 8 Km. weit zurück zu schicken, um einen stehen gebliebenen Munitionswagen heran zu bringen.

    Kameradenhilfswerk der
    260. Infanterie- Division

    Mit freundlichen Grüßen

    Karlheinz

  • 2. Teil


    Mit noch größeren Schwierigkeiten hatte die Divisions- Artillerie zu kämpfen, die einschließlich der schweren Abteilung vollständig Pferde bespannt war. Als ich im August 1941 beim Divisions- Stab kommandiert war, beobachte ich einmal den Stellungswechsel einer schweren Batterie. Dieser wurde in Vier Etappen im zehnspännigen Zug normal sechsspännig durchgeführt.
    In Shelowosh erhielt ich für meine Person den Befehl, mich sofort wieder an die Front zu begeben und in Saworowo beim Ib der Division zu melden. Ich hätte die Führung des III. Bataillons/Inf.- Rgt. 480 zu übernehmen, da Hauptmann Labrenz durch Verwundung ausgefallen sei. Ich übergab das Kommando über die Trosse an Oberleutnant Dr. Glenz und ritt mit meinem Pferdeburschen, den Obergefreiten Schorr aus Staffelstein, die zwei Tagesmärsche am gleichen Nachmittag zurück. In meinem alten Kolzowo, wo ich kurz rastete stieß ich auf Hauptmann Merkel, der mit der Regiments Stabskompanie 480 von Radenki nach Kolzowo verlegt worden war. Die bis dahin in Kolzowo stationierte gewesene Sanitäts- Kompanie des Stabsarztes v. Limprun war bereits für den Abmarsch gerüstet. Hier traf ich auch den Truppenarzt des I. Bataillons IR. 480, Stabsarzt Dr. Walker, der von der Vernichtung dieses Bataillons berichtete: Rittmeister v. Geldern gefallen, sein Adjutant Leutnant v. Spieß schwer verwundetet, desgleichen der Chef der 4. Kompanie Oberleutnant Schlindwein.
    Anschließend ritt ich nach Saworowo weiter und meldete mich befehlgemäß beim I b der Division, meinem Jahrgangskameraden Hpt. i. G. Plücker. Hier erfuhr ich, das dass IR.480 in dieser Nacht 18./ 19. Dezember aus der Front gezogen würde, um am nächsten Tag durch Ersatz aufgefüllt zu werden.

    Die Reste des Regiments

    Am 19.Dezember morgen trafen die traurigen Überreste des einst so Stolzen Inf. Rgts. 480 in Saworowo ein, bestehend aus dem Rgts. Stab mit Nachr. Zug und Inf. Pionier Zug (Kdr. Oberst v. Parseval)und dem III. Bataillon mit Stab, 10. und 11. Kompanie unter den Oberleutnant Beil und Rentschler und den Überbleibsel der 12. Kompanie. Außerdem existierte noch die 13. (Inf. Gesch.) Kompanie und die I. Kompanie des Oberleutnants Gölz, wovon sich die letztere noch im Verband des Inf. Rgts. 470 im Einsatz befand. Die Gefechtsstärke des Bataillons betrug noch etwa 90 Mann.
    Das Bataillon wurde in dem stark belegten Saworowo, das ungefähr 4 Kilometer hinter der Front lag, notdürftig untergebracht. Gegen Mittag des gleichen Tages rückte der Ersatz an, mit dem das Bataillon aufgefüllt werden sollte. Es handelte sich um eine Wachkompanie aus dem Generalgouvernement in Stärke von 150 Mann, meistens mittlerer Jahrgänge, die bisher nur Wachdienst getan hatten und zum ersten Mal an den Feind kamen. Die Bewaffnung die diese Einheit mitbrachte, bestand aus sage und schreibe sechs Pistolen 08. Man stelle sich das einmal vor: Da kommt eine Kompanie Soldaten an die Front, die seit einigen Tagen in schweren Abwehr und Rückzugskämpfen steht und die an mehreren Stellen schon durchbrochen ist, so dass man hinter der Front jederzeit mit Auftreten durchgestoßener Feindkräfte rechnen muss, und bringt an Waffen ganze sechs Pistolen mit. Sollten diese Leute dem Russen etwa lediglich Schneeballschlachten liefern? Die Männer hatten wohl alle ihre Tornister mit der vorgeschriebenen Bekleidung und Ausrüstung mit, aber das was den Soldaten erst ausmacht die Waffe fehlte.
    Das Hauptproblem war zunächst die Bewaffnung des Ersatzes. Der I b der Division und das Regiment halfen so gut es ging dadurch, dass Fahrern, Küchenpersonal und sonstigen Trossangehörigen die Gewehre abgenommen wurden. Eine Maßnahme die anderseits kaum zu Verantworten war, wenn man sich vor Augen hält, dass auch Trosse und Nachsubverbände jederzeit gewärtig sein müssten, sich gegen durchgebrochene Feindkräfte ihrer Haut wehren zu müssen. Zum beweis möchte ich hier erwähnen, dass gerade in diesen Tagen der Divisions- Nachschub und die Div. Feldpost weit hinter der Front in Nedelnoje von einem durchgebrochenen russischen Skiverband überfallen wurden.
    In dem Tempo wie die Bewaffnung vor sich ging, wurden die Weihnachtsmänner so hatten die alten Hasen die Ersatzleute wegen ihren vorgeschrittenen Alters und der kurz bevorstehenden Weihnachttage getauft in die Kompanie eingereiht. Meine Hoffnung die Eingliederung des Ersatzes wenigstens in einiger Ruhe durchführen und die Neulinge an die Frontluft gewöhnen zu können, wurde leider nicht erfüllt.

    Kameradenhilfswerk der
    260. Infanterie- Division

    Mit freundlichen Grüßen

    Karlheinz

  • 1. Teil


    Unser erster Rückzug im Osten




    Aus den Abwehrkämpfen im Winter 1941/1942




    Nach der Einnahme von Kaluga im Oktober 1941 versank die weitere Offensive der Division zunächst im abgrundtiefen Schlamm. Unter größten Anstrengungen, allmählich etwas erleichtert durch zeitweilige Frosteinbrüche, quälten sich die Angriffkolonnen weiter in Richtung Alexin und Serpuchow. Westlich dieser Linie, etwa 70 Km. vor Moskau, stießen die deutschen Verbände auf sich versteifenden Widerstand der Sowjets und wurden zum Stellungskampf gezwungen.
    Etwa vierzehn Tage wurde diese Stellung gehalten, dann begannen die Russen mit frischen Truppen aus Sibirien ihre Angriffe. Es waren ausgeruhte die große Kälte gewohnte Einheiten. Mit Unterstützung der T34 drängten sie unsere Infanteristen aus den Stellungen und nahmen nach tagelangen Kämpfen Ortschaft um Ortschaft. Das II./460 unter Major Müller leistete härtesten Widerstand. Mit 180 Mann drang das Bataillon in ein bereits von 600 Russen besetztes Dorf ein und nahm im Nahkampf Haus um Haus.
    Inzwischen war auch Kaluga, wohin die Regiments- Trosse zurückt verlegten werden sollten, nach kurzem Kampf in den Besitz der Russen übergegangen.
    Zusammen mit einer anderen Division befanden wir uns in einem Sack. Nur eine einzige Rollbahn (Serpuchow – Medyn – Juchnow) war unsere Nachsublinie. Sie musste links und rechts, 500 Meter vorgeschoben, von Infanterie verteidigt werden.
    Kurz vor Weihnachten begann es erst so richtig zu schneien, der Schnee lag etwa an die 50cm hoch. Auf ungebahnten Wegen begannen am 18. Dezember die Trosse sich von Radenki aus in Richtung Kaluga zurück zu ziehen.
    Die ganze Gegend war eigentlich mehr ein Hochland, durchzogen von vielen Flüssen, die tiefe und breite Täler bildeten. Radenki lag nun auf dieser Hochebene. Hügelauf hügelab zog nun die lange Kolonne dahin, bei Tag und Nacht. Bei Wysokinitschi erreichten wir das Tal der Protwa und überquerten diesen Fluss am Nachmittag des Weihnachtsabends 1941.
    Einen Kilometer hinter Wysokinitschi stießen wir auf die Rollbahn von Serpuchow nach Kaluga, marschierten etwa 15 Km. darauf weiter und bogen am Abend ab in ein Dorf.
    Weihnachtsbäume wurden bereits Unterwegs an den Waldrändern mitgenommen. Nun sollten sie geschmückt werden. Plötzlich rief der Melder des Regiments – Trossführers den Spieß ab. Bald kam dieser wieder zurück mit dem Abmarschbefehl und zwar sollte noch in derselben Nacht fast die gesamte Strecke wieder zurückgelegt werden, die wir am Tage hier hergezogen waren. Das war unser Weihnachtsfest!



    Kameradenhilfswerk der
    260. Infanterie- Division

    Mit freundlichen Grüßen

    Karlheinz

  • 2.Teil


    Am Morgen des 25. Dezember wurde das Tagesziel erreicht. Das schwere Geschütz blieb in einer Schlucht vor dem Dorf stecken und sollte, sobald sich die Pferde ausgeruht hatten, nachgezogen werden. Doch der Anstieg zum Dorf und auch zur jenseitigen Höhe war zu steil und lang, als das die Pferde, die auf den schweren und langen Märschen schon erhebliches gelitten hatten, es noch geschafft hätten. Das Geschütz musste in der Schlucht gesprengt werden.
    Inzwischen war der Tross früher 30 Mann stark, auf über 70 Mann angewachsen. Am Abend des 29. Dezember zogen endlich die Trosse des Regiments aus dem Kessel, am nächsten Tag folgten die noch kämpfenden Teile. Auf diesen schweren Märschen hatten wir in der ganzen Kompanie nur ein einziges Fahrzeug, den Futterwagen (Beutestück aus Frankreich), durch Ausbruch eingebüßt.
    Bei Rasten oder Nachtunterkünften in einem Dorf drängten sich die Kameraden in die Russenhäuser wie die Heringe, um vor der Kälte Schutz zu finden. Am 30. Dezember mussten 25 Mann vom Tross zur Infanterie abgestellt werden, von wo sie erst Ende Februar wieder zurückkehrten. Es war allerdings kaum mehr als die Hälfte, die anderen waren gefallen oder ins Lazarett gekommen.
    Die Verpflegungssätze waren inzwischen auf ein Drittel oder Viertel zurückgesetzt worden. Nur bei unserem Tross gab es dank dem Spieß noch keine Kürzung. Auf dem Weitermarsch konnte die Verpflegung für 800 Mann bei einer Nachbardivision aufgefrischt werden.
    Auf der Rollbahn Medyn – Juchnow zogen wir weiter nach Westen, rückten nachts ohne Rast durch Juchnow und marschierten über eine lange, hohe Holzbrücke der Ugra. In den Häusern am anderen Ufer wurde die Nacht im Stehen verbracht. Von dieser Hauptstraße nach Roslawl zweigte kurz hinter der Brücke die Rollbahn nach Wjassma ab. Auf der zogen wir ein kurze Strecke weiter und gelangten vier Kilometer seitlich in das Dorf Kostenki.
    Der Ort war in etwa 100 Meter Abstand von einem Wald umgeben. Am zweiten Tag wurden wir aus einer Waldecke mit Gewehren und Maschinen Gewehren beschossen. Daraufhin wurden drei Spähtrupps ausgesandt, zwei davon zu Pferd, die diesen Wald von der einen und von der andern Seite aus abstreifen sollten. Der dritte Trupp ging zu Fuß.
    Wir drangen durch den Schnee in den Wald ein. Ohne dass etwas Verdächtiges bemerkt wurde, streiften wir durch das Unterholz, bis plötzlich hinter einer Tanne hervor Schüsse aus allernächster Nähe fielen, die den Leutnant der 4. Kompanie und den Hauptfeldwebel der Stabskompanie trafen. Der Offizier war sofort tot, der Spieß schwer verwundet. Auch der russische Schütze büßte sein Leben ein.
    Der Hauptfeldwebel wurde sofort zurückgeschafft ins Dorf und mit einem Schlitten zu einer im übernächsten Ort liegenden Sanitätsstaffel gebracht, wo er ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben starb.
    Der Tross des III. Bataillons war in einem Kilometer entfernten Nachbardorf Trofimowo (oder Potsosonki) untergebracht. Nach diesem Vorfall blieben nun die Trosse zur Sicherung des rückwärtigen Divisionsabschnittes im ganzen Gebiet liegen.

    Paul Hug, ehem.13/470



    Kameradenhilfswerk der
    260. Infanterie- Division

    Mit freundlichen Grüßen

    Karlheinz

  • Es war unsere Pflicht im Osten



    260 I D.




    Es ist ein Werktagmorgen wir jeder andere in Schwenningen alles hastet zu Fuß, mit Fahrrad oder wagen der Arbeitsstätte zu. Ein Arbeiter fährt mit seinem Fahrrad über eine belebte Kreuzung, biegt links ab und kommt zu Fall. Er liegt samt Fahrrad auf der Straße, hat sich am Knöchel erheblich verletzt und ist nicht in der Lage aus eigener Kraft wieder auf die Beine zu kommen.
    Gegenüber steh gut zwei Dutzend Menschen vor einem Fabriktor und warten auf die Toröffnung. Niemand denkt daran, auch nur die Hände aus den Taschen zu nehmen; sie sind unbeteiligte Zuschauer. Der Verunglückte schleppt sich halb kriechend an den Straßenrand und zieht sich an der Stange eines Verkehrszeichen mühselig in die Höhe. Das Fahrrad liegt noch auf der Straße. Dutzende von Autos fahren in einem Bogen herum.
    Endlich hält ein Auswärtiger Fahrer, zieht das Rad an den Straßenrand und fragt den Verunglückten, wie er ihm behilflich sein könne. Dieser bittet irgendwo im nächsten Geschäft das Rote Kreuz anzurufen und gibt ihm die erforderlichen Zehner zum Telefonieren. Das Sanitätsauto kommt und bringt den Verletzten ins Krankenhaus.
    Dort ist nicht etwa die erste Frage was fehlt ihnen sondern haben sie einen Überweisungsschein? Der Verunglückte muss verneinen und erhält die Antwort da wirt der Chef aber eine Freude haben! Nach mehrmaliger vergeblicher Aufforderung, es doch zu Fuß zu probieren, wird es mit einem Fahrstuhl weitertransportiert.
    Dieser Vorfall erinnert mich an ein Gegenstück, geschehen in Russland bei der 8./470zu Winteranfang 1941/1942 bei Gostetschewo, 60 Km. südlich von Moskau. Ein Unteroffizier war kurz zuvor erst vom Heiraturlaub zurückgekehrt und liegt draußen in einem Minenfeld schwer verwundetet. Sofortig Hilfe ist nötig. Sein Kamerad vom Maschinengewehr nebenan, Unteroffizier Keck, versucht ihn zu holen. Ein Scharfschütze trifft ihn tödlich.
    Nun bemüht sich der Zugführer, Feldwebel Weiß. Auch er bezahlt seine Hilfsbereitschaft mit dem Leben. Endlich kommt Verbindung mit der Artillerie zustande. Ein Sperrfeuergürtel ermöglicht uns, darunter auch Kompaniechef und Bataillonsarzt, die drei zu bergen. Der erste der draußen gelegen hatte stirbt dann auch noch.
    Solche Hilfsbereitschaft der Kameraden könnt und sollte man heute auch in anderen Situationen erwarten, bei Verkehrsunfällen, bei Feuersbrunst und Hochwasser. War es Gefühlsduselei, als Unteroffizier und Feldwebel ihr Leben einsetzten, um den Schwerverwundeten zu bergen? Oder schielten sie etwa nach einer Auszeichnung, nach einem Orden? Nein es war die Pflicht und Schuldigkeit dem nächsten gegenüber!
    Vor einigen Jahren wurde in Ludwigsburg unser Gedenkstein enthüllt. Der damalige Bataillonsarzt Dr. Schwarzkopf, heute praktischer Arzt in Mössingen stand neben mir, als unter den Klängen des Guten Kameraden die Namen der einstigen Orte gerufen wurden, darunter auch der an dem sich jene Geschichte zugetragen hat. Da erst ergriff es uns und wir weinten wie die kleinen Kinder. Damals da wären wir nicht dazu fähig gewesen.
    GFW


    Kameradenhilfswerk der
    260. Infanterie- Division

    Mit freundlichen Grüßen

    Karlheinz

  • 1.Teil


    Rückzug aus der Protwa – Stellung




    AR.260 setzt sich in schweren Abwehrkämpfen ab




    Bereits zweimal ist der Zeitabschnitt um die Jahreswende 1941/42 Gegenstand von Schilderung in unserer Zeitschrift Alte Kameraden gewesen. In Heft 3/1955 schilderte Dr. Tim Gebhardt in großen Zügen die großen Zügen die letzten Phasen des Vormarsches und die ersten des Rückzuges, mit Schwergewicht im Blickpunkt des IR. 470, dessen Adjutant er damals war. Im September 1961 faste er einen Artikel über Kremenki aus der Sicht der Divisionsführung die Eindrücke der Umstände und Vorgänge zusammen, die dem am 16. Dezember 1941 beginnenden Rückzug vorausgingen. Und nun soll noch die Artillerie unserer Division, die an den Abwehrfolgen dieser Zeit einen ganz entscheidenden Anteil hatte, zu Wort kommen.
    Ende November 1941 waren sowohl die deutschen als auch die Russischen Anstrengungen, bei Serpuchow im Angriff wieder Bewegung in die Front zu bekommen, am hartnäckigen Widerstand beider Gegner zum Stillstand gekommen. Die Brenn und Schwerpunkte der vorherigen heftigen und verlustreichen Kämpfe schienen sich aufzulockern.
    Wir wunderten uns allerdings nicht, als entgegen den optimistischen Prognosen Unbelehrbarer in den ersten Dezembertagen starke russische Spähtrupps in unserer rechten Flanke, also im Rücken der uns dort benachbarten 52. Infanterie- Division (Generalleutnant Redulic) auftraten. Diese Division stand in über 30 Km. breite hinter der zugefrorenen, als Hindernis daher unbrauchbaren Oka zwischen Alexin und Drakino und sicherte. Mehr konnten sie nicht leisten. Der Feind hatte selbstverständlich diesen löcherigen Frontabschnitt schnell abgetastet und von dort her südlich (Kaluga und Nedelnoje) hob er dann auch die Stellungen der 4. Armee aus den Angeln.
    Wie die I. Abteilung unseres A.R. 260 diesen ersten und schwierigsten Abschnitt des Rückzuges erlebte, schildern die folgenden Auszüge aus einem Bericht des Abteilungskommandeurs, Major Zirkelbach:
    Am 16. Dezember 1941 stießen in den Morgenstunden stärkere Feindkräfte, aus den Schluchten von Poteonikowo und ostwärts davon vorbrechend, an der Grenze zwischen 52. und 260 ID. bis in die am Tage vorher zufällig geräumte Feuerstellung der 10./A.R.260 und II./A.R.260 vor. Offenbar waren die sehr schwachen Sicherungskräfte der 52. ID. hier und weiter ostwärts überrannt worden, so dass der rechte Flügel der 260.ID.aufs stärkste bedroht war. Diese musste sich darauf beschränken, von Nowosselki über Jerschowo in Linie Höhe 225,8 südlich dieser Ortschaft durch herein werfen der Reserven nach Osten abzuriegeln.
    Die in Jerschowo befindliche B-Stelle der 3. Batterie mit Oberleutnant von Teuffel konnte die Endwicklung der Lage sehr gut verfolgen. Die Feindkräfte arbeiteten sich in kleinen Trupps in Begleitung von Schlittenfahrzeugen und einzelnen Panzern über das Protwatal vor. Hierdurch boten sich nur kleine, der Bekämpfung durch Artillerie nicht lohnende Ziele, so dass die Bereitstellung des Gegners nicht in dem gewünschten Maße gestört werden konnte. Von Nowosselki gegen Jerschowo vorgetragene Angriffe konnten jedoch mehrfach, namentlich von der 3.Batterie, erfolgreich unter Feuer genommen werden.
    Die Verteidigung des beherrschend liegenden Ortes Jerschowo war durch das auftreten einzelner Feindpanzer erschwert, gegen die dort außer leichten Paks kein wirksamer Panzerschutz vorhanden war. Außerdem versagten infolge der außerordentlichen, 20 Grad übersteigender Kälte die IMG der in der Ortschaft eingesetzter Infanterie. Es traten kritische Augenblicke ein, in denen die weitere Verteidigung der Ortschaft in Frage gestellt war. Durch das verantwortungsfreudige, energische, Eingreifen des Oberleutnants von Teuffel, der die Abwehr organisierte, wurde die Krise gemeistert. Der vor Jerschowo aufgetretene einzelne Feindpanzer wagte es nicht, in die Ortschaft einzudringen.
    Hingegen hatte sich am rechten Flügel der Division auf Höhe 225,8 am 18. Dezember die Lage verschärft. Hier waren mittlere Panzer, mindestens acht Stück, aufgetreten und hatten die vor den Waldrändern liegende schwache Infanterie-Linie des I. und II./IR.470 durchbrochen. Im laufe des Nachmittags, als die Panzerwagen in südliche Richtung verschwunden waren , wurden die Verbindungen zwischen den Einheiten zwar wieder hergestellt, aber die Endwicklung der Lage beim rechten Nachbarn ließ bei der Truppenführung den Endschluss reifen, die Verteidigungslinie in die Linie Lgowo- Ost –Radenki –Ost –Kalinino- Ostrow zurückzunehmen. Schon vorher mussten die Feuerstellung der 1. und 3. Batterie die bei Jerschowo allmählich stark gefährdet waren, in die große Waldblöße 1500 m nord ostwärts Radenki zurückgenommen werden. Nur die 2. Batterie konnte zunächst noch bei Gostetschewo in Stellung bleiben. Hiermit war auch die Aufgabe des bisherigen Brückenkopfes von Kremenki (IR.460) verbunden. Die Verteidigungslinie setzte sich nun nördlich vom Ostrand Ostrow bis zum Ostrand Macejewo fort.
    Am 18. Dezember war gegen Mittag der Befehl eingetroffen, neue Stellung westlich von Aulowo zu erkunden. Bei starker Kälte vollzog sich der Stellungswechsel in der Nacht planmäßig, wenn auch unter großen Schwierigkeiten. Die V.B. gingen in den Morgenstunden zusammen mit der Infanterie zurück, der Gefechtstand wurde in Aulowo eingerichtet und die B-Stelle der 1. und 3. Batterie nach Radenki verlegt, an dessen Ortsrand sich auch die Hauptkampflinie befand. Von hier aus verlief die Verteidigungslinie entlang der Waldstraße nach Kalinino-.
    Die Stabsbatterie blieb am 18. Dezember unter dem Kommando des Adjutanten Oberleutnant Baron, etwa bis 20°° Uhr in Kalinino-, um die verlegten Leitungen vollzählig aufzunehmen. Sie marschierten dann geschlossen über Ostrow –Gostetschewo nach Aulowo. Während des Anstieges auf dem nach Gostetschewo führenden Abkürzungsweg ging ein starker Feuerüberfall auf und dicht an den Marschweg. Der an der Spitze der Einheit marschierende Oberleutnant Baron wurde Tödlich am Hals getroffen und verschied ohne das Bewusstsein wiedererlang zu haben. Der vorbildliche tapfere schon in Frankreich mit dem EK. I ausgezeichnete Offizier wurde durch die 2. Batterie in Gostetschewo am nächsten tag an der Kirche beigesetzt, in der Nähe des Leutnants Kaufmann, 1. Batterie der schon am 9. Dezember in Kremenki als vorgeschobener Beobachter gefallen war. Mit der Zurücknahme der Hauptkampflinie des IR. 470 auf die Linie Radenki –Kalinino- waren die von der 1. und 3. Batterie bezogene Zwischenstellungen an dem Wege Radenki – Kalinino- unmöglich geworden. Die beiden Batterien mussten deshalb unverzüglich in vom Abteilungskommandeur nördlich Maliniki erkundete Stellung zurück genommen werden. Dieser Stellungswechsel war wegen den tiefen Schnee und der beißenden Kälte denkbar schwierig. Es war nur möglich je Batterie etwa 120 Schuss auf Schlitten zu befördern. Beim Nordeingang von Radenki war ein Geschütz der 1. Batterie, das schon kurz vorher durch einen feindlichen Treffer erheblich beschädigt worden war, beim passieren der dort befindlichen Brücke abgestürzt. Es lag mit den Rädern nach oben unterhalb der Brücke und konnte trotz aller Bemühungen nicht mehr Fahrbereit gemacht werden. Wir mussten es daher Unbrauchbar machen.
    [FONT=&quot]Die Geschütze wurden einige hundert Meter nördlich Maliniki in Stellung gebracht. Die Protzen verblieben in dem von Truppen aller Waffengattungen überfüllten Maliniki. Im eisigen Wind wurden mühsam bei über einem Meter Schneehöhe Geschützstände angelegt, und trotzt der Ermüdungen der Bedienung wurde dazuhin sofort mit der Anlage begonnen.


    [/FONT]Kameradenhilfswerk der
    260. Infanterie- Division

    Mit freundlichen Grüßen

    Karlheinz

  • 2. Teil


    Da die Abteilung mit der Feuerstelle direkt verbunden war, bestand in allen Gefechstmomenten sichere Verbindung. In den kommenden Nächten wurden trotz des großen Munitionsmangels mehrfach zusammengefasste Feuerüberfälle auf die vom Feind besetzten Ortschaften durchgeführt. Tagsüber wurden erkannte Feindbewegungen wiederholt wirksam bekämpft. Radenki lag fast ununterbrochen unter schwerem feindlichem Minenwerferfeuer, das dauernde Verluste verursachte. Wachtmeister Kimmich von der 3. Batterie und sein Hilfsbeobachter wurden auf der B-Stelle durch Baumzerspringer schwer Verwundetet. Am 19. Dezember wurden alle frontal gegen den Ostrand der Ortschaft vorgetragenen Feindangriffe abgewehrt. Ein besonderer Gefahrenpunkt war die längs des Weges Radenki – Kalinino- verlaufende Hauptkampflinie, die trotz des hier noch eingesetzten Bataillon Bräckle viel zu schwach Verteidigt war. Immer wieder drangen hier starke russische Spähtrupps ein, die mit den geringen zur Verteidigung stehenden Kräften wieder zurückgeworfen werden mussten. Das von Leutnant Fellhauer geführte Artillerie- Verbindungskommando, das ununterbrochen im freien Gelände in der großen Lichtung nord ostwärts Radenki und ohne jede Deckung tätig sein musste, führte ein Anzahl wichtiger Feueraufträge mit gutem Erfolg durch und bracht durch die stets intakte Funkverbindung für die höhere Führung jeweils alsbald die Orientierung über die Lage in diesem Frontabschnitt.
    Im laufe des Vormittags des 20.Dezember herrschte, abgesehen von Störungsfeuer Ruhe. Erst nach 12°°Uhr stießen etwa 18 mittlere und leichte Panzer des Feindes mit aufgesessner Infanterie aus der großen Waldlichtung auf die Hauptkampflinie vor und fuhren an dieser entlang auf Radenki vor. Die auf den Panzerwagen sitzenden mit automatischen Waffen versehenen Infanteristen zwangen durch ihr Feuer unsere Leute, in den Wald auszuweichen. Die Panzer selbst fuhren bis ostwärts Radenki vor, um dort die deutschen Linien aufzurollen. In dieser misslichen Lage wurden die beiden dem Abschnitt seit gestern zugeteilten Sturmgeschütze vorgesandt, die es durch ihren prächtigen Angriffsgeist fertig brachten, nacheinander 13 von den aufgetretenen Panzern außer Gefecht zu setzten. Ein noch fahrbarer 34- to- Panzer wurde abends fast unbeschädigt nach Ulowo eingebracht. Bei der an diesem Tage geleisteten Feuerunterstützung musste mit der noch vorhandenen Munition (etwa 300 Schuss) äußerst hausgehalten werden, den die Abteilung hatte keinerlei Aussicht vor 48 Stunden Munition zu erhalten.
    Auch am nächsten Tag den 21. Dezember dauerte das schwere Granatwerferfeuer auf Radenki unvermindert an. Die durch den feindlichen Panzerangriff und das hierdurch veranlasste Ausweichen unserer Infanterie entstandene Lücke war inzwischen wieder geschlossen worden. Leutnant Fellhauer war durch einen Maschinenpistolen Schuss während des Panzerangriffs an der Ferse verwundet worden, verblieb aber bei der Truppe.
    Durch Flugzeug vorgebrachte Teile des SS-Schützenregiments 1 trafen gegen Abend in Aulowo ein und wurden in stärke einer Kompanie im linken Abschnitt eingesetzt.
    Inzwischen war auch beim rechten Nachbarn in Logowo eine schwere Krise eingetreten. Stärkere russische Kräfte hatten sich im Süd Ost wärtigen Ortsteil festsetzen können. Im wuchtigen nächtlichen Gegenstoß wurde sie durch II./IR.460 unter Führung von Major Franz Müller geworfen und aufgerieben. In den wieder genommenen Häusern von Lgowo wurden über 150 gefallene Rotarmisten gezählt. Am 22. Dezember brachen neue heftige Feindangriffe auf Radenki los. In den ersten Nachmittagsstunden stieß russische Infanterie südostwärts vom Ort Radenki vorbei, nachdem durch ununterbrochenes schweres Granatwerferfeuer die Verteidiger der Ortschaft niedergehalten worden waren. Hier griff Oberleutnant von Teuffel mit Leutnant Wölfel und den Organen der B-Stelle in den Kampf ein, in dem er lückenhafte Infanteristische Abwehr organisierte und mit seinen Handfeuerwaffen den Gegner unter Feuer nahm, nachdem er schon vorher die vorgehende Infanterie mit seinem Geschützen erfolgreich beschossen hatte.
    Inzwischen war die 2. Batterie, die solange noch in ihren alten Stellungen ostwärts Gostetschewo eingesetzt geblieben und der 17. ID. unterstellt worden war, dort freigegeben und nunmehr auch neben den anderen Batterien der Abteilung eingesetzt worden. Ihre B-Stelle lag in einem Haus am Ortsausgang von Aulowo, der VB wurde in einem Kolchosehof am Südwestrand von Radenki eingesetzt.
    In den Nachmittagsstunden des 22. Dezember waren ernut feindliche Panzer mit aufgesessener Infanterie nord ostwärts Radenki durchgebrochen. In einer Lichtung etwa 600 Meter nördlich Radenki wurden diese Panzer festgestellt. Wiederum wurden die Sturmgeschütze darauf eingesetzt. Erneut griffen sie den weit überlegenen Gegner an und erledigten der Reihe nach alle sechs Panzer. Auch dieser Angriffsversuch war somit restlos Gescheitert und die Gesamtlage war trotz der schweren Verluste durch Artillerie und Granatwerfer gut und Vertrauens erweckend, wenn nicht im laufe des 23. Dezember der feindliche Druck auf den rechten Nachbarn verschlechtert hätte. Durch die dortigen Gelände Verluste war die Division nun genötigt, auf Befehl des Generalkommandos die Verteidigungslinie in unserem Abschnitt auf die Linie Naumowo – Walkowo mit Gefechtsstand des IR. 470 in Tschausowo zurückzunehmen.
    Beide Ortschaften waren von dichtem Wald umgeben und nur auf den von der Straße Aulowo—Tschausowo mit B- Stelle nordwestlich Naumowo. Die exponierte Lage der Feuerstelle in der Waldlichtung von Walkowo ließ es ratsam erscheinen, die 1. und 3. Batterie am nächsten Tag an den Waldrand ostwärts Tschausowo zurückzunehmen. Der Gefechtsstand der Abteilung befand sich wie der vom IR. 470 in Tschausowo.
    Am 24. Dezember lag Tschausowo bereits unter schweren Granatwerfer und Artilleriefeuer. Dadurch traten beim Abteilungsstab empfindliche Verluste ein. Dem Gegner war es gelungen zwischen den beiden Ortschaften Naumowo und Walkowo längs der Rückzugstraße durchzustoßen, wobei einzelne Teile bis vor Tschausowo gelangten. Im Gegenstoß wurde mit Unterstützung der beiden Sturmgeschütze jedoch die Lage wieder hergestellt und der Feind entlang der Straße wieder zurückgeworfen.
    Am 25. Dezember ergab sich bei dem in Walkowo eingesetzten Bataillon Schütz eine schwierige Lage. Die dürftige Munitionslage erlaubte leider eine der Lage angemessene und dauernde Unterstützung der Infanterie nicht. Allmählich hatte der Feind die Ortschaft völlig Umzingelt. Erst ein aus Tschausowo durchgeführter nächtlicher Gegenstoß stellte die Verbindung mit dem Bataillon Schütz wieder her und ermöglichte diesem den Durchbruch nach Tschausowo.
    Erneut musste nun am 26. Dezember da die jetzige Hauptkampflinie nicht mehr zu halten war, die Front zurück genommen werden, und zwar in die Linie Altuchowo – Asarowo . Der für die Abteilung in Frage kommende direkte Weg nach Altuchowo über Tarsuki war nicht gebahnt und in folge riesiger Schneeverwehungen nicht benutzbar. Es musste deshalb über Gorjanowo nach Süden aus gebogen werden. In der Feuerstellung der 3. Batterie war am 25. Dezember durch einen Rohrkrepierer der Batterie – Offizier, Leutnant Kunzi, leicht verletzt worden. Er konnte bei der Truppe verbleiben, das Geschütz jedoch musste völlig Unbrauchbar zurückgelassen werden.
    Durch die ungewöhnliche starke Kälte und durch den völligen Mangel an Raufutter und Hafer waren die Pferde am Ende ihrer Leistungsfähigkeit. Tag und Nacht in eisiger Kälte stehend, waren sie kaum imstande, die schweren Fahrzeuge zu ziehen. Besonders die Munitionstransporter bereiteten die größten Schwierigkeiten. Je Batterie konnte kaum noch 90 Schuss befördert werden.
    Der am 26. Dezember angetretene weitere Rückmarsch auf der einzig zur Verfügung stehenden gebahnten Straße verlangte von Mann und Pferd das Äußerste. Ein eisiger Nordwind wehte. Auf dem Marschweg waren außerordentliche Geländeschwierigkeiten und Höhenunterschiede zu überwinden. Bei der 2. Batterie konnte in Gorjanowo ein Geschütz trotzt stundenlanger Bemühungen nicht über eine Steigung gebracht werden und musste unbrauchbar gemacht und aufgegeben werden.
    Zwischen Borzowo und Antonow ginge die Batterie der Abteilungen erneut in Stellung. Der Abteilungsgefechtstand und auch die Beobachtungsstelle der Batterie wurden in Stechino eingerichtet. Unteroffizier Treiber 3. Batterie der tags vorher nicht unerheblich Verwundetet worden war, begab sich trotz der erlittenen Verwundung als vorgeschobener Beobachter nach Altuchowo zum Infanterie – Bataillon.




    Kameradenhilfswerk der
    260. Infanterie- Division

    Mit freundlichen Grüßen

    Karlheinz

  • 3. Teil


    Empfindlich Verluste

    Am 24. und 25. Dezember waren kurz nacheinander Leutnant Kürschner und Leutnant Rupp vom Abteilungsstab als A.V. Ko: schwer Verwundet worden. Der VB. Der 2. Batterie Fahnenjunker Wachtmeister Wacker, war bereits zwei tage vorher in Radenki verwundet worden. Leutnant Fellhauer der von Beginn des Ostfeldzuges an als A.V. Ko. Der Abteilung in etwa 30 Gefechten tätig war, wurde für den gefallenen Oberleutnant Baron als Adjutant bestimmt. Der am 24. Dezember aus der Heimat zurückgekehrte Leutnant Freitag wurde Chef der Stabsbatterie. O.A. Wachtmeister Romahn der 3. Batterie musste wegen starker Erfrierungen der Füße ebenfalls am 25. Dezember aus der Gefechtsbatterie zurückgezogen werden. Wegen Erfrierungen und Erkrankungen fielen in diesen Tagen bei allen Einheiten zahlreiche Dienstgrade und Kanoniere aus, die aber zunächst wegen der schwierigen Gesamtlage nicht ans Lazarette abgegebne werden konnten, sondern bei der Truppe verbleiben mussten. Alle nicht zu den Gefechtsbatterien gehörenden Teile des Regiments rückten geschlossen unter der Führung des Kommandeurs der IV. Abteilung auf der in Protwatal führenden Straße nach Westen.

    Hartnäckige feindliche Angriffe

    Im laufe des 26. Dezember drängten der Gegner scharf nach und lag alsbald direkt vor der neuen Hauptkampflinie. In der Nacht vom 26. auf 27. Dezember waren Feindteile links von uns bereits in die neue Widerstandlinie eingedrungen, so das diese im Laufe des Morgens des 27. Dezember etwas zurück genommen werden musste. Durch die Abteilung wurde in der Nacht die vom Feind besetzten Ortschaften unter Feuer genommen.
    In der Nacht vom 27. Dezember erging Befehl, von Stechino über Borzowo nach Gorodenka abzurücken. In den letzten zwei Tagen hatten rechts von uns die 268. ID. stark auf Schlitten und Schneeschuhen bis Nedelnoje vorgestoßen Feindteile im kühnen Gegenstoß nach Süden zurück geworfen. Hierdurch war die von Nedelnoje nach Nordwesten führende Straße Feindfrei und für uns benutzbar geworden. Starke Teile der 260. Infanterie-Division wurden für die rückwärtige Aufnahmestellung auf dieser Straße angesetzt, während gleichzeitig die 268. ID: durch weitere Angriffe den Gegner südlich Nedelnoje zurückwarf. Auch Gorodenka war mit Truppen überfüllt, Immerhin konnten die Batterien und Abteilungen ihre Männer in den dortigen Häusern einige Stunden sich wärmen lassen. Dann ging der Marsch auf der großen Straße weiter nach Dedzewo- Ojemkono, wo genächtigt werden sollte. Wegen des außerordentlich tiefen Schnee und der großen Höhenunterschiede war es unmöglich, die Fahrzeuge mit in diese Ortschaft zu nehmen. Sie mussten deshalb an der großen Straße bei Höhe 234,2 stehen bleiben und nur die Mannschaft mit den Pferden begaben sich in die Unterkünfte. Auf dem Wege dahin zeugte überall Kampfspuren von den Gegenangriffen der 268.ID.In den zugewiesenen Unterkünften befanden sich auch noch Teile der 268. ID. und eine Abteilung der 137.ID.so dass die Pferde der ersten Abteilung trotzt der eisigen Kälte auch diese Nacht wieder im Freien zubringen mussten, ohne das es möglich war, ihnen wenigsten Heu oder Hafer zu verschaffen.
    Die vorhanden wenigen heizbaren Häuser waren so dicht belegt, dass die Mannschaften nicht einmal stehend darin Unterkunft finden konnten und deshalb in kleinen Trupps sich teilweise in die nächsten Ortschaften begeben mussten, um sich einige Stunden zu wärmen.
    Bei über 20 Grad Kälte wurde am 28. Dezember morgens aus den Unterkünften zurück marschiert zu den Parkplätzen, auf denen die Fahrzeuge im metertiefen Schnee standen. Nach dem Anspannen fädelte sich die Abteilung in die Marschkolonne der ununterbrochenen vorbeiziehenden Truppenteile der 260. ID. ein und durchquerte die in den letzten Tagen hart umkämpfte Ortschaft Nedelnoje, an deren Rand Batterien der 268.ID. soeben in Stellung gegangen waren. Über Schilinka Porerschje ging der Marsch, gesichert durch Teile der 19. Panzer Division nun nach Westen der neuen Verwendung in den Aufnahmestellungen entgegen. Die Marschbewegung von Nedelnoje nach Nordwesten und dann nach Südwesten am 28. Dezember schloss die Lücke, die der Feind vom 16. Dezember an zwischen den um Kaluga ringenden XXXXIII. Armeekorps und dem XIII. Armeekorps als Südflügel der 4. Armee aufgerissen hatte. In der Neujahrsnacht 1941/42 marschierte die 260. Infanterie Division in einer Kolonne, etwa im Verlauf ihrer späteren Hauptkampflinie bei Wetschuno, nach Süden machte fast in der Marschordnung linksum und fand dort Anschluss an die von Süden kommende Teile der 52. ID.
    Dieser kleine Ausschnitt kann nur unvollkommen die unvorstellbaren Strapazen dieses Zeitabschnitts schildern. Es zeigt aber, in welchem Maße damals und noch oft in der Folgzeit die Artillerie das Rückgrad der Verteidigung war. Die Infanterie war ausgebrannt ihre Männer halb erfroren übermüdet und unzureichend Bekleidet. Vor allem aber war die Ausrüstung der Panzerbrechenten Waffen völlig unzulänglich. Da konnte nur eine straff geführte, wendige und rücksichtlose eingesetzte Artillerie der Verteidigung die Unterstützung geben, die sie einfach brauchte.
    Um zu wissen ob dass Artillerie Regiment 260 dieser Aufgabe gerecht wurde, brauchte man nur die unterstützende Infanterie zu fragen. Sie hat es hundertfach bestätigt.


    Kameradenhilfswerk der
    260. Infanterie- Division

    Mit freundlichen Grüßen

    Karlheinz